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Antisemitismus und Rechtsextremismus in Europa heute

Jean Kahn: Man merkt überall eine steigende Welle von Rassismus und auch von Antisemitismus. Und das ist etwas, was uns natürlich besorgt. Schade, dass Europa nicht etwas gelernt hat aus der furchtbaren Tragödie von der Schoah

Anat Kalman |
    Jean Kahn, der Präsident des Consistoire Juif, des Zentralrates der Juden in Frankreich, gehört zu jenen, die äußerst beunruhigt feststellen, dass rechtsextreme und mit ihnen antisemitische Strömungen in Europa schon wieder salonfähig geworden sind - mit, aus seiner Sicht, zunehmender Bedeutung.

    Und wer wollte es insbesondere jüdischen Bürgern in Deutschland und Europa verdenken, dass sie - nach der Holocaust-Tragödie des 20. Jahrhunderts - in erhöhtem Maße sensibel auf alles reagieren, was nur im entferntesten rechtsradikale bzw. antisemitische Züge aufweist ?

    Andererseits: nicht alle jüdischen Intellektuellen teilen diese verständliche und tiefsitzende Angst im gleichen Maß, nicht alle sehen bei - in der Tat - bedenklichen Rechts-Tendenzen sofort "Gefahr im Verzug". Der deutsch-jüdische Historiker Michael Wolffsohn beispielsweise ist bei weitem nicht so pessimistisch wie Jean Kahn und beurteilt die Lage etwas anders.

    Michael Wolffsohn: Natürlich gibt es rechtsextremistische, antisemitische Randgruppen. Ich muss nicht beteuern, dass ich ständig antisemitische Drohungen, auch Morddrohungen bekomme. Das ist eine Wahrheit, auch meine Wahrheit. Aber in der Analyse gesellschaftlicher Entwicklungen muss ich doch zwischen der subjektiven Erfahrung und den objektive Proportionen trennen. Und die objektiven Proportionen sind: trotz eines zweifellos bestehenden Antisemitismus und Rechtsextremismus ist die heutige Bevölkerungsmehrheit in Deutschland und Westeuropa eindeutig nicht antisemitisch.

    Nicht nur die Meinungen jüdischer Betroffener sind in der Bewertung von Fragen nach rechtsradikaler und antisemitischer Gefahrenpotentiale geteilt. Der jüngste Jahresbericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz zeigt, dass rechtsextreme Gewalttaten im letzten Jahr um mehr als fünf Prozent gestiegen sind. Die Gesamtzahl der rechtsextremistischen, fremdenfeindlichen und antisemitisch motivierten Straftaten ist jedoch rückläufig: Sie fiel von 11.049 auf 10.341 Delikte. Antisemitisch motivierte Straftaten gingen von 991 Straftaten im Jahre 1998 auf 817 Delikte im letzten Jahr zurück. 16 Körperverletzungen mit antisemitischem Hintergrund wurden 1999 vom Bundeskriminalamt erfasst. Außerdem schwanken die Mitgliederzahlen und Wahlergebnisse der als rechtsextrem eingestuften Parteien. Und das nicht nur in Deutschland - sondern europaweit.

    So mussten etwa die bundesdeutschen Republikaner einen deutlichen Mitgliederschwund hinnehmen. Die Anfang der 80er Jahre gegründete Partei sank von einstmals über zwanzigtausend auf nunmehr rund fünfzehntausend Mitglieder. In Frankreich ist die "Front National" von Jean-Marie Le Pen seit der Spaltung der französischen Rechtsparteien deutlich geschwächt.

    In Ungarn kam die nationalistische "Partei der Wahrheit und des Lebens" - MIEP landesweit auf 5,5 Prozent und in Rumänien erhielt die rechtsextremistische "Vatra Romaneasca" magere 4,3 Prozent aller Wählerstimmen.

    Anders die großen national-populistischen Parteien, wie etwa die österreichische FPÖ - von der seit ihrer Regierungsbeteiligung mit der konservativen ÖVP in Wien so viel die Rede ist - und die Schweizer SVP. Sie verzeichnen vergleichsweise hohe Wahlergebnisse im Dreißig-Prozent-Bereich. Doch sind sie in einem klassischen Sinne als "rechtsextrem" und "antisemitisch" einzustufen ? Kritische Politikwissenschaftler und Zeitgeschichtsforscher plädieren in ihrem "Blick nach rechts" für differenzierte Sichtweisen.

