Montag, 29. April 2024

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Appell von Münchens Zweitem Bürgermeister
Umweltzone fortschreiben - "kurzfristig wirkend, gerecht"

München führt die Liste stickoxidbelasteter Städte an. Josef Schmid, Zweiter Bürgermeister der Stadt, spricht sich im Dlf stark für die Umweltzone aus: "Das wäre die Maßnahme, die gerecht ist, weil sie auch Verlässlichkeit insbesondere für die Wirtschaft, aber auch für die Anwohner darstellt."

Josef Schmid im Gespräch mit Mario Dobovisek | 18.05.2018
    Ein Autoauspuff und daneben eine blaue Umweltplakette
    Josef Schmid (CSU) bevorzugt für München ein Modell mit verschiedenen Plaketten. (imago stock&people)
    Dobovisek: München: helle Fassaden, akribisch gepflegte Parks, saubere Straßen. Das ist das Bild, das viele von Bayerns Landeshauptstadt haben. Da wollen die Zahlen des Umweltbundesamtes nicht so ganz ins Bild passen, dessen Liste mit stickoxidbelasteten Städten führt München nämlich an. Bei 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft liegt der Grenzwert, und München hat diesen Wert nicht nur überschritten, sondern im vergangenen Jahr im Durchschnitt sogar verdoppelt. Bei aller bajuwarischen Schönheit gibt es in München also ziemlich dicke Luft, in anderen Städten wie in Hamburg deshalb auch erste Fahrverbote. Seit gestern mahnt die EU-Kommission nicht mehr bloß, sondern verklagt mehrere Mitgliedsstaaten, darunter auch Deutschland. Der Bund, die Länder, die Kommunen, die Industrie - alle müssten nun gemeinsam handeln, sagt Bundesumweltministerin Svenja Schulze von der SPD bei uns in den "Informationen am Morgen".
    O-Ton Svenja Schulze: Ich glaube, jeder, der jetzt meint, man könne das einfach aussitzen, der riskiert Fahrverbote, und das wird jetzt sehr, sehr deutlich werden. Und wenn man die nicht will, dann muss man jetzt was tun, und dann sag ich als Umweltministerin: Das Einfachste ist, dann wirklich technisch nachzurüsten.
    Dobovisek: Bundesumweltministerin Svenja Schulze also bei uns im Deutschlandfunk. Zurück nach München, am Telefon begrüße ich dort Joseph Schmidt, CSU-Politiker, Zweiter Bürgermeister Münchens, dort für das Wirtschaftsressort verantwortlich, und im Stadtrat leitet er außerdem unter anderem den Umweltausschuss. Guten Tag, Herr Schmid!
    Josef Schmid: Ja, ein herzliches Grüß Gott!
    Dobovisek: Die Bundesregierung streicht mehr oder weniger die Segel, spielt den Ball vor allem in das Feld der Industrie, wir haben es gerade gehört. Macht es sich die Bundesregierung damit aus kommunaler Sicht zu einfach?
    Schmid: Naja, also wir stehen ja offensichtlich jetzt unter Handlungszwang. Die EU-Kommission hat die Bundesrepublik Deutschland verklagt. Wir haben hier bereits Vollstreckungsurteile des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs. Also insofern zieht jetzt Woche für Woche, Monat für Monat ins Land, wo eigentlich nichts passiert, und insofern weiß ich nicht, inwieweit wir noch lange zuwarten können, bis tatsächlich eine Nachrüstung durch die Industrie erfolgt.
    Kurze Übergangsfrist für Umweltsünder
    Dobovisek: Das kann ja nicht das Allein-Allheilmittel sein, das haben wir nun inzwischen auch gelernt. Was soll die Bundesregierung also jetzt tun?
    Schmid: Also wir schlagen seit langem, und das ist in München auch ganz parteiübergreifend der Fall, vor, dass wir die Umweltzone fortschreiben. So, wie das vor einigen Jahren in München im Hinblick auf den Feinstaub passiert ist, nämlich eine Lösung mit entsprechenden Plaketten, eine Lösung, die verhältnismäßig ist, weil sie abgestuft ist. Das heißt, diejenigen, die am meisten zur Umweltverschmutzung beitragen, die bekommen eine kurze Übergangsfrist. Die, die zu einer mittleren Verschmutzung beitragen, eine mittlere Übergangsfrist, und die, die sauber sind, dürfen schon jetzt dauerhaft einfahren. So eine Lösung bräuchten wir …
    Dobovisek: Nun sagte ihr Parteifreund und Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer ja klar, keine Fahrverbote, keine blaue Plakette, Punkt, Aus, Ende. Wie wollen Sie sonst schnell die Luft in München besser klar kriegen?
    Schmid: Wir glauben, dass es die beste Lösung ist, wenn wir diese Fortschreibung der Umweltzone bekommen, denn Fahrverbote pauschaler Art, die kann uns das Gericht bescheren. Wir warten jetzt nur noch darauf, was das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts genau sagt, da rechnen wir jeden Tag mit dem Eingang der Urteilsgründe. Und dann kann es tatsächlich schon so weit sein, dass uns das Heft des Handelns aus der Hand genommen wird, dann kommen tatsächlich pauschale Einfahrverbote, und die sind unberechenbar. Die treffen, die schlagen am schwersten ein, da können wir mit Verhältnismäßigkeit wenig machen.
    Dobovisek: Aber selektive Fahrverbote sind auch Fahrverbote, und die will Berlin offensichtlich nicht.
