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Anzeichen der Erholung

Biologie. - In den 80er Jahren stand sie auch bei uns noch auf der Speisekarte und galt als Delikatesse: die Schildkröte. Die Bestände der Grünen Meeresschildkröte wurden jedoch so stark bejagt, dass die Tiere in das Washingtoner Artenschutzabkommen aufgenommen wurden. Jetzt berichten Biologen, dass sich einige der größten Populationen wieder langsam erholen.

Von Volker Mrasek |
    Sieben verschiedene Arten von Meeresschildkröten gibt es in den Tropen und Subtropen. Unter ihnen spielt die Grüne eine besondere Rolle im marinen Nahrungsnetz. Denn sie ist Vegetarierin.

    "Studien in der Karibik haben gezeigt, wie wichtig die Grüne Meeresschildkröte für das Ökosystem ist. Sie weidet Seegraswiesen ab, verdaut das Pflanzenmaterial, und was sie ausscheidet, steht anderen Meeresorganismen dann zur Verfügung. Ein perfektes Nährstoff-Recycling!"

    Colin Limpus, Physiker und Biologe bei der Nationalen Australischen Umweltagentur. An der Küste des fünften Kontinents, nahe dem berühmten Großen Barriere-Riff, gibt es gleich zwei große Nistplätze, die von den gepanzerten Reptilien aufgesucht werden. Doch der Mensch hat die Bestände über Jahrhunderte stark dezimiert und ihr einen zweiten, vielsagenden Namen gegeben: Suppenschildkröte.

    "Grüne Meeresschildkröten waren früher eine exzellente Nahrung für Seefahrer auf ihren langen Schiffsreisen. Man konnte sie wochenlang an Bord halten und bei Bedarf verspeisen. Später dann wurden sie bekanntlich zu einer Delikatesse. Man machte aus ihnen Suppe und exportierte sie in vor allem nach Europa und in die USA."

    Sebastian Troeng, Meeresbiologe von der Universität Lund in Schweden. In der Karibik dürften zu Kolumbus' Zeiten 50 bis 200 Millionen Grüne Meeresschildkröten gelebt haben. Heute muss man ihre Zahl durch hundert teilen. Auch andere Populationen sind drastisch geschrumpft. Doch jetzt gibt es gute Nachrichten für die als bedroht eingestufte Art. Sie entstammen einer neuen Studie von Limpus, Troeng und sieben anderen Biologen, veröffentlicht im Fachjournal "Global Ecology and Biogeography":

    "Für unsere Arbeit haben wir die Daten von sechs Populationen ausgewertet. Zwei davon befinden sich in Australien, die anderen in Japan, Florida, Hawaii und Costa Rica. Es sind Bestände, die schon mehr als 25 Jahre lang beobachtet werden. Und wir können abschätzen, wie stark sie in dieser Zeit gewachsen sind: um vier bis 14 Prozent von Jahr zu Jahr."

    Die Zahl der Tiere in den sechs Beständen schätzen die Forscher inzwischen wieder auf "einige zehn Millionen".

    Weibliche Meeresschildkröten legen ihre Eier an Land ab und sind dabei standorttreu: Sie suchen immer wieder dieselben Strände auf. Die Biologen werteten die Protokolle dieser kurzen Landgänge der Weibchen aus. Die sechs untersuchten Nistplätze haben dabei eines gemein: Sie liegen alle in langjährigen Schutzzonen und sind streng bewacht. So auch die beiden australischen, in denen Colin Limpus tätig ist:

    "”Die ersten Schutzbestimmungen wurden schon 1932 erlassen. In den 50er Jahren ist dann auch die kommerzielle Jagd auf die Tiere verboten worden. Sie sind also seit über 50 Jahren umfassend geschützt. Das erklärt, warum sich die Bestände erholen.""

    Von heute auf morgen klappt das allerdings nicht …

    "Von der Geburt der Schildkröten bis zu ihrer Geschlechtsreife vergehen 35 Jahre. So lange dauert es dann auch, bis ein dezimierter Bestand wieder zunimmt, nachdem er unter Schutz gestellt wurde."

    Sebastian Troeng spricht von guten Nachrichten nicht nur für die Suppenschildkröte, sondern für den Artenschutz überhaupt:

    "Man hört sehr selten davon, dass sich eine bedrohte Art wieder erholt. Doch jetzt sehen wir: Artenschutz zahlt sich aus, wenn man ihn konsequent durchhält! Die Grüne Meeresschildkröte ermutigt uns, in unseren Bemühungen für gefährdete Arten nicht nachzulassen."

    Eine bedrohte Art wird die Grüne Meeresschildkröte gleichwohl fürs erste bleiben. Global gesehen nimmt der Bestand der Tiere noch immer ab. Denn die meisten ihrer Nistplätze sind noch nicht so lange - und auch nicht so streng - geschützt.