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Anschläge auf Bali

Simon: Über 180 Tote und 300 Verletzte, das ist die schreckliche vorläufige Bilanz der Anschläge auf Bali am Samstag. Immer größer wird seither der Druck auf die indonesische Regierung, die extremistischen Moslem-Organisationen im Land härter anzufassen. Vor allem in Australien und den USA wird die Tonlage schärfer, denn gerade aus Australien stammen die meisten Opfer des Sprengstoffattentates in Kuta. Am Telefon begrüße ich jetzt Norbert Eschborn, den Leiter des Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Indonesien. Guten Morgen!

    Eschborn: Guten Morgen Frau Simon.

    Simon: Herr Eschborn, ist es auch Ihr Eindruck, dass die indonesische Regierung die extremistischen Organisationen ungehindert hat machen lassen?

    Eschborn: Ungehindert in dem Sinne, dass man vielleicht hätte etwas wirksamere Überwachungsmaßnahmen einleiten können, speziell nach dem 11. September, als der indonesischen Regierung durchaus verwertbare Ermittlungs- und Fahndungsergebnisse der insbesondere amerikanischen Behörden vorlagen. Da ist meines Erachtens vielleicht auch aus innenpolitischen Gründen in Indonesien zu wenig geschehen.

    Simon: Was sind diese innenpolitischen Gründe?

    Eschborn: Die sind sehr vielschichtig. Indonesien ist ein sehr komplexes Land und nicht einfach zu verstehen, aber jede Regierung muss einen relativ schwierigen Balanceakt ausführen, wenn sie mit islamischen Gruppen zu tun hat. Es geht dabei vor allem darum: Indonesien ist das viertgrößte Land der Welt und das größte moslemische Land der Welt mit etwa 180 Millionen Moslems. Da gibt es natürlich schon Empfindlichkeiten innerhalb der Bevölkerung, wenn seitens der Regierung zu hart gegen islamische Gruppen vorgegangen würde.

    Simon: Das eine, was Sie ansprechen, sind die Empfindlichkeiten in der Bevölkerung. Wie viel Unterstützung haben denn, soweit man das weiß, die Radikalen bei den indonesischen Muslimen?

    Eschborn: Das ist sehr schwer einzuschätzen. Das hängt auch von anderen als nur diesen rein politischen Faktoren ab. Sie müssen auch sehen, es gibt gewaltige soziale Probleme in Indonesien. Wir haben laut offizieller Statistik eine Arbeitslosigkeit von etwa 45 Millionen Personen. Das sind gewaltige Dimensionen. Es gibt eine weitreichende Armut. Es gibt Unmengen von Korruption. Es gibt fehlende Rechtsstaatlichkeit. Das sind Dinge, die sich der moslemische Extremismus natürlich zu Nutze macht. Es ist allerdings in absoluten Zahlen sehr schwer einzuschätzen, wie hoch jetzt die Zustimmung in der Bevölkerung zu den radikalen Forderungen liegt. Ich persönlich gehe davon aus, dass es ein doch relativ geringer Teil der Bevölkerung ist, der sich wirklich mit den Forderungen der Radikalen identifiziert.

    Simon: Es hat bislang in Indonesien, zwar nicht auf Bali, was ja weitgehend eine Hindu-Insel ist, aber auf anderen Inseln Gewalt von extremistischen muslimischen Organisationen gegeben, aber nicht gegen Touristen. Was halten Sie denn von der These, die das indonesische Innenministerium und jetzt auch US-Präsident George Bush ins Spiel gebracht haben - allerdings noch ohne Belege -, El-Kaida sei in Bali am Werk gewesen?

