Montag, 06. Mai 2024

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Anreize für Autokäufe in Coronakrise
"Zweifelhafte ökonomische Wirkung"

Der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, Gabriel Felbermayr, hält Kaufprämien für Autos nicht für zielführend, um die Wirtschaft wieder hochzufahren. Man sollte jetzt nicht "Branchen, die jederzeit gerne ein bisschen Konjunkturprogramm hätten", Geld auf den Tisch legen, sagte er im Dlf.

Gabriel Felbermayr im Gespräch mit Jessica Sturmberg | 14.04.2020
Gabriel Felbermayr, Chef des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, im September 2018
Gabriel Felbermayr, Chef des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (picture alliance / apa / Herbert Pfarrhofer)
Der Präsident des Kielder Instituts für Weltwirtschaft, Gabriel Felbermayr, plädiert für gut durchdachte, behutsame Lockerungen der behördlichen Auflagen in Regionen und Sektoren, die dies zulassen. Im Bereich der Industrieproduktion könne die Regierung nur indirekt Einfluss nehmen.
Im Bereich der sozialen Dienstleistungen wie Gaststätten, Frisöre, Teile des Einzelhandels sei es wichtig, dass die jetzt harten Auflagen graduell reduziert werden bei regionaler und sektoraler Differenzierung, um die Risiken zugleich minimal zu halten. "Jede Lockerung verringert die ökonomischen Kosten" - diese ökonomischen Schäden könnten aber nur in kleinen Dosierungen verringert werden. Allein schon deshalb, weil die Kapazitäten nicht zu 100 Prozent ausgelastet werden könnten. So dürfte etwa ein Restaurant bei Wiedereröffnung nur Tische in großen Abständen aufstellen, erklärte Felbermayr.
Im Bereich der Industrie könne die Regierung keinen direkten Einfluss ausüben. Hier liege das Wieder-Hochfahren nicht in ihrer Hand. Der Produktionsstopp war in diesen Fällen auch nicht durch behördliche Auflagen erfolgt, sondern Folge von unterbrochenen Lieferketten, ausbleibender Nachfrage und teils fehlender Arbeitskräfte.
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Priorität "Europa wieder flott zu kriegen"
Es brauche für die stark exportorientierte deutsche Wirtschaft wieder Nachfrage aus dem Ausland, die Lieferketten in Europa und auch darüber hinaus müssten zudem wieder funktionieren. Hier könne die Bundesregierung nur indirekt Einfluss ausüben, beispielsweise, indem sie darauf einwirkt, die europäischen Binnengrenzen für den Warenverkehr offen zu halten und so Logistikunternehmen arbeiten könnten.
Hilfreich sei, dass in China die Wirtschaft wieder hochgefahren wird. Das sei für die deutsche Wirtschaft sowohl als Absatzmarkt wie auch für Zulieferungen eine gute Nachricht. "China läuft uns voraus, drei, vier Wochen und es kann sein, dass in dem Ausmaß, in dem sich die Situation in den USA verdüstert, China einen Lichtblick liefert, erklärte Felbermayr.
Aus China kommen zirka zehn Prozent der importierten Vorleistungen, zwei Drittel kommen aus Europa. Es müsse daher Priorität in Deutschland sein, "Europa wieder flott zu kriegen". Wichtig sei Italien mit rund sechs Prozent der Vorleistungen für deutsche Unternehmen.
Problem nicht die mangelne Nachfrage nach Autos
Eine Abwrack- oder Kaufprämie für Autos als Anreiz sieht Felbermayr skeptisch: "Es ist verständlich, dass Niedersachsen das als großer Automobilstandort fordert, aber volkswirtschaftlich für Deutschland gesehen macht das keinen Sinn. Wenn das Problem die internationalen Lieferketten sind, dann werden die wenig beeindruckt sein, wenn wir ein Abwrackprogramm auflegen, denn die Störungen sind ja nicht in der Nachfrage, sondern sie sind in der Beschaffung von Teilen."
Die Autohersteller Volkswagen und BMW hatten staatliche Anreize für Autokäufer vorgeschlagen, um die Coronakrise zu überwinden. Auch Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder hat ein Automobil-Programm gefordert. und Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) fordert eine Abwrackprämie. Das Land Niedersachsen ist Anteilseigner bei VW, Weil ist Mitglied im Aufsichtsrat des Konzerns.
Es sei denkbar, dass unter Wahrung von Hygiene- und Sicherheitsstandards die Autohäuser wieder öffneten, sodass die Menschen wieder Autos kaufen könnten, sagte Felbermayr. "Wir haben nicht das Problem, dass die Nachfrage weggebrochen wäre, die ist da. Das Problem ist eher, dass die Transaktionen nicht stattfinden, dass die Verkaufsgespräche nicht stattfinden können und die Bestellungen nicht eingehen."
Bei den enormen Ausgaben, die jetzt auf den Steuerzahler zukämen, sei es wichtig herauszufiltern, welche Programme zielführend seien. Im Falle von Kaufanreizen für Autos sähe er das nicht: "Wir sollten jetzt nicht in die Falle laufen, dass wir Branchen, die jederzeit gerne ein bisschen Konjunkturprogramm hätten, jetzt auch Geld auf den Tisch legen. Da kommt es zu Mitnahmeeffekten, die in einer Situation, wie wir sie heute haben mit dem größten Budgetdefizit aller Zeiten nur viele Kosten verursacht, aber sehr zweifelhafte ökonomische Wirkung hätte."