Frühwald: Manfred Fuhrmann ist eigentlich Zeit seines Lebens gehört worden. Er ist so etwas wie das enfant terrible der klassischen Philologie gewesen. Vom eigenen Fach lange etwas mit Lächeln betrachtet, aber dann doch ernstgenommen, denn seine großen Bücher sind, übrigens auch das letzte, auch das Bildungsbuch, halt doch aus einem ganz fundierten Wissen heraus geschrieben worden sind. Bildung, meinte Manfred Fuhrmann immer, sei etwas, was auch Tradition zu bewahren habe und dort, wo wir uns die Wurzeln der Tradition abschneiden, dort könne Bildung überhaupt nicht mehr wachsen. Es geht ihm nicht um Ausbildung und einen Fundus von Inhalten und Formeln, so wie es zum Beispiel bei Schwanitz in dem großen Bildungsbuch geschieht, sondern immer um die Verbindung zu den eigenen Wurzeln und wer sich von 3000 Jahren nicht Rechenschaft zu geben weiß, der gehört nicht zu dieser Sorte von gebildeten Leuten, wie sie Fuhrmann gemeint hätte.
Köhler: Das ist eine goethische Denkfigur, also alles andere als ein technokratischer Bildungsbegriff der Chancengleichheit.
Frühwald: Das mit Sicherheit nicht. Von Chancengleichheit keine Rede, aber er hält immerhin etwas davon, allen Menschen die ihrer Begabung angemessene Chance zu geben. Das war für Fuhrmann ganz wichtig und das hat er auch in seinem ganzen Leben so gehalten. Wenn Religionsunterricht ausgefallen ist, hat er an den Bischof geschrieben und der Bischof hat sogar etwas dagegen getan, dass die Religionsstunden nicht mehr ausgefallen sind, er hat sich natürlich mit den Ministern, Bischöfen und allen angelegt, auch mit dem eigenen Fach und ist gerade dadurch ein sehr beweglicher, polemischer und immer in der Debatte befindlicher Gelehrter gewesen.
Köhler: Also etwas, was man bei einem Altphilologen, jemandem, der die Fächer Latein und Griechisch vertritt, nicht unbedingt vermuten würde. Er ist im Alter von 79 Jahren in Überlingen am Bodensee gestorben, war zunächst Professor in Kiel, dann ein Vierteljahrhundert lang in Konstanz an einer sehr jungen Universität. Ich frage Sie mal auch als Wissenschaftsmanager: er war kein zurückgezogener Gelehrter, sondern hat dieses alte Fach in einer jungen Universität versucht, neu zu verankern?
Frühwald: Manfred Fuhrmann ist mit 70 Jahren als ein junger Mann gestorben, wenn ich das so sagen darf. Er war von einem so wachen Geist, dass er eben an einer Reformuniversität wie in Konstanz diese Basis der klassischen Philologie, von der man meinte, sie sei nur in uralten Universitäten brauchbar, den Kolleginnen, Kollegen, Studentinnen und Studenten so eingängig gemacht hat, dass er einer der gesuchtesten Lehrer dieser Universität war. Manfred Fuhrmann hat zum Beispiel in der Zeit, als Asterix und Obelix von allen Kindern und Jugendlichen gelesen wurden - und es gibt ja lateinische Ausgaben von Asterix und Obelix - mit Vorträgen über diese Comicserie Säle gefüllt mit 1000 und mehr Leuten. Er hat die klassische Philologie unter das Volk gebracht und viele haben gesagt, wenn alle klassischen Philologen so wären wie er, dann wäre das humanistische Gymnasium niemals gefährdet gewesen.
Köhler: Also er war kein strenger Lateinlehrer, den man sich vorstellen muss mit Monokel, der einen an den Ohren zieht, sondern das Gegenteil: ein Entklassifizierer?
Frühwald: Er war ein Entklassifizierer, aber er war ein strenger Lehrer.
Köhler: Ein Punkt, der ihm immer wichtig war, war, die Altphilologie nicht als ein verstaubtes Bildungsgut zu betrachten, sondern als eine der Säulen, der großen Wurzeln dessen, was wir so gerne christlich-abendländische Tradition und Bildung nennen.
Frühwald: Ja, die Latinität Europas, die lag Manfred Fuhrmann am Herzen und für ihn war es im Grunde eine der schwierigen Entwicklungen dieses Europa, als die Nationalsprachen begonnen haben, über die lateinische Universalsprache zu siegen, dass dadurch das Lateinische zu einer Idee geworden ist, zu einer Idee der Latinität, der starken Rechtssprache; dieses Latein, ist etwas, was ihm auch am Herzen gelegen hat und diese Idee wollte er weitervermitteln.