    So z.B. der französisch-jüdische Politologe Jean-Yves Camus vom "Europäischen Forschungszentrum gegen Faschismus und Rassismus" in Paris. Er unterscheidet zwischen den neuen "extremen Rechten" und den eigentlichen "Rechtsextremisten." Für ihn ist zum Beispiel die österreichische FPÖ zwar eine "extrem rechte", aber keinesfalls eine "rechtsextremistische" oder gar eine Neo-Nazi-Partei.

    Jean-Yves Camus: Die österreichische FPÖ wurde nicht aus Rassismus oder aus purem Fremdenhass gewählt. Für die meisten ihrer Wähler war die Stimmabgabe zunächst einmal nichts anderes als ein Protest gegen die gesamte politische Führung des Landes. Dann spielt auch die Persönlichkeit von Haider eine große Rolle, vermischt mit einer gewissen Fremdenfeindlichkeit, einer Skepsis Europa gegenüber und der Furcht vor dem EU-Beitritt der osteuropäischen Länder. Doch gerade weil dem so ist, verstehe ich nicht, dass hier eigentlich niemand wirklich versucht, die tieferen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Gründe des Aufstiegs der FPÖ zu verstehen. Sie ist nämlich keine faschistische Neonazi-Partei, sondern primär das Ergebnis erstarrter politischer Verhältnisse in Österreich.

    Neben all diesen Diskussionen über tatsächlichen oder vermeintlichen Rechtsextremismus, kommt es seit einem Jahr immer häufiger zu politischen Skandalen, ausgelöst durch als "antisemitisch" und/oder "geschichts-revisionistisch" gedeutete Äußerungen bekannter Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens. Einige Beispiele:

    Paris, im August 1999: die Enthüllungen des französischen Schriftstellers Jean d'Ormesson über den früheren französischen Präsidenten Francois Mitterrand, der vom "schädlichen Einfluss der jüdischen Lobby" gesprochen haben soll sorgten für erhebliches Aufsehen.......

    Berlin, im September 1999: der Vorschlag von Bundeskanzler Gerhard Schröder, Entschädigungsansprüche der NS-Zwangsarbeiter im Jahr 2000 auslaufen zu lassen stieß auf ein missverständliches Echo.......

    Budapest, im November 1999: in Ungarn brach plötzlich ein sogenannter "Historiker-Streit" aus. Hintergrund hierbei: Die Beraterin des jetzigen Ministerpräsidenten Viktor Orban hatte einen Vergleich zwischen dem kommunistischen und nationalsozialistisch-faschistischen Terror gezogen.

    Bukarest im Januar dieses Jahres: von heute auf morgen standen bekannte Vertreter der demokratischen Bürgerallianz in Rumänien unter Antisemitismus-Verdacht.

    Gemeinsames Merkmal aller Vorgänge: es erschallen massenmedial inszenierte Alarmrufe, die von "Schlussstrichmentalität", "Revisionismus", "Antisemitismus und Rechtsextremismus" skandalträchtig künden und kampagnenmäßig in die Bevölkerung abfließen.

    Doch je länger sie anhalten, desto mehr stellen sich manch unvoreingenommene Beobachter der jeweiligen Konfliktlagen die Frage, weshalb Debatten dieser Art zunehmen und ob solche "Alarmismen" in allen Fällen wirklich inhaltlich begründet und damit gerechtfertigt sind.

    Blicken wir nach Deutschland: Michel Friedman, der stellvertretende Vorsitzende des Zentralrats der Juden, warf laut Berliner Tagesspiegel vom 15. September letzten Jahres der jetzigen Bundesregierung eine "linke Schlussstrichdebatte" und eine "subtile Form von Antisemitismus" vor. Anlass dafür war, dass die Bundesregierung für Ignaz Bubis, den verstorbenen Vorsitzenden des Zentralrates der Juden, keine offizielle Trauerfeier organisiert hatte.

