Im August 1914 erschien die Berliner Illustrierte ganz wie gewohnt: Eine Ferienausgabe in heiterer Grundstimmung , mit Fotos von prominenten Schriftstellern in der Sommerfrische und Tipps für die Strandsaison. Nicht einmal eine Andeutung, dass nur wenige Wochen die Welt vom großen Krieg trennten. Auf dem Titelbild dieser Ausgabe war auch nicht das Sensationsbild mit der Ermordung des österreichischen Thronfolgers zu sehen, sondern – es lebe der König – ein koloriertes Foto des neuen Kronprinzen Karl I. mit seiner Frau Zita. Im Heft gab's dazu die Homestory, Karl und Zita daheim, Karl und Zita mit ihrem Sohn Otto. Der würde ja dann auch dereinst die Kaiserkrone erben.
Stattdessen erbte Karl, der Erste und Letzte, einen Krieg, an dem er und die ganze Monarchie scheiterten. Er verließ Österreich, im Reisepass den Vermerk "Gültig für alle Staaten der Erde mit Ausnahme Österreichs", denn zu einem formellen Thronverzicht konnte er sich nicht durchringen, das sollte Jahrzehnte später erst der Sohn, Otto, tun. Die Donaumonarchie mit ihren vielen Völkern und Völkchen gab es nicht mehr, auf ihren Trümmern bildeten sich, belastet von vielen ungeklärten Gebietsansprüchen neue Staaten. Der Rest war Österreich – ein lange Zeit nur unvollkommen definiertes Gebilde, das sich selbst als nicht überlebensfähig empfand, mit starken Tendenzen zu einer großdeutschen Lösung, dem Anschluss an Deutschland also.
Otto Habsburg, der als vierjähriges Kind 1916 hinter dem Sarg Franz Josefs hergegangen war, lehnte diesen Zusammenschluss ab und war, wie seine ganze Familie, entschiedener Anti-Nazi. Gleichzeitig lebte er den Traum einer irgendwie modernen Wiederkehr des Habsburgerreichs, was ihn nach dem Zweiten Weltkrieg, im Engagement für die konservative Paneuropa-Vereinigung, zu einem frühen Europäer machte – mit dem paneuropäischen Picknick an der ungarischen Grenze, das die Massenflucht aus der DDR einleitete, konnte er einen großen Erfolg verbuchen.
In den 80er-Jahren hatte er mit der Mitteleuropa-Diskussion Rückenwind aus dem Osten bekommen, wo die Habsburger sehr viel beliebter waren als in ihrem Kernland Österreich; einst geschmäht als Völkerkerker, entfaltete die Monarchie im Rückblick, vom erheblich besser bewachten kommunistischen Völkerkerker aus, mehr und mehr den Charakter einer multikulturellen Vielvölkergemeinschaft – oder doch deren Möglichkeit, die allerdings von den Habsburgern selbst, namentlich Franz Josef, verwirkt worden war. Erst recht die Erfahrungen mit den Nationalismen des 20. Jahrhunderts hätten die Mitteleuropa-Idee, so wie Otto Habsburg sie entwarf, als eine Art Commonwealth ehemaliger K.u.k.-Staaten, attraktiv machen können.
Vor etwa zwei Jahren konnte man Otto Habsburg bei einer Buchvorstellung erzählen hören, dass er neulich im Friaul herzlich empfangen worden sei und dass dort der 18. August immer noch gefeiert werde – also der Geburtstag des Kaisers Franz Josef. Aber so respektvoll der alte Herr im neuen Österreich, das Adelstitel verbietet, von manchen noch mit "Kaiserliche Hoheit" angesprochen wurde – über ein Charisma verfügte er kaum, seine stockkonservativen gesellschaftspolitischen Ansichten wirkten im modernen Österreich fremd, für eine Habsburg-Nostalgie im politischen Sinn gab es schon sehr lange keine Mehrheit mehr. Ganz im Gegensatz zur Habsburg-Nostalgie im touristischen Sinn. Ein Land, das so vom Habsburg-Mythos zehrt wie Österreich, schuldet ihnen etwas. Der erste, der das erkannte und den Bann über den Habsburger löste, war Bruno Kreisky.
Zum Tod von Otto Habsburg äußerten sich heute Österreichs Politiker streng nach Couleur: Die konservative ÖVP betrauert den glühenden Europäer und den österreichischen Patrioten; der sozialdemokratische Kanzler Faymann würdigt objektiv den Mann, in dessen Leben sich die großen Zäsuren der österreichischen und europäischen Geschichte widerspiegeln; der Klubobmann der EU-feindlichen FPÖ betont den kompromisslosen Kämpfer für Österreich.
