Freitag, 17. Mai 2024

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Apropos Klonen

I am very, very pleased to announce, that the first baby clone is born. She is fine, we call her Eve.

Grit Kienzlen | 02.11.2003
    Sie: "Ich habe die Ehre anzukündigen, dass das erste Klonbaby geboren wurde. Wir nennen sie Eva." - Von wegen. Das war keiner.

    Er: Kein was?

    Sie: Kein Klon, oder besser gesagt keine Klonin? - War ja ein Mädchen.

    Er: Klingt wie Klingonin. Aber was war sie dann?

    Sie: Na ein Mädchen. Ein ganz normales. Letztes Jahr Weihnachten; diese Ufo-Sekte mit der Französin - wie hieß die wieder?

    Er: Brigitte Bardot?

    Sie: Brigitte Boissellier. Genau. War alles Humbug. Bluff. Kein Klon.

    Er: Aber warum wollen sie's dann jetzt verbieten, international und alles, wenn's doch gar keine Klone gibt.

    Sie: Das kommt ja jetzt.

    Sie: Die Raelianer, also die Leute von der UFO-Sekte, die meinen, wenn Sie einen klonen, dann ist er wiedergeboren. Und die Auferstehung von Jesus war in Wirklichkeit auch ein Klon, sagen sie. Aber das ist Blödsinn.

    Er: Das mit Jesus?

    Sie: Na das sowieso, aber auch weil Klonen was ganz anderes ist.

    Er: Na komm, sag's schon. Du willst es doch unbedingt loswerden.

    Sie: Nee.

    Er: Och komm, ich bin doch total gespannt - nee ehrlich, ich will's wirklich wissen. Was ist Klonen?

    Sie: Klonen ist zum Beispiel wenn man die Erdbeerpflänzchen teilt und dann zwei gleiche hat.

    Er: Na, du bist ja süß. Und wie geht das bei den Menschen?

    Sie: Bei Tieren gibt's so was auch. Korallen zum Beispiel. Die sprossen einfach an einer Stelle aus dem Polypen aus und dann gibt es zwei davon.

    Er: Gut, aber bei Menschen kann das ja wohl nicht sein.

    Sie: Nein. Beim Menschen müsste man es machen wie bei dem Schaf Dolly und bei all den geklonten Mäusen und Kühen und Schweinen und Ziegen. Man bräuchte eine Zelle von dem Menschen, der geklont werden soll und den Zellkern daraus mit all den Chromosomen, den müsste man in eine Eizelle hineinbauen, die keinen eigenen Zellkern mehr hat. Das hast Du bestimmt auch schon mal im Fernsehen gesehen. Mit einer Nadel wird da etwas in eine große Zelle hinein gegeben.

    Er (beleidigt): Ja klar, kenn ich.

    Sie: Na ja, und das ist auch schon der Anfang von einem Klonmenschen. Manche sagen, das wäre gar kein neues Leben, sondern mehr so was wie eine Fortsetzung von einem Menschen, den es schon gibt. Aber das finde ich unsinnig. So ein Mensch hätte ja doch seinen eigenen Kopf. Ich habe eine ganze Menge Leute gefragt, die was vom Klonen verstehen. Und die sagen, bei ihren geklonten Tieren gibt es ganz schöne Unterschiede. Hier habe ich einen von denen, Professor Niemann heißt der und forscht an der Bundesanstalt für Landwirtschaft in der Nähe von Hannover:

    Ich glaube das, was man heute weiß, das Klone gar nicht so ähnlich sind, wie sie immer projiziert worden sind, die sind hoch unterschiedlich, auch im Verhalten, in der Mentalität. Man darf nie vergessen, dass sich ein Individuum eben aus der Genetik und der Umwelt zusammensetzt und die Umwelt ist mit Sicherheit unterschiedlich, auch im genetischen Bereich und ich sag mal im halbgenetischen, epigenetischen Bereich gibt es deutliche Unterschiede.

    Es gibt jetzt vor Kurzem eine Studie: Verhalten von geklonten Schweinen - deutliche Unterschiede, also wir müssen uns davon verabschieden, dass die alle gleich sind und alle das gleich denken, tun und machen, was ja auch immer so als Horrorszenario mit herangezogen worden ist.

    Er: Dann kann man gar keinen Einstein klonen?