    Entsprechend aufgespießt wurde auch Gerhard Schröders Vorschlag, das Jahr 2000 als Fristende für Entschädigungsansprüche aus der NS-Zeit zu setzen und schließlich die in der Tat missverständlich-saloppe Bemerkung des Kanzlers, dass ein Holocaust-Mahnmal so gestaltet sein sollte, dass die Menschen "gerne dort hingehen". Grund genug für Michel Friedman, um den Vorsitzenden der ältesten demokratische Partei Deutschlands, der SPD, mit dem Fundamental-Vorwurf einzudecken: nämlich, dass Vertreter dieser sozialdemokratisch geführten Bundesregierung die Verantwortung für die deutsche Vergangenheit rundweg ablehnten.

    Vielen erscheint jedoch diese Pauschalkritik an deutscher Geschichtspolitik kaum nachvollziehbar. Dazu der renommierte französische Deutschlandexperte, Alfred Grosser:

    Alfred Grosser: Es gibt keine Kollektivschuld. Nirgends. Aber was es gibt und das hat Deutschland vorbildlich gemacht. Das hat kein anderes Land so gemacht, ist die Haftung für eine Vergangenheit......Es war Außenminister Joschka Fischer, der in Paris weilte und wichtige französische Journalisten zum Abendessen einladen wollte, was er auch tat. Er fragte, ob ich dabei sein wollte. Ich war dabei. Und ich erklärte, dass ich gerade in unserer katholischen Tageszeitung "La Croix" geschrieben hatte, über das, was ich eben sagte, nämlich über Nicht-Schuld, sondern Haftung. Und er sagte, zum Erstaunen der Journalisten, ich hätte vielleicht Recht, aber er gäbe mir doch nicht ganz recht. Er sei ein Enkel von Auschwitz. Das würde er sein ganzes Leben sein...Ja, in welchem anderen Land würde ein Außenminister so etwas sagen ? Und denken ? Und anstatt das mit Genugtuung wahrzu- nehmen, kommt dann immer wieder die Frage von außen: "Ja, wie seid ihr eigentlich?" Und ich kann nicht recht verstehen, dass ununterbrochen gesagt wird, also dieses ununterbrochene Sagen von draußen wird vielleicht letzten Endes Martin Walser rechtfertigen, wenn er sagt, er möchte wegblicken.

    Der Umgang mit Vergangenheitsbelastungen ist aus historischen Gründen in Frankreich und Deutschland höchst unterschiedlich. Dennoch: auch an der Seine behauptete im letzten Sommer der französische Schriftsteller Jean d'Ormesson, der verstorbene Staatspräsident und Sozialist, Francois Mitterrand, habe 1995 in einem vertraulichen Gespräch mit ihm von dem "mächtigen und schädlichen Einfluss der jüdischen Lobby" gesprochen. Politiker und Medien reagierten betroffen und akzeptierten die Aussage von Jean d'Ormesson sofort als bewiesene Tatsache. Offenbar reichte schon der Hauch eines Anscheins auf dünner Faktenbasis oder selbst ein nicht eindeutig belegbarer Antisemitismus-Vorwurf, um in Frankreich einen großen Politskandal auszulösen, der wochenlang aufgeregte und giftige Wellen schlug.

    Noch problematischer wird es, wenn in den jungen und aufstrebenden osteuropäischen Demokratien ähnlich inkriminierende Standortzuweisungen - ohne realen Hintergrund - erhoben werden.

    So waren beispielsweise viele rumänische Intellektuelle schockiert, als sie am 15. Januar dieses Jahres in der französischen Tageszeitung "Le Monde" lesen mussten, dass der bekannte Philosoph Gabriel Liiceanu und der Essayist Nicolae Manolescu tendenziell antisemitische Revisionisten seien. Beide gehören schließlich der demokratischen Bürgerallianz an, zu der auch der jetzige rumänische Staatspräsident, Emil Constantinescu, zählt. Grund für diese Anklage: Sie haben in der rumänischen Kulturzeitschrift namens "22", den kommunistischen Terror als "roten Holocaust" bezeichnet. Daraus zeichnete "Le Monde" folgendes Bild - Zitat:

    "Die eine Gruppe besteht aus demokratischen Intellektuellen, die sich gegen Ausländerfeindlichkeit und Antisemitismus aussprechen und dafür sorgen, dass die rumänische Schoah nicht bagatellisiert wird. Zu der anderen gehören Gabriel Liiceanu, der Direktor des Verlages Humanitas und Nicolae Manolescu, der Chefredakteur der Revue "Literarisches Rumänien". Der Antisemitismus der rumänischen Intellektuellen ist ein Problem der rumänischen Kultur."