Köhler: Es gibt ja manchmal im Laufe eines wissenschaftlichen Lebens eine Anverwandlung mit dem eigenen Stoff. War er selber ein guter Redner, eine Art Cicero, ein guter Redner und Republikaner?
Frühwald: Ich habe ihn als einen guten Redner erlebt. Er war ein faszinierender Redner sogar, vor allem, weil er mit der ganzen Person und dem ganzen Körper geredet hat. Ich glaube schon, dass er nicht umsonst sich den Cicero zu seinem "Lebenspartner" ausgesucht hat.
Köhler: Das ist eine goethische Denkfigur, also alles andere als ein technokratischer Bildungsbegriff der Chancengleichheit.
Frühwald: Das mit Sicherheit nicht. Von Chancengleichheit keine Rede, aber er hält immerhin etwas davon, allen Menschen die ihrer Begabung angemessene Chance zu geben. Das war für Fuhrmann ganz wichtig und das hat er auch in seinem ganzen Leben so gehalten. Wenn Religionsunterricht ausgefallen ist, hat er an den Bischof geschrieben und der Bischof hat sogar etwas dagegen getan, dass die Religionsstunden nicht mehr ausgefallen sind, er hat sich natürlich mit den Ministern, Bischöfen und allen angelegt, auch mit dem eigenen Fach und ist gerade dadurch ein sehr beweglicher, polemischer und immer in der Debatte befindlicher Gelehrter gewesen.
Köhler: Also etwas, was man bei einem Altphilologen, jemandem, der die Fächer Latein und Griechisch vertritt, nicht unbedingt vermuten würde. Er ist im Alter von 79 Jahren in Überlingen am Bodensee gestorben, war zunächst Professor in Kiel, dann ein Vierteljahrhundert lang in Konstanz an einer sehr jungen Universität. Ich frage Sie mal auch als Wissenschaftsmanager: er war kein zurückgezogener Gelehrter, sondern hat dieses alte Fach in einer jungen Universität versucht, neu zu verankern?
Frühwald: Manfred Fuhrmann ist mit 70 Jahren als ein junger Mann gestorben, wenn ich das so sagen darf. Er war von einem so wachen Geist, dass er eben an einer Reformuniversität wie in Konstanz diese Basis der klassischen Philologie, von der man meinte, sie sei nur in uralten Universitäten brauchbar, den Kolleginnen, Kollegen, Studentinnen und Studenten so eingängig gemacht hat, dass er einer der gesuchtesten Lehrer dieser Universität war. Manfred Fuhrmann hat zum Beispiel in der Zeit, als Asterix und Obelix von allen Kindern und Jugendlichen gelesen wurden - und es gibt ja lateinische Ausgaben von Asterix und Obelix - mit Vorträgen über diese Comicserie Säle gefüllt mit 1000 und mehr Leuten. Er hat die klassische Philologie unter das Volk gebracht und viele haben gesagt, wenn alle klassischen Philologen so wären wie er, dann wäre das humanistische Gymnasium niemals gefährdet gewesen.
Köhler: Also er war kein strenger Lateinlehrer, den man sich vorstellen muss mit Monokel, der einen an den Ohren zieht, sondern das Gegenteil: ein Entklassifizierer?
Frühwald: Er war ein Entklassifizierer, aber er war ein strenger Lehrer.
Köhler: Ein Punkt, der ihm immer wichtig war, war, die Altphilologie nicht als ein verstaubtes Bildungsgut zu betrachten, sondern als eine der Säulen, der großen Wurzeln dessen, was wir so gerne christlich-abendländische Tradition und Bildung nennen.
Frühwald: Ja, die Latinität Europas, die lag Manfred Fuhrmann am Herzen und für ihn war es im Grunde eine der schwierigen Entwicklungen dieses Europa, als die Nationalsprachen begonnen haben, über die lateinische Universalsprache zu siegen, dass dadurch das Lateinische zu einer Idee geworden ist, zu einer Idee der Latinität, der starken Rechtssprache; dieses Latein, ist etwas, was ihm auch am Herzen gelegen hat und diese Idee wollte er weitervermitteln.
Köhler: Es gibt ja manchmal im Laufe eines wissenschaftlichen Lebens eine Anverwandlung mit dem eigenen Stoff. War er selber ein guter Redner, eine Art Cicero, ein guter Redner und Republikaner?
Frühwald: Ich habe ihn als einen guten Redner erlebt. Er war ein faszinierender Redner sogar, vor allem, weil er mit der ganzen Person und dem ganzen Körper geredet hat. Ich glaube schon, dass er nicht umsonst sich den Cicero zu seinem "Lebenspartner" ausgesucht hat.