    Sie: Na ja, wenn man sein Erbgut hätte, dann könnte man versuchen einen Menschen mit dem Erbgut herzustellen. Aber er wäre nicht Einstein. Christoph Rehmann-Sutter, ein Bioethiker aus Basel, der meint auch, es gibt gar keinen vernünftigen Grund jemanden zu klonen:

    Es wird ja immer gesagt, das sei eine Fortpflanzungstechnologie. Aber es gibt Alternativen. Ich habe keine Situation mir vorstellen können bis jetzt, wo ein Paar eine verständliche Motivation haben könnte, ein Kind zu klonen und es nicht zu adoptieren oder durch andere Fortpflanzungshilfsmaßnahmen zu einer Schwangerschaft zu kommen, außer die Idee einen Menschen kopieren zu wollen oder ein verstorbenes Kind wieder zum Leben zu erwecken, was aber Illusionen sind. Es kann sich niemand in seiner Persönlichkeit klonen, und es kann auch niemand ein verstorbenes Wesen wieder zum Leben erwecken mit Klonen.

    Er: Das ist ja langweilig.

    Sie: Findest Du? Also ich finde es ganz beruhigend.

    Er: Warum ?

    Sie: Wenn die Leute das mal verstehen, dann hören sie vielleicht auf, ständig mit dem Gedanken zu spielen. Arnold Schwarzenegger hat ja auch gesagt, er würde sich klonen lassen wollen. Das hat er sich so gedacht: Die Schwarzenegger-Klone übernehmen Amerika, einer für jeden Bundesstaat! Aber wenn man Menschen klonen könnte, dann wäre das erstmal nur ein Schwarzenegger-Kindergarten mit lauter eigenen Köpfen drin. Womöglich würden die sogar das Bodybuilding boykottieren.

    Er: Ich glaube, dass die Leute sich trotzdem klonen wollen würden. Einfach nur um mal zu schauen, was aus ihnen sonst so hätte werden können, unter anderen Umständen. Hat das eigentlich wirklich noch niemand versucht?

    Sie: Versucht wahrscheinlich schon. Diese Sekten-Leute bestimmt, aber Klonen ist gar nicht so einfach. Bei den meisten Tieren funktioniert es erst nach vielen Versuchen, und ganz viele von den geklonten Embryos und Föten und auch von den Jungtieren sterben. Wenn sie am Leben bleiben dann sind sie oft übergroß, die Organe funktionieren nicht richtig oder das Immunsystem ist schwach. Die Forscher sagen, das liegt daran, dass man eine erwachsene Zelle nicht so mir nichts dir nichts verjüngen kann. Das Erbgut da drin ist zwar im Prinzip gesund, aber es sind alle möglichen Markierungen dran, die sozusagen für den laufenden Betrieb wichtig sind, wie Lesezeichen. Wenn diese Zelle dann plötzlich Kern eines neuen Embryo wird, der das ganze Lebensprogramm steuern muss, dann stören die Lesezeichen. Man kann sie aber nicht einfach entfernen. Es gibt einen deutschen Biologen, der in Boston forscht, ziemlich renommiert, Rudolph Jänisch heißt er, der hat das untersucht, warum das Klonen so schwierig ist:

    Meiner Ansicht nach sind da momentan prinzipielle Barrieren. Sie können nicht gewährleisten, dass 30.000 Gene reprogrammiert werden. Das ist ein Zufallseffekt. Manche werden es und manche nicht, und es gibt ein Spektrum, ein kontinuierliches von totaler Abnormalität, die sterben ganz früh, zu welchen die länger leben. Natürlich gibt es da auch welche, die noch länger leben und vielleicht ein normales Alter erreichen. Aber eine Maus, die 30 Monate alt wird, heißt nicht, dass sie normal ist. Da muss man andere Kriterien einnehmen: Wie funktioniert das Gehirn von der Maus, das kann man gar nicht testen bei der Maus, wir haben keine Kriterien dafür

    Sie: Der Professor Jänisch glaubt auch, dass viele von den geklonten Tieren, die jetzt noch gesund aussehen, einfach zu jung sind, damit man die Schäden sieht. Man muss ein paar Jahre warten, bis all die Kühe und Schweine in ein Alter kommen, in dem die Schäden sichtbar werden. Auf der anderen Seite glauben die deutschen Klonexperten, dass sich der Erfolg beim Klonen wird deutlich steigern lassen.