    So stand es wörtlich in "Le Monde". Mircea Jorgulescu, Korrespondent von Radio Free Europe in Paris und intimer Kenner Frankreichs und Rumäniens, greift sich angesichts solcher Darstellungen an den Kopf und meint:

    Mircea Jorgulescu Wenn ich so etwas sehe, werde ich wütend. Auf der einen Seite die Guten, auf der anderen die Schlechten. Solche Listen kennen wir noch von früher. Ich hatte immer geglaubt, diese Zeiten sind jetzt vorbei. Und nun gibt sich so eine seriöse Zeitung wie "Le Monde" für solche Texte her. Für solche Inszenierungen. Denn mehr ist das nicht. Gabriel Liiceanu und Nicolae Manolescu sind engagierte Demokraten und es ist eine Dummheit, ja geradezu eine Dreistigkeit, sie auf die Liste der Antisemiten zu setzen."

    Für maßgebliche Repräsentanten der rumänischen Dissidenz sind Gabriel Liiceanu und Nicolae Manolescu wahrhaftig nicht gleichzusetzen mit notorischen Auschwitzleugnern. Weder in ihren Büchern noch in ihren Artikeln haben sie jemals die nationalsozialistischen Gräuel geleugnet. Sie bagatellisieren sie auch nicht. Sie versuchen lediglich, die sehr komplizierte totalitäre Vergangenheit ihres Landes in Begriffe zu fassen, die andere bei gewissen Geschichts-Kapiteln geradezu reflexhaft missverstehen oder missverstehen wollen. Denn....

    "Strittige Vergangenheit" - im Falle Rumäniens heißt das: zum einen die faschistoide Militärdiktatur unter Marschall Ion Antonescu von 1940 bis 1945 und danach dann - die kommunistische Diktatur. Das hat Rumänien mit den meisten anderen Ländern Mittelosteuropas gemein. Eine prägende Erfahrung, die dem Westen erspart blieb.

    Dafür versuchen westliche Historiker, Begriffe und Werte, teilweise im Sinne der auch im Westen umstrittenen "politischen Korrektheit", dem Osten sozusagen überzu- stülpen. In dieser Sichtweise steht dann Auschwitz singulär. Das Symbol "Auschwitz" dürfe auf keinen Fall mit anderen Völkermord-Tatbeständen in irgendeiner Form verglichen oder sonst wie in Beziehung gesetzt werden.

    Das wiederum verstehen aber viele ost- europäische Intellektuelle nicht. Für sie sind die über hundert Millionen Opfer des kommunistischen Terrors seit 1917 keine zu vernachlässigende Größe, sondern Teil ihrer leidvollen Identität. Und deshalb sprechen sie vom "roten Holocaust" - ohne damit jedoch "Auschwitz" relativieren zu wollen.

    Auch Maria Schmidt, die Beraterin des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban, musste erfahren, dass es mehr als unangenehm werden kann, wenn man den Holocaust an den europäischen Juden mit anderen Völkermord-Katastrophen vergleicht. Als sie in einem Vortrag über die Totalitarismen des 20. Jahrhunderts im Plural von den "Holocausten" sprach, ging ein Schrei der Empörung vornehmlich durch die Reihen des sozialistischen Lagers.

    Die linke Tageszeitung "Magyar Hirlap" nannte diesen Begriff eine "Attacke gegen die Werte einer jungen Demokratie". Laszlo Köver, damals ungarischer Innen-Minister, sah sich sogar genötigt in einer Pressekonferenz dazu Stellung zu nehmen und verhedderte sich prompt. Auf die Frage eines Journalisten, ob es denn in Ungarn" ein "jüdisches Problem" gebe, wollte er dem Begriff "Problem" ausweichen und sprach statt dessen von der "Judenfrage" - womit er semantisch sozusagen vom Regen in die Traufe kam.

