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Antrieb mit Ameisensäure

Chemie. - Brennstoffzellen, die Strom aus Wasserstoff erzeugen, gelten als umweltfreundliche Energiespender. Ihr Problem: Wasserstoff ist schwierig zu transportieren und zu speichern. Rostocker Chemiker haben eine Methode gefunden, in Ameisensäure gespeicherten Wasserstoff zurückzugewinnen - und zwar bei Zimmertemperatur. Tragbare Geräte wie Laptops könnten schon sehr bald damit laufen, hoffen die Rostocker.

Von Detlev Karg |
    Strom aus Brennstoffzellen mit umweltfreundlichem Wasserstoff zu erzeugen, davon träumt nicht nur die Autoindustrie. Denn das Gas muss gespeichert und extrem komprimiert werden, und das kostet zehnmal mehr als der Transport flüssiger Kraftstoffe heute. Um das Transport- und Temperaturproblem bei Wasserstoff in den Griff zu bekommen, experimentieren Rostocker Forscher vom Leibniz-Institut für Katalyse darum mit Ameisensäure. Ameisensäure riecht zwar stechend, ist aber ungiftig. Sie wird großtechnisch hergestellt, ist leicht zu handhaben und zu lagern. In Rostock wird sie mit einem basischen Amin gemischt, und dann kommt nur noch das in der Katalyse oft verwendete Ruthenium hinzu, erklärt Institutsleiter Matthias Beller:

    "Das wird in Form eines Salzes eingesetzt. Das löst sich dann in der entsprechenden Mischung aus Ameisensäure und Amin und bewirkt dann die katalytische Reaktion. Das Amin erlaubt die schnellere Zersetzung der Ameisensäure. Denn das Amin ist eine Base und dabei entsteht das Salz der Ameisensäure, der Chemiker nennt das Formiat, und das Formiat reagiert mit dem Katalysator schneller als die reine Ameisensäure."

    Das Resultat: Wasserstoff entsteht bei Zimmertemperatur. In ihren Tests führen die Rostocker Chemiker den aus Ameisensäure gewonnenen Wasserstoff einer kleinen kommerziellen Brennstoffzelle zu, in der er zusammen mit Luftsauerstoff verbrannt wird. Bei einer Spannung von 370 Millivolt kann über 30 Stunden lang eine elektrische Leistung von rund 50 Milliwatt erzeugt werden. Für ein Modellauto jedenfalls genug. Was aber ist mit den "richtigen" Autos? Hier bleibt man in Rostock realistisch. Zum Vergleich: Ameisensäure hat eine Energiedichte von 1,8 Kilowattstunden pro Liter, Methanol 3,5 Kilowattstunden, Diesel 9,8 Kilowattstunden pro Liter. Allerdings, und das ist die Chance, ließe sich die organische Säure CO2-neutral herstellen. Denn zu ihrer Herstellung wird CO2 benötigt. Könnten sie den Wasserstoff mit Hilfe erneuerbarer Energien herstellen, so Matthias Beller, dann schlösse sich der Kreislauf:

    "Ein Vorteil, den wir an unserem Konzept noch sehen, ist der, dass das CO2, was bei der Spaltung der Ameisensäure frei wird, wieder mit Wasserstoff zurück zu Ameisensäure hydriert werden kann. So dass Sie im Grunde genommen, wenn Sie einen regenerativen Wasserstoff haben, über Windenergie, Elektrolyse langfristig über Wasserspaltung, dass Sie dann mit der Ameisensäure einen Energieträger haben, der das CO2 neutral im Kreis fährt. Also Kohlendioxid als Wasserstoffträger."

    Doch zunächst haben die Leibniz-Forscher Laptops und Handhelds im Auge, deren Hersteller ja schon seit einiger Zeit mit Brennstoffzellen experimentieren, um die umweltschädlichen Akkus zu verbannen. Viel Ameisensäure braucht es dafür nicht. Matthias Beller:

    "Also zwei Milliliter Ameisensäure erzeugen ungefähr 1,5 Liter Wasserstoff. Im Grunde genommen reichen eben einige Milliliter Ameisensäure aus, um die Leistung einer AAA-Batterie zu erreichen."

    AAA-Batterien, das sind die kleinen Batterien, die zumeist in Fernbedienungen stecken. An einen Laptop oder Handheld angeschlossen, könnte das Ameisensäure-Katalyse-Gemisch gebrauchsfertig wie in einer Druckerpatrone ausgeliefert werden. Doch auch größere Anwendungen sollen mit einem Salz der Ameisensäure realisiert werden können, und zwar durch eine Kombination der Ameisensäure mit Ammoniak:

    "Dabei entsteht Ammoniumformiat. Und wir arbeiten daran, dass man den Wasserstoff, der auch im Ammoniak gebunden ist, direkt für diese Reaktion nutzen kann. Dabei entsteht dann aus Ammoniak Stickstoff, auch eine neutrale Komponente in der Luft, und dann ist die Wasserstoffdichte um ein Vielfaches höher. Und das ist dann auch ein interessantes System hinsichtlich der Wasserstoffdichte, auch für größere Anwendungen."

    Diese Salzform enthält dann soviel Wasserstoff wie Methanol, vielleicht eine Konkurrenz für diesen, so die Hoffnung in Rostock.