    Niemann:
    Wenn Sie die Entwicklung gerade beim Rind sehen, da sind eigentlich die besseren Ergebnisse, die hier genannt worden sind, darauf zurückzuführen, dass eindeutig international gesehen wesentlich mehr Arbeitsgruppen auf dem Gebiet tätig sind. Das heißt, dass wesentlich mehr Kenntnis, mehr Wissen generiert worden ist und sich dadurch die Technologien sukzessive verbessert haben. Wenn wir das über Jahre betrachten und wir heute von 10, 15, 20 Prozent reden, dann ist das eine Entwicklung, die sich über die Jahre aufgebaut hat;

    Sie: Also mit 10, 20 Prozent meint der Professor Niemann von der Bundesanstalt für Landwirtschaft die Erfolgsraten beim Rinder-Klonen. Niemann hat auch noch einen Kollegen an der TU München. Eckhard Wolf. Auch der kann sich vorstellen, dass die technischen Probleme beim Klonen nicht so unüberwindbar sind:

    Das mag durchaus der Stand der Technik im Jahr 2003 sein, aber wir haben keine Ahnung, wie das sich in den nächsten Jahren entwickeln wird. Sie haben davon gehört, dass Hans Schöler eine Methode entwickelt hat, mit der es möglich ist, aus ES-Zellen Eizellen oder zumindest Eizell ähnliche Gebilde zu erstellen. Möglicherweise sind die für eine Reprogrammierung besonders gut geeignet oder können so modifiziert werden, dass sie besonders gut geeignet sind. Ich glaube, man kann über diese Effizienzfragen im Moment nicht sagen, was über lange Zeit gültig ist.


    Sie: Das mit den künstlichen Eizellen von Hans Schöler hat dieses Jahr für ziemlich viel Wirbel gesorgt; aus vielen Gründen. Einer war die Idee, dass die Klonexperimente beim Menschen ja unter anderem deshalb schwer zu machen sind, weil man dazu Eizellen von Frauen braucht, und die liegen nun mal nicht auf der Strasse. Wenn die künstlichen Eizellen zum Klonen brauchbar wären, was allerdings auch wieder fraglich ist, dann hätten die Kloner das Problem schon mal gelöst. Ein Problem werden sie aber nie lösen können.

    Er: Vielleicht kann ich das Problem ja lösen!


    Sie: Darf ich jetzt auch mal was sagen? Du kriegst beim Klonen von jeder neuen Tierart neue Schwierigkeiten. Mit der Ratte hat es erst vor ein paar Wochen funktioniert. Mit Affen und Hunden noch gar nicht. Harry Griffin führt das aus, der Direktor vom Roslin Institut, also dem Heimatstall von Dolly sozusagen. Übersetz mal.

    Ein großes Problem beim Menschen-Klonen ist die Übertragung von Experimenten am Tier, denn wir wissen ja bereits, dass wir bei jeder Art andere Schwierigkeiten lösen müssen. Das kann einfach die Dicke der Eizellwand sein, die die Manipulationen erschwert, wenn man die Zellkerne austauscht, oder es können noch fundamentalere Probleme sein wie beim Rhesusaffen. Wir können also nie wissen, ob es beim Menschen nicht wieder irgendeinen Kniff gibt, der den Erfolg beim Klonen schmälert oder gar die Entwicklung des geklonten Embryo beeinflusst. Und wir stellen an einen menschlichen Embryo höhere Ansprüche als an einen Kuh-Embryo. Von geklonten Kühen erwarten wir Gesundheit und eine gute Milchproduktion. Die Intelligenz der Kuh kümmert uns weniger. Deshalb wird die Übertragung der Technologie vom Tier auf den Menschen immer ein Schritt ins Ungewisse sein.

    Er: Ein Menschenexperiment wäre das dann.

    Sie: Hm. Deshalb ist sich auch die ganze Welt einig, dass man das nicht machen darf, auch die seriösen Forscher sind sich alle einig. Und Deutschland und Frankreich haben bei den Vereinten Nationen ihren Vorschlag für ein internationales Klonverbot eingebracht.

    Er: Aber was, wenn jetzt doch jemand diese Menschenexperimente machen würde, und nehmen wir an, es würde irgendwann nach vielen Fehlversuchen mit toten und kranken Kindern und so weiter, würde es eine sichere Technik sein. Was wäre dann? Wären dann immer noch alle dagegen?

