Nikolai Gogols Erzählung aus dem Jahr 1836 über den Büroangestellten Poprishchin ist bemerkenswert aktuell. Denn der Akt des täglichen Schreibens verbunden mit dem Hang des Veröffentlichens ist ein Thema, das Millionen von Internetbloggern, die tagtäglich ihre Gedanken und Gefühle tagebuchartig im Netz veröffentlichen, vertraut vorkommen dürfte.
In der Einsamkeit seiner Dachunterkunft schreibt der Büroangestellte ein Tagebuch über die Stupidität der absurden St. Petersburger Bürokratie und seine unglückliche Liebe zur Tochter des Direktors des Büros. Seine Aufzeichnungen sind scharfsinnig, intelligent und bösartig. Doch als er plötzlich das Gespräch zweier Hunde belauscht, einer davon gehört seiner Angebeteten, dämmert es dem Zuschauer, wie wahnhaft seine Welt wirklich ist. Der Sinnlosigkeit seiner Liebe zunehmend bewusst, steigert er sich in die Fantasie, der heimliche Erbe des verwaisten spanischen Thrones zu sein und wird in eine Psychiatrie eingeliefert.
Mit Poprishchin erschuf Gogol einen der ersten Antihelden der Moderne und damit einen frühen Protagonisten der satirischen Literatur.
Geoffrey Rush entfaltet sein ganzes komödiantisches Können in dieser ihm auf den Leib geschriebenen Rolle. Mit roter Föhnlocke und grünen Augenlidern porträtiert er den Angestellten als skurrilen Sonderling, der einzig durch den Akt des Schreibens seine bornierte Umwelt zu ertragen scheint.
Es war Vormittag, die Straßen waren leer, nur gewöhnliche Frauen, die ihre Köpfe und den Saum ihrer Röcke vor dem Regen schützen. Kutscher warten auf Geschäfte, kein Gentleman unterwegs, nirgendwo.
Mit seiner markanten Stimme erzählt Rush von der Belanglosigkeit seiner Welt, während sein geradezu virtuoses Gestenspiel, das oft von einer ebenso virtuos gespielten Geige begleitet wird, seine wahren Gedanken verrät. Zum Beispiel, wenn er von der Tochter des Direktors erzählt, und seine Hand sie wie ein Kind streichelt bis die Geste in sehnsuchtsvollem Zögern einfriert.
Seiner spießigen Umwelt intellektuell weit überlegenen, schlittert er durch seine unerwiderte Liebe zunehmend in die oft schreiend komischen Wahnvorstellungen eines liebeskranken Don Quichotte. Und so wie Geoffrey Rush dabei über die Bühne wankt, oft mehr stürzt als geht, scheint sein ganzer Körper wie an dünnen Fäden zu hängen. Er kostet die satirischen Details des Textes genüsslich aus und verbrüdert sich, so oft er kann, mit dem Publikum: gegen seine Vermieterin, seine Kollegen, gegen die Musiker auf der Seitenbühne und schließlich die ganze Welt.
Dabei fürchtet er sich weder vor großen Gesten noch vor großem Gelächter. Immer wieder puscht er seinen verhungert wirkenden Körper zu herrlich überzogenen Posen, die den immer bombastischer werdenden Fantasien seiner verwirrten Psyche entsprechen. Seine einzigen Zeugen sind die Regentropfen, die durch das löchrige Dach in Eimer tropfen und einen wunderbaren Kontrast zwischen der Armseligkeit seiner Behausung und der Lebendigkeit seiner inneren Welt herstellen.
Doch so toll Geoffrey Rush auch spielt, die enorme Länge des Textes lässt leider kaum Platz für Momente der Leere, die Poprishchin so fürchtet. Diese Momente wären aber sehr wichtig gewesen, verraten sie doch den wahren Schrecken, der hinter all der skurrilen Oberfläche liegt. So fühlt sich der Abend nach knapp zwei Stunden eher wie ein glücklich geschaffter Marathonlauf eines großartigen Schauspielers an, als ein wirkliches Erleben des Tragischen. Geoffrey Rush hingegen tanzt in Zwangsjacke mit seinen Musikern durchs Publikum und lässt sich frenetisch feiern - verdientermaßen.
