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Anstoß zur Selbsthilfe

Klimawandel. Nachdem die Forscher eingesehen haben, dass sich der Klimawandel nicht aufhalten oder vermeiden lässt, arbeiten sie an Anpassungsstrategien, vor allem in den Entwicklungsländern. Dazu initiiert das Katastrophenvorsorge-Hilfswerk der UNO Selbsthilfeprojekte mit wissenschaftlicher Beteiligung. Es geht dabei nicht um die großen Katastrophen, die Schlagzeilen machen, sondern um die vielen kleinen.

Von Dagmar Röhrlich | 15.11.2006
    Malawi im Jahr 2002. Wieder einmal hatte die seit Jahren andauernde Dürre den Mais auf den Feldern verdorren lassen. Die Preise auf dem Markt explodierten. Deshalb akzeptierten die Arbeitern gerne einen Sack Mais als Lohn: Das Getreide war wertvoller als Geld. Wer Glück hatte und bei einer gemeinnützigen Einrichtung beschäftigt war, konnte sich seinen Wochenlohn in Form eines Maissacks abholen. Der Mais selbst stammte aus Hilfslieferungen aus dem Ausland, die aber erst nach einiger Verzögerung angelaufen waren. Letzteres sei typisch, erklärt Martin Owor, Leiter des Afrika-Büros der UN-Katastrophenschutz-Organisation ISDR in Nairobi.

    "Wir kämpfen in Afrika vor allem gegen Dürren. Dieser Typ Katastrophe setzt langsam ein, und die internationale Gemeinschaft erfährt immer erst dann davon, wenn die Situation bereits eskaliert ist, weil sie sich auf dem Land abspielen, fernab der Städte, in denen die Nachrichtenagenturen sitzen."

    "Wir beobachten seit 30 Jahren den beunruhigenden Trend, dass die Verwundbarkeit der Gesellschaft gegenüber Naturkatastrophen wächst, weil immer mehr Menschen verarmen und in Slums leben, die den Naturgefahren schutzlos ausgesetzt sind. Die Ursache der Probleme ist die Armut."

    Und in den Entwicklungsländern könnten die Regierungen nicht großzügig helfen, so dass die Menschen mit ihren Problemen oft alleine dastehen, erklärt der Ökologe John Harding vom ISDR-Hauptquartier in Genf. Der gesellschaftliche Trend ist das eine, aber dazu kommt inzwischen der Klimawandel: Schon heute häufen sich Dürren und Überflutungen - und sie ändern ihre regionale Verteilung.

    Harding: "Die eine Gegend, die viel Erfahrung bei der Bekämpfung von Dürren hat, sieht sich vielleicht künftig mit Überflutungen konfrontiert."

    Damit greifen die alten Strategien zur Katastrophenbekämpfung nicht mehr, die Vorsorge muss sich anpassen:

    Owor: "Dabei stehen die Gemeinden vor großen Herausforderungen, und sie müssen den Begriff 'globaler Klimawandel' vermitteln. Jedoch existieren für vieles, was passiert, in den lokalen Sprachen keine Wörter. Die Menschen kennen Dürren und Überflutungen, aber zu erklären, was diese Ereignisse auslöst, ist eine große Herausforderung."

    Aber eine zentrale, denn um Hungersnöten wie die 2002 in Malawi zu verhindern, soll die Eigenverantwortung der Bevölkerung gestärkt werden - und zwar ohne den Einsatz von moderner Technik. Anders geht es in den bettelarmen Ländern nicht. Die Menschen müssen selbst gegen die Risiken ankämpfen. Wie, dazu läuft im nordkenianischen Distrikt Kadjado ein Pilotprojekt:

    Owor: "Der Kadjado-Distrikt ist anfällig für Dürren. Viele Kommunen hängen von einem Feuchtgebiet ab, dass wie ein Schwamm Wasser speichert. Ein Frühwarnsystem soll die Menschen künftig vor langen Trockenperioden warnen, damit sie auf traditionelle Weise Wasser speichern, solange es noch regnet. Sobald die Meteorologen Dürrealarm geben, sollen die Bauern die natürlichen Dämme im Feuchtgebiet versiegeln, damit kein Wasser abfließt."

    Das erfordert Aufklärungsarbeit: Denn traditionell machen die Bauern genau das Gegenteil und treiben in Dürrezeiten ihre Tiere in das verlockend grüne Feuchtgebiet, öffnen unkontrolliert Entwässerungskanäle. Die Folgen:

    Owor: "Dann fließt das gespeicherte Wasser schnell zu den Flüssen ab, es ist für die Menschen verloren. Wir ermutigen sie also, ihr Feuchtgebiete zu schützen und geplant zu nutzen, damit es sein Wasser langsam über die gesamte Dürre hinweg abgibt. Weil den Regierungen Afrikas das Geld für den Bau großer Wasserspeicher fehlt, müssen wir diese natürliche Mechanismen nutzen."

    Die Anwohner müssen miteinander über die beste Nutzung abstimmen. Dabei sollen ihnen die von der UN entsandten Wissenschaftler helfen. Funktioniert das Projekt, soll die Strategie an andere Gemeinden angepasst und übertragen werden - und vielleicht sind dann eines Tages auch in Malawi die Dürren besser zu verkraften.