    Sie: Gute Frage. Da gehen die Meinungen bei den Leuten tatsächlich schon auseinander. Eben weil man nicht ausschließen kann, dass das Menschen-Klonen irgendwann doch funktioniert, meinen die einen, man braucht schon auch moralische Gründe für ein Verbot. Eckhard Wolf zum Beispiel:

    Man kann die Argumentation, das Klonen von Menschen zu verbieten, auf keinen Fall nur auf naturwissenschaftliche Gegebenheiten gründen; diese Argumente sind nur so lange gültig bis jemand das Gegenteil beweist. Von daher: Ich lehne das Klonen von Menschen strikt ab, und zwar in erster Linie aufgrund von ethisch-moralischen Gesichtspunkten.

    Sie: Interessanterweise hört man viele verschiedene moralische Gründe, warum man nicht klonen darf. Wolfs Argument ist:

    Weil ich finde, dass dann wirklich eine Instrumentalisierung des Menschen passiert ist. Geklont wird ein Mensch dann zu einem ganz bestimmten Zweck, und das ist in meinen Augen in hohem Maße unethisch.

    Er: Aber wieso denn? Wenn ich jetzt sage, ich will Klonen einfach nur als Technik benutzen, um ein genetisch eigenes Kind zu bekommen, weil ich vielleicht unfruchtbar bin - dann hat das Kind doch keinen fremden Zweck.

    Sie: So würden Leute, die das machen wollen sicher argumentieren. Tja. Der Bioethiker Christoph Rehmann Sutter sorgt sich deshalb eher, dass die Klone diskriminiert werden würden:

    Wenn wir so weit gehen, dass wir zwei unterschiedliche biologische Entstehungsformen, Reproduktionswege in der Größenordnung in die Wege leiten, wie das mit dem Reproduktiven Klonen der Fall wäre, dass man die sexuelle Fortpflanzung aufgibt für bestimmte Leute und eine Art Abzweig, also wie die Erdbeeren mit Ablegern sich fortpflanzen, als eine neue biologische Fortpflanzungsform wählt, dann habe ich größte Bedenken, dass die Betroffenen hier mit Stigmata versehen werden.

    Sie: Na und dann gibt es noch mal viele Leute, die sich sozusagen gegen den Eingriff in die Schöpfung wehren. Professor Jens Reich, sieht das so. Er ist Genetiker und einer von unseren Bioweisen im Nationalen Ethikrat:

    Die Intuition, die hinter den Entschließungen steht, ist: Es soll kein Mensch gemacht werden. Es soll keine produzierten, optimierten Menschen geben, als Produkt im Katalog und so weiter. Also das ganze in die Kommerzialität hinein - das ist die Intention.

    Sie: Alle Leute, die ich gefragt habe, sind also dagegen, mit der Klontechnik Menschen zu schaffen. Wegen der technischen Probleme, aber auch aus moralischen Gründen. Nicht alle sind sich allerdings sicher, dass die Menschen nach uns das auch noch so sehen werden. Heiner Niemann zweifelt daran.

    Ich bin ein bisschen vorsichtig, unsere herrschenden ethischen Regeln und Maßstäbe schon gleich als gültig zu projizieren auf die nächste und übernächste Generation. Das funktioniert normalerweise nicht. Und wenn sie sich die Literatur darüber anschauen - ich habe einiges darüber gelesen aus dem amerikanischen Bereich, Lee Silver beispielsweise -, die projizieren ganz klar, dass es das Klonen geben wird als Teil der "assisted reproductive technologies". Das heißt, ich würde mich dagegen wehren, dass man unsere heutigen ethischen Maßstäben festlegt für die nächste, übernächste Generation. Ich glaube, da gibt es einen großen Wandel, und wir können nicht ausschließen, dass in 20 Jahren die nächste Generation sagt: Warum haben die sich so aufgeregt, wir wollen das machen. Das kann man nicht ausschließen.

    Er: Na ja. Vielleicht sollten wir uns jetzt aber keinen Kopf darüber machen, wie Leute in Zukunft über etwas empfinden, was bis jetzt nicht mal funktioniert. Und wenn sich alle einig sind, dass das Klonen verboten werden soll, dann ist es doch gut.

    Sie: Leider nein.

    Er: Leider nein? Was heißt leider nein? Ich dachte wir sind jetzt endlich fertig mit dem anspruchsvollen Teil von diesem Treffen.