Webseite der Brooklyn Academy of Music, New York
In der Einsamkeit seiner Dachunterkunft schreibt der Büroangestellte ein Tagebuch über die Stupidität der absurden St. Petersburger Bürokratie und seine unglückliche Liebe zur Tochter des Direktors des Büros. Seine Aufzeichnungen sind scharfsinnig, intelligent und bösartig. Doch als er plötzlich das Gespräch zweier Hunde belauscht, einer davon gehört seiner Angebeteten, dämmert es dem Zuschauer, wie wahnhaft seine Welt wirklich ist. Der Sinnlosigkeit seiner Liebe zunehmend bewusst, steigert er sich in die Fantasie, der heimliche Erbe des verwaisten spanischen Thrones zu sein und wird in eine Psychiatrie eingeliefert.
Mit Poprishchin erschuf Gogol einen der ersten Antihelden der Moderne und damit einen frühen Protagonisten der satirischen Literatur.
Geoffrey Rush entfaltet sein ganzes komödiantisches Können in dieser ihm auf den Leib geschriebenen Rolle. Mit roter Föhnlocke und grünen Augenlidern porträtiert er den Angestellten als skurrilen Sonderling, der einzig durch den Akt des Schreibens seine bornierte Umwelt zu ertragen scheint.
Es war Vormittag, die Straßen waren leer, nur gewöhnliche Frauen, die ihre Köpfe und den Saum ihrer Röcke vor dem Regen schützen. Kutscher warten auf Geschäfte, kein Gentleman unterwegs, nirgendwo.
Mit seiner markanten Stimme erzählt Rush von der Belanglosigkeit seiner Welt, während sein geradezu virtuoses Gestenspiel, das oft von einer ebenso virtuos gespielten Geige begleitet wird, seine wahren Gedanken verrät. Zum Beispiel, wenn er von der Tochter des Direktors erzählt, und seine Hand sie wie ein Kind streichelt bis die Geste in sehnsuchtsvollem Zögern einfriert.
Seiner spießigen Umwelt intellektuell weit überlegenen, schlittert er durch seine unerwiderte Liebe zunehmend in die oft schreiend komischen Wahnvorstellungen eines liebeskranken Don Quichotte. Und so wie Geoffrey Rush dabei über die Bühne wankt, oft mehr stürzt als geht, scheint sein ganzer Körper wie an dünnen Fäden zu hängen. Er kostet die satirischen Details des Textes genüsslich aus und verbrüdert sich, so oft er kann, mit dem Publikum: gegen seine Vermieterin, seine Kollegen, gegen die Musiker auf der Seitenbühne und schließlich die ganze Welt.
Dabei fürchtet er sich weder vor großen Gesten noch vor großem Gelächter. Immer wieder puscht er seinen verhungert wirkenden Körper zu herrlich überzogenen Posen, die den immer bombastischer werdenden Fantasien seiner verwirrten Psyche entsprechen. Seine einzigen Zeugen sind die Regentropfen, die durch das löchrige Dach in Eimer tropfen und einen wunderbaren Kontrast zwischen der Armseligkeit seiner Behausung und der Lebendigkeit seiner inneren Welt herstellen.
Doch so toll Geoffrey Rush auch spielt, die enorme Länge des Textes lässt leider kaum Platz für Momente der Leere, die Poprishchin so fürchtet. Diese Momente wären aber sehr wichtig gewesen, verraten sie doch den wahren Schrecken, der hinter all der skurrilen Oberfläche liegt. So fühlt sich der Abend nach knapp zwei Stunden eher wie ein glücklich geschaffter Marathonlauf eines großartigen Schauspielers an, als ein wirkliches Erleben des Tragischen. Geoffrey Rush hingegen tanzt in Zwangsjacke mit seinen Musikern durchs Publikum und lässt sich frenetisch feiern - verdientermaßen.
Webseite der Brooklyn Academy of Music, New York