Der Anschlag von Halle in der letzten Woche hat das Problem des Antisemitismus in Deutschland wieder auf die Tagesordnung geholt. Vor allem im Netz werde dieser sehr stark sichtbar, sagte Ingrid Brodnig in @mediasres. Die Österreicherin ist Publizistin und Autorin mehrerer Bücher über die Kommunikationsprobleme des Internets.
Antisemitismus in der Nische - aber auch im Mainstream
Dabei sei der Antisemitismus nicht nur ein Phänomen der Nische, auch "abseits der dunkelsten Orte des Web" kämen Nutzer häufig mit antisemitischen Mustern in Kontakt. Diese würden vor allem in den Kommentarspalten der großen Medien oder in sozialen Medien sichtbar werden: "Die Muster kehren in den Mainstream zurück", so Brodnig.
Daneben gebe es kleine Communities, bei denen ein enormes Radikalisierungspotenzial herrsche. Dazu gehörten beispielsweise Foren wie 4Chan, in denen der Täter aus Halle aktiv gewesen sei.
Antisemiten würden hier sehr geschickt vorgehen, erläuterte Brodnig: Mit Humor oder Elementen der Jugendkulturen würden sie versuchen, auf eine niedrigschwellige Weise, junge Männer auf ihre Seite zu bringen.
"Kompletter Unsinn", Gamerszene verantwortlich zu machen
Beispielsweise nutzten Rechtsextreme eine Videospielästhetik, "um cool zu wirken", so Brodnig: "Man muss davon ausgehen, dass Rekrutierung in diesem Bereich stattfindet, dass Rechtsextremisten dorthin gehen, wo junge Männer sind. Ein winziger kleiner Teil dieser jungen Männer ist dann vielleicht erreichbar für solche Rhetorik."
Es sei aber "kompletter Unsinn", die Gamerszene für Attentate wie das in Halle verantwortlich zu machen, da der allergrößte Teil der Szene unbedenklich sei.
Vielmehr sei der Rechtsextremismus viel zu lange ausgeblendet worden. Dieser müsse vor allem vom Verfassungsschutz stärker beobachtet werden, meint Brodnig. Zudem sei es wichtig, den Antisemitismus ernster zu nehmen - "das würde, glaube ich, in manchen Fällen schon helfen, dass manch ein Material nicht so extrem sichtbar ist".