    Sie: Wieso? Du hattest doch erzählt, dich interessiert das alles. Und jetzt wird es eigentlich erst richtig spannend. Also. Es gibt einen ziemlichen Streit darüber, ab wann das Klonen verboten sein soll. Nicht hier in Deutschland, da ist das alles eh nicht erlaubt. Aber andere haben die ersten Schritte der Methode doch erlaubt. Forschungsklonen nennen sie das, oder auch Therapeutisches Klonen. Das hört sich so an, als sei es eine andere Technik, ist es aber nicht. Nur das Ziel ist anders. Beim Therapeutischen Klonen zerstört man den geklonten Embryo nach ein paar Tagen schon wieder, wenn er gerade erst eine Hohlkugel geworden ist, die Blastozyste heißt. Aber Eckhard Wolf, der ja selber Tiere klont, meint: Klonen ist Klonen:

    Ich meine, der basale Prozess, der abläuft, ist definitiv der gleiche. Bis zum Blastozystenstadium sind alle Vorgänge gleich, und der Unterschied ist eben, dass man beim Therapeutischen Klonen den Embryo in eine Kulturschale verbringen würde, um eben das Heranwachsen von ES-Zellen zu ermöglichen und dass man eben im Fall des Reproduktiven Klonens diesen Embryo auf eine Frau im richtigen Zyklusstadium übertragen würde. Ich sehe eben gerade darin die Gefahr, dass wenn man ein Therapeutisches Klonen auf breiter Basis realisiert, eigentlich auch der Dammbruch zum Reproduktiven Klonen realisiert wird.

    Sie: Beim Therapeutischen Klonen lernt man zumindest die ersten Schritte des Klonen, meint er, und dann wird es für Kriminelle um so leichter, den geklonten Embryo eben doch einer Frau einzupflanzen.

    Er: Aber wenn man damit doch Menschen helfen kann...

    Sie: Menschen helfen? Ach, du meinst, weil es Therapeutisches Klonen heißt? Na ja. Also das ist so eine Sache. Weißt Du, warum sie das Therapeutisches Klonen nennen?

    Er: Du wirst es mir bestimmt gleich sagen.

    Sie: Das hat mit den Stammzellen zu tun. Es gibt ja so eine Forschungsrichtung in der Medizin, wo man hofft, Leuten mit Diabetes oder Parkinson helfen zu können, indem man ihnen gesunde Zellen implantiert. Die Zellen kommen ursprünglich aus einem menschlichen Embryo im Blastozystenstadium und werden dann so verändert, dass sie die Funktionen des kranken Organs übernehmen. Die Idee von ein paar Leuten in Amerika war jetzt, dass man solche Zellen aus der geklonten Blastozyste eines Patienten gewinnen könnte, weil es dann genetisch gesehen, seine eigenen Zellen sind. Deshalb haben sie es "therapeutisch" genannt.

    Er: Na, aber dann hilft man doch Menschen damit.

    Sie: Na ja, also bis jetzt gibt es noch keine Therapie mit solchen Stammzellen. Darüber habe ich auch mit dem Harry Griffin vom Roslin Institut geredet. Der meint, man sollte das Thema Stammzellenforschung und das Thema Klonen schön auseinander halten. Dass man embryonale Stammzellen eines Tages in der Medizin einsetzen könnte, glaubt er nämlich. Aber dass man für jeden Patienten seine eigene Stammzellenkultur aus einem Klon herstellt, das sagt er, sei viel zu langwierig, unpraktisch und unbezahlbar. Und außerdem gibt es schon ein paar bessere Ideen, wie man verhindern könnte, dass das Immunsystem des Patienten die fremden Zellen abstößt.

    Griffin:
    Die Abstoßung des fremden Gewebes ist schon ein Punkt, an den man bei der Stammzellenforschung denken muss. Aber bei manchen Anwendungen ist es gar nicht so wichtig, das Immunsystem des Patienten zu unterdrücken; zum Beispiel wenn man Parkinson oder Schlaganfälle behandelt. Denn die Abwehrmoleküle aus dem Blut gelangen nicht ins Gehirn und können die fremden Zellen dort nicht angreifen. Bei anderen Anwendungen, wenn man Herzkrankheiten oder Diabetes behandeln möchte, könnte man die Stammzellen genetisch so verändern, dass sie für das Immunsystem des Patienten unsichtbar werden. Solche Ideen erscheinen uns sehr viel praktischer, als für jeden einzelnen Patienten einen Embryo zu klonen und daraus Stammzellen zu züchten.

    Er: Hattest Du nicht gesagt, manche Länder haben wegen der möglichen Therapien die ersten Klonschritte erlaubt? Warum erlauben sie das, wenn aus den Therapien so nichts wird?

