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Anschlag in Kopenhagen
Täter saß wegen Messerattacke im Gefängnis

Der von der Polizei getötete Attentäter von Kopenhagen ist identifiziert. Der 22-jährige dänische Muslim war vor zwei Wochen vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen worden, wo er wegen eines Gewaltdelikts einsaß. Hatte er Komplizen?

Von Christoph Heinzle | 16.02.2015
    Aufnahmen einer Überwachungskamera zeigen angeblich den mutmaßlichen Attentäter.
    Aufnahmen einer Überwachungskamera zeigen angeblich den mutmaßlichen Attentäter. (dpa/Polizei Kopenhagen)
    Alle großen dänischen Medien verbreiten seit gestern Abend ein Foto, auf dem der Täter zu sehen sein soll. Auch der Kanal TV2 berichtete, der mutmaßliche Terrorist, der für die Schießereien am Wochenende verantwortlich war, sei jetzt identifiziert.
    "Und auch ein Name wird verbreitet: 'Omar Abdel Hamid El-Hussein'."
    Der 22-jährige dänische Moslem soll einer Gang im Kopenhagener Stadtteil Nörrebro angehört haben. Dort stellten Polizisten den mutmaßlichen Attentäter gestern Morgen und erschossen ihn nach kurzem Feuergefecht. El-Hussein hatte vor über einem Jahr in der Kopenhagener U-Bahn einen 19-Jährigen ohne erkennbaren Grund niedergestochen und schwer verletzt, saß anschließend im Gefängnis. Dänische Medien veröffentlichten Fotos des Vorfalls 2013. Vor zwei Wochen wurde der 22-Jährige nach Angaben seines Anwalts dann vorzeitig freigelassen. Die Ermittler hatten zunächst lediglich erklärt, der Attentäter sei bereits durch verschiedene Straftaten wie Waffenbesitz, Gewaltdelikte und Bankenkriminalität polizeibekannt. Die dänische Justizministerin Mette Frederiksen äußerte sich zufrieden über den schnellen Fahndungserfolg der Polizei gestern.
    "Wir haben Terroranschläge in mehreren Ländern gesehen, auch in Europa. Wir wussten, dass es auch in Dänemark seit einiger Zeit ein reales Risiko gab. Man muss aber sagen, dass die Polizei ungewöhnlich gut gearbeitet hat, indem sie den Täter innerhalb relativ weniger Stunden fassen konnte."
    Die Ermittlungen, ob der Attentäter von Kopenhagen Komplizen oder Hintermänner gehabt haben könnte, liefen indes weiter – Hinweise darauf gab es aber nicht. Kriminaltechniker untersuchen auch Kleidung und Waffen, die die Polizei sichergestellt hatte, und vermuten, die Tatwaffe der Schießereien am Samstagnachmittag und Sonntagmorgen könnte darunter sein.

    Ein bewaffneter Polizeibeamter steht neben einem Polizeifahrzeug.
    Teile der Innenstadt von Kopenhagen wurden weiträumig abgesperrt. (AFP / Claus Bjorn Larsen)
    "Das hat nichts mit dem Islam zu tun"
    Nach den Attentaten erklärten Politiker verschiedener Parteien und religiöser Gemeinschaften, die dänische Gesellschaft müsse jetzt zusammenstehen - gegen Terrorismus und für die liberalen Grundwerte des Landes. Qasir Najib, Vertreter einer muslimischen Organisation, sagte:
    "Wenn der Täter tatsächlich arabischer Herkunft war oder wenn er muslimische Eltern hatte, dann möchte ich klar und deutlich sagen: Das hat nichts mit dem Islam zu tun, und er ist kein Moslim. Islam bedeutet Frieden, und ein 'friedlicher Terrorist', das passt überhaupt nicht zum Islam.
    Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt rief nach den Attentaten vor einer Synagoge und auf eine Veranstaltung zur Meinungsfreiheit dazu auf, die religiöse Freiheit und das Recht auf freie Meinungsäußerung in Dänemark zu verteidigen.
    "Wir stehen nicht in einem Kampf zwischen dem Islam und dem Westen. Es ist nicht ein Kampf zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen. Es ist ein Kampf zwischen Werten, die auf Freiheit für den Einzelnen aufbauen einerseits und einer dunklen Ideologie anderseits."
    Überall im Land wehen heute dänische Flaggen auf Halbmast. Für den Abend hat Kopenhagens Bürgermeister zu einer Gedenkfeier eingeladen. Daran wird neben der dänischen Ministerpräsidentin und zahlreichen Politikern auch die Bürgermeisterin von Paris teilnehmen – als Zeichen der Solidarität der französischen Hauptstadt einen guten Monat nach dem Anschlag auf das Satiremagazin Charlie Hebdo - davon könnte der Attentäter in Kopenhagen inspiriert worden sein, vermutet die Polizei.