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Anweisungen von oben?

Seit Jahren regt sich immer wieder der Verdacht, dass die NBA den Ausgang von Spielen manipuliert, um den populären Clubs und deren Stars zu helfen. In diesem Jahr profitieren die spielschwachen Los Angeles Lakers von den Geschenken der Referees.

Von Jürgen Kalwa |
    Es war in den letzten Sekunden des Spiels. Da bekam der beste Spieler der Los Angeles Lakers den Ball, hob ab und warf. Der Schiedsrichter an der Seitenlinie – einer von dreien, die in der NBA auf dem Platz stehen – verfolgte die Sache aufmerksam, aber pfiff erst, als der Ball vom Ring abprallte.

    "We got a whistle. Somebody’s calling a foul. He hit Kobe on the arm.”

    Kobe – das ist Kobe Bryant, einer der populären Stars der besten Basketballliga der Welt. Angeblich sollte er bei dieser Aktion im Spiel gegen die Sacramento Kings gefoult worden sein. Die Zeitlupenwiederholung dokumentierte jedoch, dass er von seinem Gegenüber nicht einmal berührt worden war. Der Pfiff allerdings hatte Folgen. Er sorgte für einen wichtigen Punktgewinn der Lakers im Kampf um den Einzug in die Playoffs.

    Die Szene Ende März war kein Einzelfall. Nur drei Tage zuvor gegen die Minnesota Timberwolves war etwas ähnlich Dubioses passiert. Diesmal hatte Bryant den Gegner Sekunden vor Schluss beim Korbwurf gefoult. Doch die Unparteiischen ignorierten die Attacke. Die Entscheidung sicherte – erneut – einen knappen Sieg der Lakers. Und sie entlockte Bryant hinterher eine überhebliche Feststellung:
    "That’s not a foul. Ain’t calling that shit.”

    Den Scheiß solle man gefälligst nicht pfeifen, sagte der 34-Jährige.

    "I don’t think I got him. That’s a tough call to make.”

    In der NBA verwischen sich schon mal die Konturen. Da werden in dem rasanten Spiel zehntausende von Punkten erzielt. Werden tausende von Freiwürfen verhängt. Und werden zahllose kleine, aber das Resultat beeinflussende Entscheidungen nicht getroffen.

    LeBron James von den Miami Heat etwa ist der inoffizielle Meister in der Rangliste der nicht bestraften Schrittfehler. Kobe Bryant genießt in diesem Jahr die Vorteile einer von der Liga-Zentrale in New York favorisierten, aber offiziell natürlich dementierten Tabellen-Regie. Die sorgt dafür, dass die überraschend schwachen, aber sehr populären Lakers es wohl doch noch in die Playoffs schaffen Und damit wäre zumindest in der ersten Runde eine reizvolle Paarung vorprogrammiert – Los Angeles gegen die San Antonio Spurs oder gegen Oklahoma City Thunder.

    In wenigen Tagen wird abgerechnet. Dann wissen wir mehr.

    Der Vorwurf der Manipulation wird fast jedes Jahr aufs Neue erhoben. Aber er perlt an dem Riesensportkonzern namens National Basketball Association, der einen Jahresumsatz von 5 Milliarden Dollar erwirtschaftet, einfach ab. Lautstarke Kritik, wie sie jahrelang von Mark Cuban, dem Besitzer des Nowitzki-Clubs Dallas Mavericks vorgebracht wurden, bügelten die Disziplinargremien der Liga einfach platt. Cuban wurde immer wieder mit teuren Geldstrafen belegt. Zuletzt im Januar wegen eines Textes, den er über Twitter abgesetzt hatte:

    "Entschuldigung, Fans. Ich habe 13 Jahre lang versucht, das Schiedsrichterwesen in dieser Liga zu reparieren und habe massiv versagt. Irgendwelche Vorschläge? Ich brauche Hilfe.”

    Statt Hilfe kam das Echo von der NBA. Der Kommentar kostete Cuban eine Geldbuße von 50.000 Dollar.

    Nervös wurde die Liga in den letzten Jahren nur einmal. Und zwar als das FBI bei Ermittlungen von Wettbetrügern und Mafia-Kontakten einen Schiedsrichter entlarvte. Tim Donaghy wurde später zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, weil er gegen Bezahlung Vorabinformationen an seine Kontaktpersonen weitergegeben hatte. Auch die können etwas nutzen. Denn Referees in der Liga haben gewisse Tendenzen. Nachzulesen auf der Webseite nbastuffer.com. Dazu gehört die Bevorzugung von Heimmannschaften beim Pfeifen von Fouls.

    Donaghy weiß um die Möglichkeiten, die Unparteiischen ligaintern zu beeinflussen. Im März in einem Interview mit dem Podcast "Colorado Sports Guys” berichtete er über Gespräche zwischen Liga-Vertretern und Schiedsrichtergespannen.

    "Wir haben oft nach den Besprechungen den Kopf geschüttelt. Wir wussten, dass die Liga uns mit ihren Hinweisen auf die Auslegung der Regeln klar machen wollte, welche Mannschaft gewinnen soll und welche nicht.”

    Eine versteckte Beeinflussung. Aber offensichtlich wirksam. Denn Schiedsrichter in der NBA werden gut bezahlt und verdienen noch mehr, wenn sie auch in den Playoffs eingesetzt werden, wenn sportlich mehr auf dem Spiel steht. Um das zu schaffen, setzen sie selbstverständlich tunlichst das um, was in der oberen Etage gewünscht wird.

    Donaghys Einlassungen wird allerdings heutzutage nur kaum Beachtung geschenkt. Ein Grund: Er ist vorbestraft. Ein anderer: Er versucht offen, vom Wettgeschäft zu profitieren. So etwas gilt als anrüchig. Man kann übrigens auf seiner eigenen Webseite – refpicks.com – für 20 Dollar pro Beratung Tipps einholen. Wie erfolgreich ist er? Traut man seinen Angaben, so hat er einen überdurchschnittlich guten Riecher.