    Sie: Das ist schwer zu verstehen. Finde ich auch. Ist wahrscheinlich das Ergebnis, wenn Forschung und Politik zusammen kommen. Politik, die Regeln festlegen muss, und Forschung bei der man nie weiß, wo sie hin läuft.

    Er: Und versuchen die Leute in diesen Ländern nun trotzdem Embryos zu klonen?

    Sie: In China versuchen sie es wohl. Sie behaupten auch, sie hätten es geschafft, aber darüber gibt es keine zuverlässigen Informationen; da bin ich jedenfalls nicht weit gekommen. In England ist das Therapeutische Klonen zwar erlaubt, aber wer es versuchen möchte, muss dafür einen Antrag stellen und nachweisen, dass es für seine Forschung eine besondere Notwendigkeit gibt.

    Er: Was heißt das denn? "Besondere Notwendigkeit"!

    Sie: Das ist Juristensprache, und bis jetzt weiß niemand, was es heißt, weil niemand so einen Antrag gestellt hat. Harry Griffin meint aber, man könnte so eine besondere Notwendigkeit vielleicht nachweisen, wenn man einen Menschen mit einer schweren Erbkrankheit klonen will, um dann an den Zellen die Ursachen für die Krankheit zu erforschen:

    Diesen Fall müsste man sehr sorgfältig rechtfertigen. Der mögliche Nutzen müsste klar erkennbar sein und die Behörde müsste dann beurteilen, ob diese besondere Notwendigkeit des Experiments rechtfertigt, das man dafür erst einen Embryo schafft, um ihn dann wieder zu zerstören. Wir glauben, dass man unter gewissen Umständen so argumentieren kann, vor allem, wenn es darum geht, schwere Erbkrankheiten zu untersuchen. Aber erst wenn jemand einen Antrag für so eine Lizenz stellt, dann haben wir den Testfall und erfahren, was die Behörden unter "besonderer Notwendigkeit" verstehen.

    Er: Ich glaube, ich brauche jetzt mal eine Pause. Hast du vielleicht auch was Nettes zu hören, was entspannendes?

    Sie: Okay, weil du's bist.

    Er: Ah. Ich merk' schon, wie sich meine Gehirnwindungen entknoten. Komm, entspann dich auch mal ein bisschen.

    Sie: Ich bin total entspannt.

    Er: Na gut.

    Sie: Wir sind auch noch gar nicht ganz fertig.

    Er: Ich schon. Fix und.

    Sie: Fertig? Das ist ja schade. Dann erfährst Du jetzt gar nicht mehr, worum es im Kern geht.

    Er: Ums Klonen?

    Sie: Nein. Um den Menschen, oder genauer, um den Embryo, um die verschmolzene Ei- und Samenzelle.

    Er: Das finde ich ein gutes Thema! Da mache ich noch mal mit!

    Sie: Blödmann! Und dafür bekommst Du jetzt was von dem Schweizer Bioethiker Christoph Rehmann-Sutter zu hören.

    Es wird natürlich, wenn man den Kerntransferembryo wirklich gleich behandelt wie den gezeugten Embryo, bei dieser Prozedur ein Embryo erzeugt mit der einzigen Absicht, aus ihm Zellen zu gewinnen und ihn nach fünf Tagen im Blastozystenstadium, wo es quasi eine Hohlkugel ist, zu zerstören, und das widerspricht natürlich schon einigem, was man in der Embryonenschutzdebatte bisher für richtig angenommen hatte: dass man keine Embryonen zu Forschungszwecken erzeugt oder auch nicht zu therapeutischen Zwecken erzeugt, sondern dass jeder Embryo einen Sinn in sich selber hat und nur dann erzeugt werden soll, wenn er auch weiter wachsen darf, wenn eine Schwangerschaft erzeugt wird.

    Sie: Siehst Du, das ist der Kern; dass man den geklonten Embryo bei uns gleich setzt mit einem gezeugten. Warum? Weil sie beide das Potential haben, ein ganzer Mensch, ein eigenes Individuum zu werden. Und deshalb werden sie im Gesetz auch geschützt. Dahinter steckt unsere christliche Werteordnung. Deshalb habe ich auch eine theologische Ethikerin, Eve-Marie Engels aus Tübingen danach gefragt. Wundere Dich nicht. Das Rauschen auf dem Band kommt von einem Springbrunnen im Hintergrund, es ist nicht so alt.

