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Apollinaria Sujewa: Königsberg - Kaliningrad. Sprich doch mit mir, Du meine Stadt...

Seit 1945 wird es auch in Königsberg gesungen - das Lied von der russischen Erde. Das heißt jedoch schon lange nicht mehr, die Vergangenheit einfach auszublenden. Im russischen Ostpreußen hat man erkannt, wie wichtig das Gestern für das Morgen ist. So gab denn auch die Schriftstellerin Apollinaria Sujewa ihrem jetzt in zweiter Auflage im Geest-Verlag erschienenen Buch den Titel: "Königsberg - Kaliningrad. Sprich doch mit mir, Du meine Stadt". Mit ihrer Lyrik baut Apollinaria Sujewa Brücken zwischen zwei Völkern, die sich nach Jahrzehnten der Abschottung wieder begegnen in einem Ort wie Rossitten auf der Kurischen Nehrung, der heute übrigens Rybatschij heißt - und in dem, heute wie damals, Vögel beringt werden auf ihrer langen Reise von Kontinent zu Kontinent.

    ROSSITTEN

    Des Haffes Spiegel wiederholt den Sonnenaufgang. Das Meer versprüht den Glanz des Sonnenuntergangs. Unten, unter Vogelflügeln, wiegt sich Rossitten, ein Bernsteintropfen auf schmaler Hand.

    Wir sind die Vögel, Rossitten, die ewigen Vögel, deine entflogenen Kinder, Rossitten. Wir kehren zurück zu den früheren Nestern, getrieben von heiligem Himmelsinstinkt.

    In andren Paradiesen wuchsen unsre Jungen auf. Was bedeutet ihnen dieser ferne Name - Rybatschij? Doch die Tochter, auf dem Fluge nach Rossitten, neigt das sonnverklärte Antlitz überm Kreuz.

    Und die Zeit ist machtlos und das Schicksal kraftlos vor dem Sinn, den niemand zu benennen weiß. Wie ein Ring legt sich Rossitten um das Herz. ... Auf, zur Vogelwarte - schließen wir den Ring!