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Anton Webern - Im Sonnerwind, Orchesterwerke u.a.

Viel radikaler ging da der neun Jahre ältere Anton Webern zu Werke. Zwar steht auch seine Musik in der Tradition, hier der der Wiener Klassik, doch bekommt die Klangfarbe nach und nach eine eigenständige, strukturell wichtige Rolle; außerdem hat man oft den Eindruck, dass die Pausen eine ganz neue Bedeutung bekommen: sie sind genauso "beredt" wie vorher nur die Töne, ja es scheint, dass Webern manchmal die Aussparungen, die Leerräume und die Stille zum Gegenstand der Komposition macht. Die Staatskapelle Dresden unter der Leitung von Giuseppe Sinopoli liefert auf ihrer neuen Teldec-CD hierfür schöne Beispiele mit der Passacaglia op. 1, den Sechs Orchesterstücken op. 6, der Sinfonie op. 21, dem Concerto op. 24 und den Variationen op. 30. Um auch hier wieder den Vergleich mit der Malerei zu wagen: nicht mehr das Abzubildende steht im Mittelpunkt der schöpferischen Arbeit, sondern das Material selbst (Farbe, Flächenaufteilung, Leere) wird zunehmend Thema der Komposition. Ins Extrem getrieben erscheint dies bei den 5 Orchesterstücken op. 10, fünf Miniaturen von ungeheurer Dichte und konzentriertem Ausdruck im Detail. Webern experimentiert gleichsam mit dem Nichts, das als Stille für ihn unendliche musikalische Möglichkeiten beinhaltet. * Musikbeispiel: Anton Webern - 5 Orchesterstücke op. 10 Anton Webern: 5 Orchesterstücke op. 10. Die Nazi-Kulturbürokratie konnte mit solcherlei Musik nichts anfangen. Sie wurde als "entartet" eingestuft. Dies scheint ein ganz spezielles Phänomen unseres zu Ende gehenden Jahrhunderts zu sein: Kunst, mit der die Herrschenden nichts anfangen können, wird aus den Museen und den Konzerthallen verbannt, diskriminiert, verboten.

Ludwig Rink |