    Der Mensch beginnt entweder bei einer geschlechtlichen Vermehrung für mich mit der Befruchtung der Eizelle durch die Samenzelle oder bei Klonversuchen, in dem Moment wo die Fusion von Körpergenom und entkernter Eizelle geglückt ist und sich der Embryo zu entwickeln beginnt.

    Sie: Das ist also in Deutschland der Beginn des Lebens. Im Gesetz ist es noch genauer definiert. Da heißt es, geschützt ist jede - warte, hier habe ich es mir aufgeschrieben - "jede einem Embryo entnommene, totipotente Zelle, die sich bei Vorliegen der dafür erforderlichen weiteren Voraussetzungen zu teilen und zu einem Individuum zu entwickeln vermag." Als sie das Gesetz vor 13 Jahren geschrieben haben, dachten sie, sie hätten eine bombensichere und umfassende Definition gefunden.

    Er: Totipotenz!

    Sie: Ja, alles was das volle Entwicklungspotential hat.

    Er: Und woher weiß man, wann eine Zelle oder irgend so was totipotent ist?

    Sie: Schlaues Kerlchen! Das genau ist Haken Nummer eins an der Definition. Ob aus etwas ein ganzer Mensch werden kann, weiß man erst, wenn man es ausprobiert hat, also das Experiment macht, was gerade verboten werden soll. Dass das ziemlich dumm ist, gibt selbst unsere theologische Ethikerin Engels zu.

    Ich vermute mal, dass wir aus diesem Zirkel nicht herauskommen. Wenn man zeigen will, dass etwas nicht funktioniert, muss man es ja erst mal gemacht haben, das ist klar. Nur die Frage ist, ob wir in diesem Bereich so weit gehen sollten.

    Sie: Der nächste Haken ist, dass sich mehr und mehr herausstellt, dass eigentlich alle Zellen totipotent sind und sich in alle Zelltypen verwandeln können. Richtig klar ist das den Leuten geworden, als Hans Schöler - der in Philadelphia forscht - als der Eizellen aus Mäuse-Stammzellen gezüchtet hat. Hans Schöler sagt das auch selber, dass die Totipotenz einer Zelle kein Kriterium mehr sein kann dafür, ob sie schutzwürdig ist.

    Es wird früher oder später möglich sein, eine Körperzelle zu nehmen und die theoretisch wieder zu einem Organismus zu bringen und dass das zumindest mit dem Kern möglich ist, hat ja Ian Willmut gezeigt mit Dolly. Und von daher können Sie natürlich sagen: Jede Körperzelle ist potentiell in der Lage einen ganzen Körper zu machen, also ist das alles totipotent. Und dadurch wird das alles natürlich ad absurdum geführt, dann können sie mit dem Totipotenzbegriff nichts mehr anfangen. Da müssen Sie sich was anderes überlegen und da ist es nur konsequent zu sagen, der Begriff hilft uns bei unseren ethischen Diskussionen nicht mehr groß weiter.

    Sie: Das was er sagt, das gibt inzwischen auch unserer Bundesforschungsministerin Edelgard Bulmahn zu denken. Im Mai hat sie gesagt,

    dass also Begriffe wie Totipotenz, Pluripotenz, ihre Definitionssicherheit und Gewissheit, die sie vermitteln konnten und vermittelt haben in der Vergangenheit, die ja auch zur Begründung herangezogen sind für rechtliche Regelungen, wahrscheinlich so nicht aufrecht erhalten werden können.

    Er: Und was meinen deine Leute, wie man das sonst definieren soll, was man schützen möchte?

    Sie: Das ist tatsächlich gar nicht so einfach, weil das Potential ein Mensch zu werden, als Kriterium schwieriger wird. Und doch geht es ja ums Mensch sein beziehungsweise Mensch werden. Der Philosophieprofessor Ludwig Siep von der Uni Münster hat sich überlegt:

    Wäre es dann nicht ehrlicher diese Begriffe wie Totipotenz nicht anders zu verstehen, nämlich so zu verstehen, dass Totipotenz bedeutet, ein Embryo ist in einer Entwicklung zum Kind hin, und seine Entwicklung anzuhalten, wäre sozusagen ein äußerer Eingriff, eine äußere Störung. Während alles, was vor der Implantation ist, ja ständig unser aktives Handeln impliziert.


