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Anti-Korruptionsausstellung in Sarajewo
Als ob man Gold in einen Mülleimer wirft

Korruption verhindert, dass Geld bei den Menschen ankommt, die es tatsächlich benötigen. Wie genau Korruption aussieht, zeigt eine ungewöhnliche Ausstellung in einem Einkaufszentrum in Sarajevo. Anhand von Alltagsgegenständen wie einem Mülleimer wird Geldverschwendung in Bosnien-Herzegowina belegt.

Von Karla Engelhard | 21.12.2015
    Flagge Bosnien-Herzegowina
    Die Flagge Bosnien-Herzegowinas. Was Korruption für das Land bedeutet, zeigt eine Ausstellung. (imago/Steinach)
    Almedina Hodzic ist sprachlos. Die Mutter steht mit ihren drei Kindern vor Vitrinen in einem luxuriösen Einkaufszentrum in Sarajewo. Sie staunen nicht über die teuren Auslagen der Boutiquen, sondern über eine Ausstellung auf dem Gang: "Schrecklich, wofür Geld ausgegeben wird: 115 Euro für das Mittagessen! Rund 650 Euro für einen Aschenbecher. Meine Tochter meinte nur: 'Mutti, wir haben zu Hause Aschenbecher für 50 Cent, die sind schöner, als dieser hier!' - Wir leben zu fünft von etwa 500 Euro im Monat, es war auch schon mal nur 300 Euro pro Monat für fünf Menschen! - Aber wir sind am Leben und gesund und das ist am wichtigsten."
    "Wir zahlen den Preis" – heißt die Ausstellung im Einkaufszentrum und eine Antikorruptionskampagne der US-Behörde für Internationale Entwicklung USAID und anderen Nichtregierungsorganisationen in Bosnien und Herzegowina. Deren Recherchen haben ergeben, dass nur 25 Prozent der öffentlichen Anschaffungen im Land transparent ablaufen, die restlichen 75 Prozent sind schwer nachvollziehbar.
    "Einen Aschenbecher zu zeigen, der über 600 Euro kostet, oder eine einzige Rolle Klopapier für knapp drei Euro, macht transparent, wie Steuergelder verschleudert werden, wie der Staat zum Selbstbedienungsladen verkommt. Wir zeigen, wie teuer die Produkte wirklich sind und wie sie von Beamten offiziell abgerechnet wurden. Ein einfacher Aschenbecher für so einen überhöhten Preis, regt vielleicht die Menschen zum Nachdenken an und zu Taten, das sie ihren Parlamentariern sagen, he, das ist inakzeptabel und das können wir ändern."
    Mülleimer für 870 Euro: "Als ob man Gold oder Edelsteine reinwirft"
    Durch Korruption und nicht transparente Abrechnungen sollen im vergangenen Jahr rund eine Milliarde Euro öffentliche Mittel verloren gegangen sein. Darunter durch überteuerte Großprojekte, wie Autobahnbau oder überzählige Autoreifen für Dienstwagen im Werte von einer halben Million Euro. Die Zahl der Multimillionäre, im ansonsten armen Bosnien und Herzegowina steigt rasant, derzeit sollen es mehr als 85 sein. Der Staat leistet sich für seine gut 3,8 Millionen Einwohner - unwesentlich mehr als Berlin - ein gut bezahltes Beamtenheer, das rund die Hälfte der gesamten Wirtschaftsleistung des Landes verschlingt und solche öffentlichen Anschaffungen macht, wie den Kauf schlichter Mülleimer für umgerechnet 870 Euro. Zwei Männer stehen vor einem Exemplar und wundern sich: "Als ob man Gold oder Edelsteine reinwirft und nicht den Müll." – "Vielleicht hat der Eimer einen Wert, den wir noch nicht erkennen. Einen versteckten Wert. Ich vertraue unseren Politikern!"
    "Sie zeigt, wie wenig wir wissen, was im Staat passiert, wie wir unseren Aktivismus zur Seite gelegt haben, dass wir uns mittlerweile weigern, irgendetwas zu unternehmen. Vielleicht ist die Ausstellung ein erster Schritt, das zu begreifen, wenn wir diese Absurditäten sehen, die hier ausgestellt sind."
    Die Antikorruptionsausstellung "Wir zahlen den Preis" soll im kommenden Jahr in weiteren Städten von Bosnien und Herzegowina gezeigt werden.