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Antennen-Anlage in Alaska

In Dietmar Daths Roman: "Waffenwetter" geht es um eine junge Frau, die unter Einfluss ihres kommunistischen Großvaters zu politisieren beginnt. Es ist eine Mischung aus Science Fiction und Sozialdrama - das das Nationaltheater in Mannheim nun auf die Bühne brachte.

Von Christian Gampert |
    Schwer zu sagen, ob Dietmar Dath nun Science-Fiction-Autor, bekennender Kommunist, überkandidelter Berufsjugendlicher oder einfach nur ein koketter Eulenspiegel ist, der in seiner Prosa natur- und gesellschaftswissenschaftliche Theorien ebenso hin- und herschiebt wie Sex und linken Szene-Slang. Auf alle Fälle ist das Ganze hinreichend chaotisch, um nicht nur das große Feuilleton zu beeindrucken, sondern auch das bundesdeutsche Theater.

    Die Bühnenversion des Romans "Waffenwetter", die Ingoh Brux und der Regisseur André Bücker jetzt für das Mannheimer Nationaltheater gebastelt haben, setzt konsequent auf die durchaus vorhandenen Performance-Qualitäten des Texts. Im Roman brechen der rote Großvater Konstantin und die Abiturientin Claudia, dämlicherweise genannt "Klautschi", auf zu einer Reise nach Alaska, wo die weltgrößte Hochfrequenz-Antennenanlage HAARP steht. Die bösen Amerikaner wollen damit nicht nur das Wetter, sondern auch das Bewusstsein der Menschen manipulieren – das, was sonst die Medien (offenbar nur unzureichend) leisten, wird hier nun vom politisch-militärischen Komplex bzw. vom US-Geheimdienst in Angriff genommen – per Strahlung. Abenteuerliche Idee, klingt aber ungeheuer naturwissenschaftlich. Und Daths Antennen-System kann noch viel mehr.

    Claudia-Chor: "Das System soll darüberhinaus fähig sein … die Erdoberfläche zu durchleuchten, um Öl und Gasfelder, aber auch unterirdisch stationierte Militäranlagen aufzuspüren …"

    Auf dem Theater ist von Daths Buch vor allem der intellektualistisch quasselnde Bewußtseins-Strom der Protagonistin geblieben – Claudia, Klautschi, ist hier aufgespalten in die drei Performerinnen Isabelle Barth, Ines Schiller und Dascha Trautwein, die nebenbei auch alle anderen Rollen kurz mal mimisch anklicken, also den APO-OPA, Papa, Mama, Lehrer, Freund und Freundin. Vor allem aber hat der Bühnenbildner Jan Steigert ein Jugendzimmer gebaut, das von gerundeten Leinwänden, von Projektionsschirmen begrenzt ist. Und die werden von den Video-Künstlern Christian Schrills und Tobias Morell abendfüllend bespielt – mit irgendwie naturwissenschaftlichen Computer-Simulationen und Geschichts-Bildern, Guido Knopp würde sagen: History.

    Dazu viel akustische Dröhnung, damit das Jugendlichen-Dasein zwischen Lenin-Lektüre und "Viva"-Gucken, zwischen Physikbuch, Marx und Coca-Cola auch musikalisch hinreichend bebildert ist. Über der Tür ein Leuchtschild mit der Aufschrift "on air", also: auf Sendung.

    Und auf Sendung sind die drei schrillen Mädels runde zweieinviertel Stunden lang – leider ist davon nur die erste halbwegs erträgliches Entertainment. Daths Fähigkeit, sich in Frauenfiguren hineinzudenken und mit quasi-wissenschaftlicher Akribie linke Verschwörungs-Theorien zu entwickeln, wird von Regisseur André Bücker zunächst beeindruckend genutzt: die drei turnenden, tänzelnden, ordinär gicksenden und kreischenden Girlies auf der Bühne erzählen eine Menge über die Gefühlswelten heutiger Jugendlicher aus der linken Szene, über ihre Verzweiflung und Präpotenz, über ihre intellektuellen Möglichkeiten und emotionalen Leerstellen. Die verwaltete Welt der Erwachsenen ist kapitalistisch, also öde und feindlich; und auch der Sex ist ein Problem.

    Als Pubertäts-Studie mag das angehen, wenngleich hochbegabte Mädchen durchaus nerven können.

    Claudia: "”Aahhh! Mein Lieblingslehrer ...""

    Als es dann nach Alaska geht, zur politischen Mission der Antennen-Sabotage, verflacht die Inszenierung immer mehr zu Show-Gezappel und bedeutungshuberischer, okkulter Sprach-Artistik. Auch Dietmar Daths Bildungsanleihen bei Shakespeare und Walter Benjamin helfen da nicht weiter: Weder die Lear-Töchter noch der "Engel der Geschichte" heben die Inszenierung aus ihrem Loch.

    Das gesellschaftskritische Teenager-Gemaunze des ersten Teils allerdings ist beneidenswert jung und wird vom Mannheimer Insider-Publikum entsprechend gefeiert. Der Rest ist technoides Weltverschwörungs-Gebrabbel und Monitor-Geflimmer …