    Schmid: Ja, wir glauben, dass wir einfach besser fahren würden mit diesen Regelungen. Es ist auch so, dass unsere Kontakte in der Münchener …, mit denen wir sprechen, auch sagen, lasst uns bitte die Klarheit haben über die (Anm. der Redaktion: Aufgrund der schlechten Telefonleitung war der Interviewpartner hier leider unverständlich) Fortschreibung der Umweltzone, und deswegen bleiben wir bei diesem Vorschlag.
    Landshuter Allee "regelmäßig die Messstelle mit den höchsten Belastungen"
    Dobovisek: Wir drohen gerade, Sie ein bisschen zu verlieren mit Ihrem Mobiltelefon. Vielleicht drehen Sie sich noch ein bisschen mehr zum Fenster, damit wir Sie besser verstehen können. Ist denn die Klage der EU aus Ihrer Sicht hilfreich?
    Schmid: Also sie war abzusehen, wir sind nicht sonderlich überrascht. Das war klar, das hat sich angedeutet. Ob jetzt dadurch nochmal ein weiterer Druck erhöht wird, das werden wir sehen. Wir haben, wie gesagt, ja auch bayerische Gerichte und das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, also wir müssen jetzt wirklich bald was tun.
    Dobovisek: Wo ist denn die Münchener Luft im Moment am dicksten?
    Schmid: Wir haben natürlich vielbelastete Straßen wie zum Beispiel unseren Münchener Ring, Landshuter Allee, das ist regelmäßig die Messstelle mit den höchsten Belastungen. Wir haben in München ansonsten (…) Berechnungen der Stickdioxidbelastungen, und wir haben jetzt aber auch nachgemessen und festgestellt, dass es doch an einigen Stellen besser ist als gedacht.
    Dobovisek: Was tun Sie dagegen?
    Schmid: Wir haben natürlich eine ganze Reihe von Maßnahmen, die mittel- und langfristig wirken, das ist natürlich auch das, was bei uns auf der Agenda ganz oben steht, weil das tatsächlich dann nachhaltig zu Verbesserung beiträgt. Also wir haben eine riesige ÖPNV-Ausbauoffensive, 5,5 Milliarden Investitionsvolumen in vier neue U-Bahnen, zwei Straßenbahnen. Wir sind dabei, mit dem größten kommunalen Förderprogramm zur Förderung der Elektromobilität jetzt auch Meilensteine zu setzen. Aber es ist klar, das passiert nicht von heute auf morgen, da braucht man einige Jahre, bis das wirkt.
    Dobovisek: Unter dem Druck eines Bürgerbegehrens hat der Münchener Stadtrat vor einem Jahr versprochen, den Autoverkehr mit Verbrennungsmotoren bis 2025 zu halbieren. Bislang gebe es bloß Lippenbekenntnisse, kritisieren unter anderem die Grünen im Stadtrat. Es werde über mehr Parkplätze in der Innenstadt und breitere Straßen geredet statt umgekehrt. Wie passt das zusammen?
    Schmid: Naja, die Grünen hätten einfach gern die City-Maut, die wir einfach aus sozialen Gründen ablehnen. Denn dann kann nur noch der in die Stadt fahren, der sich das leisten kann, und nicht mehr der, der wirklich rein muss.
    Dobovisek: Man kann ja auch mit der U-Bahn fahren oder mit dem Fahrrad.
    Schmid: Natürlich, wir bauen den Fahrradverkehr massiv aus, wir haben die Pauschale zum Ausbau deutlich erhöht zum Anfang der Legislaturperiode. Und, wie gesagt, wir haben das größte U-Bahn-Planungsprogramm seit Jahrzehnten in München, aber das sind natürlich Maßnahmen, die dauern, das ist klar.
    Verlässlichkeit und Planbarkeit für Wirtschaft und Anwohner
    Dobovisek: Ja die Maßnahmen dauern, das räumen Sie selber ein, die Bundesregierung bewegt sich momentan wenig, die Industrie noch weniger. Also, ergo, wir warten auf das erste gerichtliche Fahrverbot, und das könnte tatsächlich München treffen, weil München sehr stark belastet ist. Wollen Sie das in Kauf nehmen?
    Schmid: Ich sag ja gerade, wir haben unseren Vorschlag gemacht, der ist, nämlich die Umweltzone fortzuschreiben. Das wäre eine kurzfristig wirkende Maßnahme, und das wäre die Maßnahme, die gerecht ist, weil sie auch Verlässlichkeit und Planbarkeit, insbesondere für die Wirtschaft, aber auch für die Anwohner, für die Mobilitätseingeschränkten, darstellt, und darauf setzen wir, und ich gehe davon aus, dass, wenn es jetzt wirklich hart auf hart kommt, dass sich diese Erkenntnis dann auch überall durchsetzt.
    Dobovisek: Und wie wollen Sie die Sauberen von den Stinkern unterscheiden? Mit der blauen Plakette?
    Schmid: Mit verschiedenen Plaketten, je nach Grad der Umweltverschmutzung, die vom jeweiligen Fahrzeug ausgeht. So, wie wir das in München schon einmal erfolgreich bei dem Kampf gegen den Feinstaub gemacht haben. In München hat das wunderbar geklappt, wir haben kein Feinstaubproblem mehr in München, das ist in anderen Städten anders. Stuttgart beispielsweise hat nach wie vor ein Feinstaubproblem. Wir nicht, weil dieses probate Mittel damals gut gegriffen hat, und vor allem auch den Wirtschaftsverkehr entsprechend geschont hat. Also das ist wirkliche eine gute Lösung.
    Dobovisek: Josef Schmid ist Zweiter Bürgermeister in München. Ich danke Ihnen für das Interview!
    Schmid: Ja, danke Ihnen, schönen Tag noch!
    Dobovisek: Ebenso!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.