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Audiosoftware erkennt Erdbeben

Wie heißt der Interpret bloß? Früher musste man bis zum Ende des Songs warten und darauf hoffen, dass der Radiomoderator es verrät. Heute gibt es dafür eine App. Das Handy vor die Lautsprecher gehalten und schon erscheint der Name des Songs. Jetzt planen Forscher eine ähnliche Software für ein anderes Feld zu nutzen. Sie wollen präziser und schneller Beben aufspüren.

Von Haluka Maier-Borst | 07.12.2015
    Ein Laptop mit Social Media Icons auf dem Bildschirm, dahinter Menschen auf der Rollstreppe eines Einkaufszentrums in Hamburg.
    Forscher haben jetzt sogar eine App für das Aufspüren von Kleinstbeben entwickelt. (picture alliance / dpa / Axel Heimken)
    Was hat der Song "Hello" von Adele mit diesem unangenehmen Geräusch zu tun, das Erdplatten von sich geben, wenn sie aneinander reiben.
    "Wir suchten nach Methoden, um effizient kleine Beben aufzuspüren. Und da kamen wir plötzlich auf die Idee, so etwas wie die Shazam-App zu entwickeln. Dieses Programm sucht ja nach Ähnlichkeiten in Tonaufnahmen und sagt dem Nutzer dann, welcher Song gerade im Radio läuft. Und weil Tonspuren und seismische Aufzeichnung, diese Wellenform beide haben, dachten wir: Ok vielleicht ließe sich so etwas auch für das Aufspüren von Kleinstbeben programmieren. "
    Das ist die Idee von Clara Yoon von der Stanford University. Allerdings legt die Forscherin nicht einfach ihr Smartphone auf den Boden und horcht nach Bewegungen im Untergrund. Die Beben, die sie mit ihrer Software sucht, sind kaum spürbar. Manche von ihnen erreichen nicht einmal die Stärke Eins auf der Richterskala.
    Kleine Beben- große Wirkung
    Und so braucht Clara Yoon feinste seismische Messgeräte, um die minimalen Bewegungen zu registrieren. Kleine Beben, die verraten können, wo genau Erdplatten verlaufen.
    "Sie können uns die genaue Form von Bruchlinien in der Erdkruste zeigen und mitunter finden wir sogar Bruchlinien, die wir gar nicht kannten."
    Clara Yoon hatte allerdings zunächst Zweifel, ob ihre Methode wirklich funktionieren würde. Denn schließlich sind Popsongs wesentlich länger und vielschichtiger als die seismischen Wellen, die nur wenige Sekunden andauern. Doch als die Geophysikerin die Daten einer Messstation in Kalifornien analysierte, war sie verblüfft.
    "I am surprised that it actually works."
    140 Mal schneller
    Das Programm fand im Datensatz 89 Beben. Viele davon hatten andere Forscher bei ihren bisherigen Auswertungen sogar übersehen. Vor allem war Clara Yoons Algorithmus unglaublich effizient. Innerhalb von zwei Stunden hatte das Programm die Messungen einer ganzen Woche analysiert. 140 Mal schneller als mit der bisherigen Methode.
    Doch zugleich zeigten sich im Test auch Schwächen des Programms. Drei der Beben, die offiziell registriert worden waren, hatte der Algorithmus nicht erkannt.
    "Das lag daran, dass wir nur den Datensatz einer Woche hatten. Unser Algorithmus basiert aber darauf, dass er zwei Mal ein ähnliches Auf und Ab-Muster registriert und das dann als Erdbeben erkennt. Wenn aber ein Beben mit bestimmtem Muster innerhalb der Woche nur ein Mal passiert, kann die Software das Beben nicht als solches erkennen."
    Clara Yoon will nun mit größeren Datensätzen arbeiten, die von verschiedenen Messstationen kommen. Stimmt ihre Annahme, so wird in diesen Experimenten der Algorithmus noch deutlicher seinen Schnelligkeitsvorteil ausspielen können. Der Anteil der unentdeckten Beben sollte zudem zurückgehen.
    Langfristig hofft die Forscherin, dass ihre Software an möglichst vielen Messstationen zum Einsatz kommt. Dort soll sie dann dabei helfen, Erdbeben genauer als bisher zu erforschen. Und mitunter auch Beben, die der Mensch verursacht hat.
    "Unser Programm sollte auch gut darin sein, Beben zu erkennen, die Menschen verursachen. Also beispielsweise durch Bohrungen nach Gas oder Öl. Dabei sind die Bewegungen im Untergrund sehr gering und genau diese könnte unser Programm erkennen."