Steiner: Frau Balzer, an welchen Stellen sind denn die knapp 50 Messungen durchgeführt worden?
Balzer: Diese lagen in vier Bundesländern. 20 Messstellen in Niedersachsen, 20 Messstellen in Nordrhein-Westfalen, sechs Quellfassungen in Bayern und zwei weitere Messstellen in Sachsen. All diese Messstellen lagen in Regionen, die eine besonders hohe Viehbesatz-Dichte haben, das heißt, wo besonders viele Tiere gehalten werden und die Wahrscheinlichkeit daher besonders groß ist, dass Antibiotika aus der Tierhaltung eben auch im Grundwasser wieder gefunden werden.
Steiner: Was ist denn bei diesen Untersuchungen, bei diesen Messungen konkret herausgekommen?
Balzer: Die Ergebnisse haben gezeigt, dass vom Prinzip her auch unter sehr ungünstigen Standortbedingungen ein Eintrag von Tierarzneimitteln in das Grundwasser wirklich nur selten stattfindet, wir also nicht von einer großflächigen Belastung ausgehen können und erst einmal Entwarnung geben können. Aber es gab dann noch Einzelfälle, und die sollten auf gar keinen Fall unberücksichtigt bleiben: Wir haben nämlich bei neun von 48 Messstellen Antibiotika aus der Gruppe der Sulfonamide im Grundwasser wieder gefunden. An sieben Messstellen lagen die Werte wirklich in sehr geringen Konzentrationsbereich, zwar nur einige wenige Nanogramm. Zwei Messstellen hingegen wiesen deutlich erhöhte Messwerte auf. Da haben wir einen Wirkstoff gefunden, der heißt Sulfamid-Oxazol, und dieser wurde da eben, wie gesagt, in hohen Konzentrationen gemessen.
Steiner: Wie gefährlich sind denn diese hohen Konzentration dieser Wirkstoffe, die Sie genannt haben, für den Menschen?
Balzer: Also über Gefahren, weder für die Umwelt noch für den Menschen, können wir derzeit noch nichts sagen. Wir haben in erster Linie erst einmal eine Datenerhebung betrieben. Wir wollten wissen, kommen die überhaupt im Grundwasser oder beziehungsweise in der Umwelt an. Prinzipiell kann man aber sagen, dass ein Eintrag von antibiotischen Wirkstoffen in die Umwelt prinzipiell vermieden werden sollte, weil immer die Gefahr besteht, dass sich Antibiotikaresistenzen bilden und eben auch die Auswirkungen auf Boden-und auch auf die Grundwasserorganismen noch nicht hinreichend bekannt sind.
Steiner: Sie haben an neun von knapp 50 Messpunkte Belastungen gefunden. 2012 wurden aber über 1600 Tonnen Antibiotika an Tierärzte abgegeben und die Medikamente gelangen dann ja auch mit der Gülle auf die Felder, und wir haben eben nur geringe Belastungen im Grundwasser. Das heißt, es muss von der Oberfläche runter zum Grundwasser mit den Antibiotika irgendetwas passieren. Was passierte mit denen im Boden, weiss man das?
Balzer: Diese Wirkstoffe, die werden größtenteils ab- oder umgebaut. Ein Teil der Wirkstoffe wird bereits im Körper der Tiere oder eben des Menschen bereits verstoffwechselt, ein weiterer Abbau findet dann natürlich in der Gülle statt. Und auch im Boden finden weitere Ab- und Umbauprozesse statt. Wie hoch die Abbauraten im Körper, in der Gülle und im Boden sind, das hängt letzten Endes von den Wirkstoffen ab. Viele der Wirkstoffe, wie zum Beispiel Tetrazykline, auch eine Antibiotikagruppe, die sehr umfangreich eingesetzt wird, die werden sehr fest am Boden Partikel gebunden, das wird da angelagert und soeben auch im Boden festgehalten, gar nicht in das Grundwasser ausgetragen. Einige dieser Wirkstoffe sind aber auch sehr mobil, wie beispielsweise eben die Sulfonamide, diese können dann eben mit dem Sickerwasser in das Grundwasser eingetragen werden.
Steiner: Sie haben an neun Stellen Belastungen mit Antibiotika im Grundwasser gefunden. Gibt es denn Grenzwerte für diese Stoffe, die Sie dort gefunden haben?
Balzer: Nein. Einen Grenzwert für Tierarzneimittel im Grundwasser gibt es bislang nicht. Das Umweltbundesamt ist aber der Auffassung und fordert auch, dass es, genauso wie es ein Grenzwert für Pflanzenschutzmittel und Biozide im Grundwasser gibt, eben auch für die Arzneimittel einen Grenzwert geben sollte. Und dieser sollte einfach aus Vorsorgegründen bei 0,1 Mikrogramm, das heißt bei 100 Nanogramm pro Liter liegen und würde damit dem von Pflanzenschutzmitteln entsprechen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk/Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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