    Jetzt gilt die liberal-konservative Regierungspartei FIDESZ in sozialistischen und sozialliberalen Kreisen als antisemitisch. Mit auf der Anklagebank: Ministerpräsident Viktor Orban, der damit zwar nichts zu tun hat, der aber seither von einflussreichen ungarischen Zeitungen und von der sozialistischen und links-liberalen Opposition abwechselnd als "kleiner Mussolini" und als "ungarischer Jörg Haider" be- zeichnet wird.

    Wie in den bereits aufgezeigten Fällen, so stellt sich auch hier - wenn man ein Mindestmaß an "intellektueller Redlichkeit" als Urteilsgröße zugrunde legt - die Frage: ist die jetzige ungarische Regierung tatsächlich antisemitisch oder gar faschistoid ? Nein, meint der in Paris lebende, als linksliberal geltende, ungarische Historiker Ferenc Fejto, alles andere wäre übertrieben....

    Ferenc Fejto: Nun gut, eine bekannte Persönlichkeit der jetzigen Regierung hat öffentlich erklärt, dass es eine Judenfrage gibt und dass man darüber sprechen müsste. Ich gebe zu, diese Erklärung hat mich zumindest erstaunt. Doch nun daraus zu schließen, dass Ungarn ein ähnliches Phänomen wie Österreich wäre, erscheint mir vollkommen übertrieben. Unser antisemitisch-rechtsradikaler Apostel heiße Csurka. Doch soweit ich weiß, ist er gerade mal mit fünf Prozent ins Parlament eingezogen.

    Offenbar lösen emotional so stark befrachtete und umstrittene Begriffe wie "roter Holocaust" oder "Judenfrage" sofort kampagnenartige Standortzuweisungen in Richtung Extremismus aus. Doch sind diese Ausgrenzungen gerecht- fertigt ?

    Wohl kaum, wie die hier nur beispielhaft aufgezeigten Fälle belegen, jedenfalls nicht zwingend - im Gegensatz zu manch künstlich erzeugter Überreaktion oder schlichter Fehleinschätzung. Deswegen mahnen Kritiker auch zu einem sorgfältigeren Umgang mit schnell ausgeteilten Vorwürfen wie "Antisemit", "Faschist" und "Nazi". Und sie wehren sich dagegen, dass diese außerdem noch wahllos vermischt werden mit Namen wie "Benito Mussolini" oder "Jörg Haider".

    Michael Wolffsohn spricht in diesem Zusammen- hang sogar vom verwerflichen Gebrauch der "Auschwitzkeule". Er warnt eindringlich vor einer konfusen Instrumentalisierung der Angst vor Antisemitismus und Rechtsextremismus.

    Michael Wolffsohn: Dass an Auschwitz erinnert wird, ist eine Selbstverständlichkeit. Für die Opfer ebenso wie für die Nachfolger der Täter. Auschwitz ist aber dabei, ein Argument zu werden. Vor allem seit Mitte der Sechziger Jahre. Stichwort in Deutschland und Europa der 68er. Es gehörte damals zum guten, sprich schlechten Ton, den Anders- denkenden immer als Faschisten oder als Nazi zu diffamieren. Das hat eine Eigendynamik entwickelt, die völlig unabhängig von dem Inhalt der jeweiligen politischen Position ist. Aber das Missbrauchen des "Nazis", "Faschisten" oder "Auschwitz-Befürworters" als Argument ist ein Totschlagargument, weil es die rationale Diskussion sofort beendet. Jemand, den ich als "Nazi", also praktisch als Massenmörder beschimpfe, kann ich nicht als Gesprächspartner ernst nehmen und tolerieren.

    Wie also umgehen mit der so heiklen Problematik ? Unbestritten ist ja: es gibt Rechtsextremisten sowohl in West - als auch in Osteuropa. Und selbstverständlich muss über sie berichtet werden - angemessen wohlgemerkt. Doch sollten nur diejenigen Kräfte als antisemitisch und rechtsextrem bezeichnet werden, die dies auch zweifelsfrei sind.