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Anziehungspunkt für Schlachtenbummler

Jedes Jahr um den 18. Juni herum wird die Schlacht von Waterloo aus dem Jahr 1815 in dem kleinen belgischen Ort nachgestellt. Aber auch an den übrigen Tagen des Jahres zieht es Schlachtenbummler an die historische Stätte.

Von Nicole de Bock |
    "Waterloo ist sehr interessant, in erster Linie was seine Geschichte betrifft. Es ist, ich will nicht sagen chic, aber doch schön, in Waterloo zu wohnen."

    Waterloo liegt vor den Toren Brüssels, 15 Kilometer südlich. Die Einwohner der kleinen Gemeinde freuen sich, so nah an Brüssel zu wohnen und doch mitten in der Natur. Etienne Claude vom Fremdenverkehrsamt in Waterloo:

    "Waterloo lebt teilweise vom Tourismus, aber auch die Nähe zu der Hauptstadt Brüssel ist wichtig. Viele Einwohner gehen jeden Tag nach Brüssel arbeiten. Waterloo ist ein wenig das ländliche Brüssel."

    "Die Leute kommen gezielt nach Waterloo für den Löwenhügel und für alles, was mit der Schlacht von Waterloo zu tun hat."

    Die Angestellte einer Gaststätte weiß genau, wem sie ihren Job geschichtlich gesehen zu verdanken hat: Napoleon Bonaparte, dem Kaiser Frankreichs, der 1815 Waterloo durch seine Niederlage auf den Feldern ringsherum berühmt machte. Waterloo ist nicht nur eines der wichtigsten touristischen Fleckchen Belgiens. Waterloo ist weltweit bekannt, weil nicht wenige Touristen von überall schauen kommen, wo ihre Großväter gegen Napoleon gekämpft haben. Oberhalb vom Touristenzentrum ist ein kleines Museum eingerichtet, das die Geschichte der Stadt erzählt.

    "Waterloo war bekannt weil es an einer wichtigen Straße zwischen Brüssel und Charleroi lag. In Waterloo gab es viele Straßenbauer, die Straßen im ganzen Land verlegten. Manche sind sogar bis nach Moskau gereist, um dort den Roten Platz zu pflastern. Hier sehen wir die Werkzeuge, die diese Arbeiter benutzten. Damals gab es etwa 70 Pflastersteinbetriebe in der Umgebung von Waterloo, die in den umliegenden Steingruben ihr Rohmaterial fanden."

    Auch die Straße, die Brüssel mit dem wichtigen Kohlenzentrum Charleroi verband, war gepflastert. Von Charleroi nach Frankreich war es nicht mehr weit: Napoleon muss gedacht haben, er könne das strategisch wichtige Brüssel über Charleroi und Waterloo im Nu erreichen. In der Kapelle im Zentrum von Waterloo wird aber jemand anderen für seinen Sieg geehrt. Marie-Jo Piette vom Touristenbüro:

    "Dies ist, was wir nennen die königliche Kapelle. Die Kirche dahinter wurde danach gebaut, aber als die Schlacht von Waterloo war 1815, war diese Kapelle schon da. Also wenn wir hier reinkommen in die königliche Kapelle, sehen wir eine Marmorbüste des Herzogs von Wellington. Hier an der Wand ist eine Gedenktafel der britischen Offiziere, die am 16., 17., 18 Juni 1815 gefallen sind bei der Schlacht von Waterloo."

    Der Graf von Wellington führte die alliierten Truppen an, die Napoleon schließlich zu Fall brachten. In der ehemaligen Postkutschenhalte, später Herberge, gegenüber der Kapelle wurde das Wellington Museum untergebracht.

    "Quartier général du Duc de Wellington 1815", liest man an der Tür. Das Museum zeigt neben alten Waffen auch Gemälde der Protagonisten dieses Krieges, große Panoramabilder oder auch interessante Detailbilder der Schlacht. Auf einem Plan des Schlachtfeldes bekommt man einen Überblick über das Ausmaß der Katastrophe.

    "Napoleon war auf die Insel Elba verbannt worden. Mit dem Wiener Kongress, auf dem großen Nationen vertreten waren, wurde über Frankreichs Los entschieden. Die Mächte diskutierten darüber , wie Frankreich verteilt werden sollte unter Preußen, Österreich, England, Spanien und so weiter. Just zu dieser Zeit war es Napoleon gelungen, von der Insel Elba zu flüchten. In seinem sogenannten 100-Tage-Feldmarsch konnte er seine große Armee wieder aufbauen und bis nach Waterloo vordringen."

    Etwa 180.000 Soldaten waren insgesamt in den Kampf involviert. Zuerst waren die alliierten Truppen und Napoleons Armee etwa gleich stark. Dann am späten Nachmittag tauchte unerwartet die preußische Armee wieder auf, die Napoleon einige Tage vorher in die Flucht getrieben hatte.

    "Auf dieser Radierung sieht man den alten Feldmarschall Blücher, der wegen seiner Erfahrung extra für diese Schlacht angefordert worden war. Man sieht die Atmosphäre während der Schlacht, überall liegen Tote auf dem Boden. In dieser schrecklichen Schlacht gab es 35.000 Tote und Verwundete an einem Tag. Das ist sehr, sehr viel."

