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Antonio Vivaldi und seine Nachkommen

Ein Rechtsstreit um die verloren geglaubte Vivaldi-Oper "Motezuma" beschäftigt derzeit die Opernwelt. Das Musikfestival in Barga, seit Jahren bekannt für die Pflege von Vivaldis Werken, wollte "Motezuma" am Samstag auf die Bühne bringen. Was als Höhepunkt des Festivals geplant war, wurde jetzt per einstweiliger Verfügung untersagt. Hintergrund: Die Singakademie Berlin als Entdeckerin des Werks sieht sich auch als Besitzerin der Aufführungsrechte an "Motezuma".

Von Thomas Migge |
    " Wir werden uns natürlich nicht geschlagen geben und werden uns an einen Anwalt wenden, um einen neuen Prozess anzustreben. Es geht nicht, dass ein Richter festlegt wer die Musik von Vivaldi aufführen darf und wer nicht!"

    Federico Maria Sardelli ist außer sich. Der bekannte italienische Barockspezialist und Direktor des Ensembles "Modo Antiquo" darf die Oper "Motezuma" von Antonio Vivaldi nicht aufführen. Für kommenden Samstag war die Premiere unter der Regie von Uwe Schmitz-Gielsdorf geplant. In den Hauptrollen sollten Tobias Scharfenberger, Jörg Waschinski und Elisabeth Scholl singen. Im nordtoskanischen Barga. Eine verschlafen wirkende Ortschaft, in der jedes Jahr im Juli ein kleines aber feines Musikfestival stattfindet. Gegründet wurde es von einem britischen Ehepaar. Heute leitet es dessen Sohn Nicolas Hunt.

    Seit einigen Jahren werden bei diesem Festival Vivaldiopern aufgeführt, die seit dem 18. Jahrhundert nicht mehr zu hören und zu sehen waren. Immer wieder mit Federico Maria Sardelli und seinen Musikern. In einigen Fällen kam es zu einer Zusammenarbeit mit dem WDR und die Opern erschienen in Italien als CD-Einspielungen. Die Aufführung der verschollen geglaubten und erst im Jahr 2002 wiederentdeckten Partitur sollte das Highlight des diesjährigen Festivals werden. Doch daraus wird nichts: Das Düsseldorfer Landgericht hat gestern die geplante Aufführung untersagt.

    Dazu Maestro Sardelli:

    "Dieses Urteil definiert einen gefährlichen Präzedenzfall im Bereich der Musik. Nicht nur in puncto Aufführung wiederentdeckter Kompositionen, sondern ganz allgemein. Das Urteil legt fest, dass eine Person oder eine Institution darüber entscheiden kann, ob es zu einer nur konzertanten oder szenischen Aufführung kommen darf. Sie hat damit die gleichen Rechte wie der Komponist."

    Das Landgericht in Düsseldorf gibt der einstweiligen Verfügung der Sing-Akademie zu Berlin Recht, die die Aufführung der Oper in Barga und später im Herbst beim Düsseldorfer Kulturfest "Altstadtherbst" verhindern wollte. Begründet wird dieses Urteil mit dem Hinweis auf das Urheberrecht der Singakademie zu Berlin, die, nach der Wiederentdeckung des Werks, 50 gebundene Partituren der Komposition verkauft hat. Weil das ursprüngliche Urheberrecht des 1741 in Wien verstorbenen Vivaldi erloschen ist, so die Richter, habe die Sing-Akademie das alleinige Recht über Ort und Zeit einer eventuellen Aufführung zu entscheiden. Federico Maria Sardelli sieht das entschieden anders:

    "Die Singakademie beruft sich auf ein eigentlich lobenswertes Gesetz, das den ersten Herausgeber eines unbekannten Werkes schützen will. Wer sich um die Erhaltung einer Handschrift verdient macht, wer in langem Studium eine verschollene Partitur zur Aufführung wiedergewinnt und veröffentlicht, der soll nach dem Gesetz über dieses Werk frei verfügen können."

    In aller Schnelle, so Sardelli, wurden dieses Jahr 2005 von der Sing-Akademie Photokopien der Motezuma-Partitur auf ihrer Web-Seite zum Verkauf angeboten. Und damit meinte man dem Gesetz Genüge getan zu haben.

    Die Organisatoren des Festivals in Barga bezeichnen die Entscheidung des Gerichts in Düsseldorf als engstirnig. Ihrer Meinung nach geht es um mehr als nur um eine Vivaldi-Oper.

    Federico Maria Sardelli:

    "Wenn in Zukunft eine zehnte Symphonie von Beethoven oder eine Oper von Claudio Monteverdi wiederentdeckt werden sollte, und solche Hypothesen sind, wie man sieht, gar nicht mal so abwegig, dann könnte jeder Verleger, jede Akademie, die eine Komposition veröffentlicht, auch in Form von Fotokopien, zum alleinigen Eigentümer werden, der Urheberrechte erheben kann. Das ist doch absurd."

    Und deshalb wollen Maestro Sardelli und Festivaldirektor Nicolas Hunt den Fall nicht auf sich beruhen lassen. Sie schließen nicht aus, sich auch an die Weltkulturbehörde UNESCO in Paris zu wenden. Für Sardelli und Hunt ist die Partitur der Vivaldioper ein Weltkulturgut. Ein Gut, das allen Menschen gehört und auf das niemand, auch nicht die Sing-Akademie zu Berlin, einen exklusiven Privatanspruch erheben kann. Eine Argumentation, die Sardelli und seine Mitstreiter in den nächsten Tagen auch über die internationalen Medien verkünden wollen. Ihrer Meinung nach sei das Düsseldorfer Urteil so skandalös, dass der Fall nicht auf die Auseinandersetzung zwischen der Sing-Akademie und dem Festival in Barga beschränkt bleiben dürfe.