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Antworten auf die K-Frage

Lange muss der Kulturbetrieb bei der großen Koalition auf den Namen des neuen Kulturstaatsministers warten. Heute in einer Woche wird Angela Merkel zur Bundeskanzlerin gewählt, dann werden am Nachmittag die Minister vereidigt. Und erst danach sollen die Namen der Staatssekretäre und mit ihnen des Kulturstaatsministers fallen. Zwei Kandidaten stehen im Zentrum der Spekulationen: der Bremer CDU-Landesvorsitzende Bernd Neumann und die rheinland-pfälzische CDU-Politikerin Maria Böhmer.

Von Christoph Schmitz | 15.11.2005
    Die Namen Maria Böhmer und Bernd Neumann als Kandidaten für das Amt des Kulturstaatsministers wirken wie der Endpunkt einer kulturpolitischen Entropie. Der Umgang mit der Kultur ist seit dem Wahlkampf ein einziger Abstieg. Vor allem auf Seiten der Unionsparteien. So erscheint es aus Sicht der Kulturschaffenden und ihren Institutionen.

    Der kunstsinnige Norbert Lammert sollte in Merkels Kompetenzteam noch ambitionierte Kulturpolitik suggerieren, doch für den Geist, für das Schöne und Wahre waren ins Wahlprogramm der Union nur ein paar Floskeln geraten. Lammert wollte lieber Bundestagspräsident werden, über das vakante Amt sollte in den Koalitionsverhandlungen erst niemand reden, geschweige über eine Ersatzfigur, die schließlich frühestens Mitte nächster Woche, nach Kanzlerinwahl und Vereidigung der Minister, bestimmt wird. Und die beiden jüngsten Kandidatennamen hauen wirklich keinen vom Hocker: die Vorsitzende der Frauen-Union Maria Böhmer aus Mainz und der Bremer CDU-Chef und Medienpolitiker Bernd Neumann. Eine Chronik der laufenden Enttäuschungen. Deutlicher kann die neue Machtriege nicht zeigen, wie gering sie die Bedeutung der Kultur schätzt.

    Eine Enttäuschung, die aber zugleich das Ende einer Täuschung ist: Ein Täuschung über das Gewicht der Bundeskulturpolitik im Berliner Machtgefüge überhaupt. Die Bundeskulturpolitik darf bestenfalls in der Kategorie Fliegengewicht mitboxen. Das ist so und war auch so. Denn reale Schlagkraft hatte sie auch unter Schröder nie gehabt. Schröders Coup, im Kanzleramt einen Kulturstaatsminister zu installieren, war symbolische Politik, die optisch Macht und Geist versöhnen sollte. Atmosphärisch hat der Trick funktioniert, aber die politische Ausbeute von Naumann, Nida-Rümelin und Christina Weiss war dürftig. Helmut Kohl hatte ohne Kulturstaatsminister über seinen Chef-Kulturbeamten im Innenministerium, Sieghardt von Köckritz, nicht weniger Akzente gesetzt, doch immerhin die Bundeskunsthalle und das Haus der Geschichte in Bonn und das Deutsche Historische Museum in Berlin entstehen lassen.

    Angela Merkels Umgang mit der Bundeskulturpolitik indes ist so unglamourös wie ihr Wahlkampf. Mit ihrer Vorauswahl Maria Böhmer und Bernd Neumann hat sie zwei potenzielle Kulturstaatsminister ins Spiel gebracht, die – gleich wer von beiden den Zuschlag bekommt – vor allem eine Funktion erfüllen: Sie sind beide loyal, gegenüber der Partei, der sie als fleißige und sachorientierte Soldaten seit Jahrzehnten im Hintergrund dienen, und gegenüber der zukünftigen Kanzlerin, die sie unter ihrem Dach als Untermieter im Bundeskanzleramt residieren lassen wird. Angela Merkel umringt sich mit Politikern, die sie unterstützen.

    Die misstrauische Frau aus dem Osten schätzt bei der besonnenen Frau aus dem Westen, Böhmer, vor allem deren langjähriges frauenpolitisches Engagement. Mit Bernd Neumann würde Merkel von dessen kulturpolitischen Erfahrungen als Parlamentarischer Staatssekretär im Forschungsministerium der Kohl-Zeit und als Obmann im Bundestagsausschuss Kultur und Medien profitieren. Neumann kann darüber hinaus enge Verbindungen zum Film vorweisen. Doch auch er müsste sich, wie Böhmer, in die Aufgaben eines Kulturstaatsministers einarbeiten. Aber da erginge es den beiden nicht anders, als den neuen Ministern. So verspricht Merkels Kulturpolitik keinen Glanz, dafür eine möglicherweise ordentliche Arbeit im Rahmen der kleinen Möglichkeiten. Abstieg für den Glamourfaktor. Es gibt Schlimmeres.