Vor kurzem erst fiel das Gesetz, das einem Habsburger verbietet, für das Bundespräsidentenamt zu kandidieren. Der einzige, der in seiner Familie dafür noch in Frage gekommen wäre, war Otto Habsburg. Seine letzte Ehre wird die Bestattung in der Kapuzinergruft sein, dort, wo die Kaiser liegen.
Stattdessen erbte Karl, der Erste und Letzte, einen Krieg, an dem er und die ganze Monarchie scheiterten. Er verließ Österreich, im Reisepass den Vermerk "Gültig für alle Staaten der Erde mit Ausnahme Österreichs", denn zu einem formellen Thronverzicht konnte er sich nicht durchringen, das sollte Jahrzehnte später erst der Sohn, Otto, tun. Die Donaumonarchie mit ihren vielen Völkern und Völkchen gab es nicht mehr, auf ihren Trümmern bildeten sich, belastet von vielen ungeklärten Gebietsansprüchen neue Staaten. Der Rest war Österreich – ein lange Zeit nur unvollkommen definiertes Gebilde, das sich selbst als nicht überlebensfähig empfand, mit starken Tendenzen zu einer großdeutschen Lösung, dem Anschluss an Deutschland also.
Otto Habsburg, der als vierjähriges Kind 1916 hinter dem Sarg Franz Josefs hergegangen war, lehnte diesen Zusammenschluss ab und war, wie seine ganze Familie, entschiedener Anti-Nazi. Gleichzeitig lebte er den Traum einer irgendwie modernen Wiederkehr des Habsburgerreichs, was ihn nach dem Zweiten Weltkrieg, im Engagement für die konservative Paneuropa-Vereinigung, zu einem frühen Europäer machte – mit dem paneuropäischen Picknick an der ungarischen Grenze, das die Massenflucht aus der DDR einleitete, konnte er einen großen Erfolg verbuchen.
In den 80er-Jahren hatte er mit der Mitteleuropa-Diskussion Rückenwind aus dem Osten bekommen, wo die Habsburger sehr viel beliebter waren als in ihrem Kernland Österreich; einst geschmäht als Völkerkerker, entfaltete die Monarchie im Rückblick, vom erheblich besser bewachten kommunistischen Völkerkerker aus, mehr und mehr den Charakter einer multikulturellen Vielvölkergemeinschaft – oder doch deren Möglichkeit, die allerdings von den Habsburgern selbst, namentlich Franz Josef, verwirkt worden war. Erst recht die Erfahrungen mit den Nationalismen des 20. Jahrhunderts hätten die Mitteleuropa-Idee, so wie Otto Habsburg sie entwarf, als eine Art Commonwealth ehemaliger K.u.k.-Staaten, attraktiv machen können.
Vor etwa zwei Jahren konnte man Otto Habsburg bei einer Buchvorstellung erzählen hören, dass er neulich im Friaul herzlich empfangen worden sei und dass dort der 18. August immer noch gefeiert werde – also der Geburtstag des Kaisers Franz Josef. Aber so respektvoll der alte Herr im neuen Österreich, das Adelstitel verbietet, von manchen noch mit "Kaiserliche Hoheit" angesprochen wurde – über ein Charisma verfügte er kaum, seine stockkonservativen gesellschaftspolitischen Ansichten wirkten im modernen Österreich fremd, für eine Habsburg-Nostalgie im politischen Sinn gab es schon sehr lange keine Mehrheit mehr. Ganz im Gegensatz zur Habsburg-Nostalgie im touristischen Sinn. Ein Land, das so vom Habsburg-Mythos zehrt wie Österreich, schuldet ihnen etwas. Der erste, der das erkannte und den Bann über den Habsburger löste, war Bruno Kreisky.
Zum Tod von Otto Habsburg äußerten sich heute Österreichs Politiker streng nach Couleur: Die konservative ÖVP betrauert den glühenden Europäer und den österreichischen Patrioten; der sozialdemokratische Kanzler Faymann würdigt objektiv den Mann, in dessen Leben sich die großen Zäsuren der österreichischen und europäischen Geschichte widerspiegeln; der Klubobmann der EU-feindlichen FPÖ betont den kompromisslosen Kämpfer für Österreich.
Vor kurzem erst fiel das Gesetz, das einem Habsburger verbietet, für das Bundespräsidentenamt zu kandidieren. Der einzige, der in seiner Familie dafür noch in Frage gekommen wäre, war Otto Habsburg. Seine letzte Ehre wird die Bestattung in der Kapuzinergruft sein, dort, wo die Kaiser liegen.