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Antibiotika in der Tierhaltung
Schwierige Überwachung

Tierärzte sollen in Zukunft weniger Antibiotika verschreiben - sogar eine Aberkennung ihres Dispensierrechts wird diskutiert. Doch Tierschützer, Wissenschaftler und Verbraucherschutzverbände sind dagegen. Sie fürchten einen unkontrollierbaren Handel mit den Medikamenten.

Von Anja Nehls |
    Mit Plakaten gegen Massentierhaltung und Tierquälerei demonstrieren Vertreter mehrerer Bürgerinitiativen am Freitag (25.11.2011) in Hannover am niedersächsischen Landwirtschaftsministerium.
    In Deutschland werden zu oft und unnötig Antiobiotika verabreicht. (dpa / picture-alliance / Philipp von Ditfurth)
    Der Tierarzt darf, was ein Menschenarzt nicht darf und lebt davon. Bis zu 80 Prozent seiner Umsätze macht zum Beispiel ein Tierarzt, der Schweine oder große Geflügelbestände betreut alleine mit dem Medikamentenverkauf, ungefähr die Hälfte davon sind Antibiotika. Dass der Tierarzt also wirtschaftliche Interessen daran hat, Medikamente zu verkaufen, hält Maria Flachsbarth vom Bundeslandwirtschaftsministerium für ein Problem:
    "Dass möglicherweise diese ökonomischen Interessen die medizinische Indikation überstrahlen könnten und er von daher möglicherweise mehr Medikamente verkaufen möchte, als das aus medizinischer Maßgabe tatsächlich notwendig wäre."
    Ein besonderes Problem ist die Gabe von Antibiotika, die langfristig auch beim Menschen zu Resistenzen führen können. Den Tierärzten deshalb einfach das Recht, Medikamente zu verkaufen, zu entziehen, löst die Probleme aber nicht, sondern schafft im Gegenteil sogar neue. Darin sind sich Tierärzte, Tierhalter, Tierschützer, Wissenschaftler, Vertreter von Behörden und Verbraucherschutzorganisationen weitgehend einig.
    Tierärzte müssen zum Beispiel ihre Antibiotikaabgabe ganz genau dokumentieren. Bei einem Verkauf auf Rezept über eine Apotheke würde nicht weniger verbraucht, aber die Überwachung wäre schwieriger, fürchten die Amtstierärzte.
    Kranke Tiere könnten außerdem nicht mehr so schnell versorgt werden. Ein tierschutzrelevantes Problem sei das nicht nur zum Beispiel für Kühe mit Euterentzündung, sondern auch für Haustiere, sagt Tierärztin Petra Sindern:
    "Also wenn ich mir jetzt mal die sprichwörtliche Oma vorstelle, die ihre Katze hält, die auf dem platten Land wohnt, die mit Mühe ihren Enkel überredet, in eine Tierarztpraxis zu fahren und die den Enkel noch mal überreden muss, dass er in eine Apotheke fährt mit dem Rezept, das ich ihm schreibe, die das nicht da haben und der Enkel ein drittes Mal losfahren muss und ich dann keine Kontrolle mehr habe auch als Tierärztin, dann sehe ich ein großes Problem auch in der sozialen Komponente der Haustierhaltung."
    "Das Problem beginnt im Supermarkt"
    Für viele Tierärzte würde der Entzug des Dispensierrechtes das wirtschaftliche Aus bedeuten, weil für Beratungsleistungen in der Branche bisher kaum Geld gezahlt wird. Ob der Antibiotikaeinsatz in Deutschland zurückgeht, nur weil die Tierärzte das Medikament nicht mehr verkaufen dürfen, sei zudem zweifelhaft, sagt Albert Sundrum von der Universität Kassel. Das Geschäft machen dann eben die Apotheken, oder es entsteht ein Schwarzmarkt mithilfe des nicht überwachten Online-Versandhandels.
    "Der Landwirt hat ein Interesse daran, seine Produktionskosten niedrig zu halten, er muss in den Wettbewerb, und ein Einsatz von Arzneimitteln ist ein Produktionsfaktor, der billig ist."
    Und viel einfacher anzuwenden, als die Haltungsbedingungen der Tiere so zu verbessern, dass gar nicht mehr so viele Medikamente nötig sind. Aber gerade das sollte eigentlich im Fokus stehen, sagt Maria Flachsbarth:
    "Es muss ja einen Grund geben, warum die Tiere krank werden, also wie ist die Fütterung, wie ist die Lüftung, wie ist die Wasserzufuhr, wie ist die Struktur der Fußböden."
    Um Druck aufzubauen, wird seit der Neufassung des Arzneimittelgesetzes jeder Tierhalter ganz genau beobachtet. Die 25 Prozent der Betriebe, die den höchsten Antibiotikaverbrauch haben, müssen sich mit ihrem Tierarzt oder dem Amtstierarzt auseinandersetzen, Rechtfertigungen suchen, Lösungen finden und zum Beispiel die Haltungsbedingungen verbessern.
    Diese Maßnahmen werden von den Teilnehmern der Tagung als viel wirkungsvoller eingeschätzt als der Entzug des Dispensierrechtes für die Tierärzte.
    Manfred Kietzmann von der Tierärztlichen Hochschule Hannover empfiehlt, das Thema von der anderen Seite her zu betrachten:
    "Das Problem beginnt im Supermarkt. Wenn das Fleisch zu Dumpingpreisen im Supermarkt angeboten wird, dann pflanzt sich das fort und dann stehen alle unter einem unendlichen Druck."
    Der dann als billige Lösung schnell zu Medikamenten greifen lässt. Laut einer vom Bundeslandwirtschaftsministerium in Auftrag gegebene Studie hat Deutschland im europäischen Vergleich den vierthöchsten Verbrauch von Antibiotika pro Kilogramm Lebendgewicht. Mehr haben nur Zypern, Italien und Spanien, am wenigsten die skandinavischen Länder.