    Eschborn: Das ist natürlich spekulativ. Dessen müssen wir uns bewusst sein. Mein erster Eindruck, nachdem ich diese Nachricht gehört hatte, war auch, dass es El-Kaida sein muss, einfach aufgrund des Profils dieses Anschlages. Es ist passiert an einem Ort, an dem es keiner für möglich gehalten hat. Menschen, die wie wir in Indonesien leben, haben Bali immer als einen extrem sicheren Ort empfunden und darum ist dieser Schock auch so groß, dass es ausgerechnet dort passiert ist. Dann müssen wir uns die Zielgruppe des Anschlages anschauen. Das waren weit überwiegend Ausländer, vor allem westliche Ausländer und vor allem Angehörige von Nationen, die in der islamischen Welt als Parteigänger Amerikas identifiziert werden. Das spricht meiner Ansicht nach schon dafür, dass zumindest im Hintergrund El-Kaida dafür verantwortlich ist.

    Simon: Können Sie sich vorstellen, dass El-Kaida in Indonesien, in diesem Wirrwarr von diversen Problemen einen fruchtbaren Boden finden könnte?

    Eschborn: Theoretisch schon. Ich sagte ja schon einige Gründe, die ich dafür maßgebend halte. Es liegt aber auch unter logistischen und organisatorischen Gesichtspunkten nahe. Schauen Sie, Indonesien ist ein Insel-Archipel von ungeheuerer Größe. Sie haben dort zwischen 13- und 17000 Inseln. Tausende davon sind unbewohnt. Sie haben Küstenlinien, die keine Marine effektiv kontrollieren kann. Sie können dort sicherlich ohne größere Schwierigkeiten größere Mengen Sprengstoff an irgendwelche Küsten anlanden und ungehindert und unbeobachtet einen Anschlag dieser Dimension vorbereiten. Insofern eignet sich das Land als logistische Basis für Terroranschläge sicherlich sehr gut.

    Simon: Herr Eschborn, was bedeutet dieser Anschlag für Indonesien über den Tag hinaus?

    Eschborn: Das ist eine Katastrophe. Das Vertrauen in die Stabilität Indonesiens ist nachhaltig erschüttert. Das Land hat ohnehin gelitten nach dem 11. September, wie überhaupt die gesamte südostasiatische Subregion unter dem Eindruck einer Instabilität. Das Vertrauen in die wirtschaftliche Erholung wird jetzt nachlassen. Bali galt als reiche Provinz, als Provinz, der es gut ging aufgrund der Einnahmen des Tourismus. Dort wird man sicherlich nachhaltige Einbrücke jetzt feststellen. Indonesien leidet immer noch sehr unter den Folgen der Asien-Krise, der Wirtschaftskrise von 1997. Da war eine ganz leichte Erholung am Horizont sichtbar. Zumindest vorübergehend wird diese Erholung sicherlich zum Stillstand kommen. Ich halte das vor allem unter Image-Gesichtspunkten für eine sehr große Katastrophe.

    Simon: Das klingt bei Ihnen so, als sei das nicht abzuwenden. Was hat die Regierung in Indonesien aus Ihrer Sicht denn realistisch derzeit für möglich gehalten?

    Eschborn: Sie hat die Möglichkeit, dass sie zumindest jetzt einmal eine klare Position entwickelt, wie sie zur Terrorbekämpfung auch im eigenen Land steht. Nach dem 11. September hat Präsidentin Megawati zunächst anlässlich eines Staatsbesuches in den USA den Amerikanern ihre volle Unterstützung zugesagt, nur um dann bei ihrer Heimkehr, dem innenpolitischen Druck nachgebend, diese Position zu relativieren. Da wurde auch schon deutlich Kritik an dem Afghanistan-Feldzug der Amerikaner geübt. Jetzt hingegen wird man doch eine relativ klare Strategie, auch für die Außenwelt relativ klare Strategie entwickeln müssen, wie man den Terrorismus im eigenen Land wirksam bekämpfen will, und man wird auch ganz klar sagen müssen, wo man in den islamistischen Gruppen eigentlich die Hauptverantwortlichen sieht.

    Simon: Ganz herzlichen Dank. - Das war Norbert Eschborn, der Leiter des Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Indonesien, mit einer Einschätzung, was der Anschlag auf Bali für das Land bedeutet.

    Link: Interview als RealAudio