    Dank der preußischen Armee war Napoleons Mannschaft nun zahlenmäßig stark unterlegen.

    "Napoleon kämpfte den ganzen Tag lang gegen die Armee der Alliierten in Waterloo. Er hat verloren, das war seine letzte Schlacht und seine letzte Niederlage.

    "Oh ! Das ist schon eindrucksvoll, wenn man reinkommt. Man sieht Wellington hier an seinem Büro stehen. Er schreibt hier den Siegesbericht der Schlacht von Waterloo. Also, es sieht schon sehr echt aus. Sie sehen, er schreibt mit der Feder, so wie man damals schrieb, den Siegesbericht von Waterloo, daher auch wahrscheinlich der Name Schlacht von Waterloo, weil er den Siegesbericht hier geschrieben hat in diesem Gasthof."

    Das eigentliche Schlachtfeld liegt etwa fünf Kilometer vom Stadtzentrum Waterloos entfernt.

    Der Ort wird markiert durch den Butte du Lion, den Löwenhügel, ein 40 Meter hoher Hügel, auf der ein mächtiger Löwe als Zeichen des Sieges warnend Richtung Frankreich guckt. Am Fuße des Hügels kann man in einem Wachsmuseum noch mehr quasi lebensechte historische Figuren bestaunen. Ein Ehepaar aus Erlangen:

    "Wir haben gerade das Museum hier besucht, das Wachskabinett und haben Blücher, Wellington und natürlich Napoleon und seine Generäle angeschaut, um das Bild zu vervollständigen, was wir oben vom Butte du Lion hatten, weil: Da fehlten die ja. Und dann sind wir rumgefahren, und dann haben wir uns also die verschiedenen Schlachtfelder angeschaut. Und dann haben wir eigentlich gedacht, dass Frieden besser ist als Krieg."

    "Wir sind über die Felder gefahren, die jetzt wieder so ruhig und friedlich daliegen, und wenn man das überlegt, was da Blut drunter ist und Knochen und alles Mögliche, dann wird es einem schon ganz anders. Ich fand es sehr bewegend und vor allem immer wieder die Erinnerung: Nie wieder Krieg!"

    Wenn man die vielen Stufen des Löwenhügels erklommen hat, wird man mit einem wunderbaren Ausblick über mehrere Hektar Felder und Wiesen belohnt. Das war also das Schlachtfeld, auf dem Europas Schicksal damals besiegelt wurde. Ein amerikanisches Ehepaar weiß genau Bescheid:

    "Wir sind auf dem Löwenhügel, wo Napoleon 1815 die Niederlage erlitt. Und man kann sich die Armeen vorstellen, die Preußen, die Engländer, die Belgier. Sie alle kämpften gegen Napoleon, weil sie Europa bewahren wollten. Das ist gelungen."

    "Hier oben auf dem Löwenhügel kann man Wellingtons Strategie gut begreifen. Er stand mit einer kleinen Mannschaft oben auf einer Anhöhe und hatte den Rest seiner Armee dahinter versteckt. Der Feind, also Napoleon, konnte die Soldaten zuerst nicht sehen und war überrascht, als sie dann aus ihrem Versteck stürmten. Napoleon wurde zurückgedrängt."


    Auf einem riesigen kreisförmigen Panoramagemälde in einem Gebäude neben dem Löwenhügel bekommt man ein eindrucksvolles Bild von der Schlacht um etwa vier Uhr mittags. Napoleon ist auf seinem weißen Pferd gut zu erkennen. Der Lärm des Krieges ist ohrenbetäubend!

    Mit einem offenen Lastwagen, extra umgebaut für Touristenfahrten, kann man es sogar von Nahem betrachten, das Schlachtfeld von Waterloo. Im Audiotour erfährt man, wie die Schlacht sich von Stunde zu Stunde entwickelte:

    "Stellen sie sich vor: Wir haben den 18. Juni 1815. Wir befinden uns genau dort, wo der Herzog von Wellington seine Verteidigungslinie aufgebaut hatte."

    Waterloo ist wohl für immer mit der letzten Schlacht Napoleons untrennbar verbunden. Um die napoleonische Zeit eindrucksvoll lebendig zu halten, organisiert die Gemeinde Paraden, bei denen die Uniformierung der an dem Kampf beteiligten Armeen genauestens respektiert wird. Etienne Claude:

    "Jedes Jahr wird um den 18. Juni herum die Schlacht erdacht. Mehr als 1000 Soldaten schlagen hier dann ihre Zelte in den Feldern auf, genau so wie früher. Man kann beobachten, wie die Verwundeten damals versorgt wurden, oder man kann Napoleon bei einer Mahlzeit zuschauen. In den verschiedenen Museen werden besondere Führungen organisiert. Das Wichtigste aber sind die Schlachtszenen, die nachgestellt werden. Mit etwa 1000 Soldaten sieht das sehr beeindruckend aus. Den Zuschauern wird deutlich gemacht, wie schwer es die Soldaten hier hatten."