    Sie: Ludwig Siep, der übrigens in einigen Ethikkommissionen sitzt, der stellt also die Frage, ob man nicht sagen kann, der Embryo ist vor der Implantation zwar schon ein Mensch, und man darf nicht alles damit machen, aber er hat noch nicht die vollen staatlich garantierten Grundrechte. Das kommt der englischen Position recht nahe, wo man deshalb eben einen Antrag stellen kann, den Embryo vor der Implantation für hochrangige Zwecke zu zerstören. Siep sagt, er findet diese Haltung ehrlicher, weil er in Deutschland eine große Diskrepanz sieht zwischen den ethischen Richtlinien und dem, wie man in der Praxis mit Embryonen und Föten umgeht:

    Man muss dann aber immer damit leben, dass man in Deutschland ein bisschen hin und her schwankt zwischen den strikten verboten und den strikten Erklärungen und dem, was man dann wirklich tut. Und deswegen war es vielleicht ein Befreiungsschlag zu sagen, nun gucken wir doch mal, ob man die Begriffe nicht anders verstehen kann, so wie sie in anderen Ländern verstanden werden. In so vielen Religionen gibt es diese Stufentheorie der Beseelung, im Judentum, im Islam und im Christentum war es bis ins 19. Jahrhundert auch der Fall. Und ich glaube das kommt eben auch davon, dass es gewisse Evidenzen gibt, wie man damit umgeht. Natürlich ist ein Embryo, der nach vier Wochen abgeht, für einen normal erfahrenen Menschen nicht dasselbe wie einer, der im sechsten Monat abgeht.

    Sie: Den Gedanken hat auch unser Schweizer Philosoph aufgenommen.

    Er (im Schweizer Dialekt): Professor Rehmann-Sutter, oder.

    Sie: Ja. Und der will nun aber auch keine Grenze bei der Implantation setzen, sondern sich ganz von dem Potentialitätsargument trennen.

    Ich glaube man müsste offen ansprechen, dass es keine klare, eindeutig festlegbare Grenze, quasi einen 0-1-Einschaltvorgang der moralischen Schutzwürdigkeit gibt im Laufe der Embryonalentwicklung, dass der Embryo vielleicht auch in moralischer Hinsicht etwas ist, was wächst, wie er auch rein physisch wächst und sich differenziert; die Totipotenz war quasi ein Mittel, um zu sagen bis dahin sind Zellen totipotent, deshalb wie ein Embryo zu schützen und nachher sind sie nicht mehr totipotent, aber man hat immer versucht, etwas wie 0 und 1 festzulegen.

    Sie: Dann bleibt nur immer noch die Frage, wann das Leben beginnt und darauf hat er eine schöne Antwort:

    Leben beginnt gar nicht. Leben wird weitergegeben. Die Eizelle lebt, die Samenzelle lebt, selbstverständlich lebt der Embryo vom ersten Zeitpunkt an und auch vorher schon, es ist also gar nicht das Entstehen von Leben, was hier zur Debatte steht, sondern es ist vielmehr das Entstehen der Schutzwürdigkeit im Sinne einer Person, also die moralische Anerkennung oder die rechtliche Anerkennung als Rechtspersönlichkeit, also als Subjekt von Rechten geschützt zu werden und auch Ansprüche zu haben. Wenn wir so denken, dann denken wir immer schon von Beziehungen zwischen dem Embryo und uns her.

    Sie: Nur muss man sich dann halt immer noch überlegen, in welchen Schritten ein Embryo Rechtspersönlichkeit wird.

    Er: Bei einer natürlichen Zeugung muss man sich das aber nicht überlegen, oder? Da weiß man zu der Zeit doch noch gar nichts von dem Embryo.

    Sie: Stimmt.

    Er: Also dann möchte ich an dieser Stelle für Rousseau plädieren.

    Sie: Zurück zur Natur? Das hat er so aber bestimmt nicht gemeint. Damals gab's doch noch gar keine In-vitro- ...

    Er: Was Du nicht sagst.
    Menschlicher Embryo
    Menschlicher Embryo (AP)
    Das legendäre Klonschaf Dolly mit seinen im April 1998 geborenen Lämmern.
    Das legendäre Klonschaf Dolly mit seinen im April 1998 geborenen Lämmern. (Roslin Institute)
    Das in China geborene Klonkalb Bei Bei kam am 12. Oktober zur Welt.
    Das in China geborene Klonkalb Bei Bei kam am 12. Oktober zur Welt. (AP)