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Arabellion
Terrorismus in der Sahelzone

In der Sahel-Zone sind die negativen Folgen des "Arabischen Frühlings" deutlich zu spüren: Die gewaltsamen Konflikte in Mali, die ständige Terrorgefahr und Entführungen von Ausländern halten die Region in Atem. Die Regierungen der betroffenen Länder tun sich schwer mit einer gemeinsamen Strategie gegen den Terror.

Von Anne Allmeling | 18.01.2014
    Einen Minztee trinken, mit ein paar Bekannten schwatzen - viel mehr hat Sidi Ould Ahmed nicht zu tun. Der Tourguide hat es sich im Café Tunisie bequem gemacht. Es gehört zu den wenigen Cafés in der mauretanischen Hauptstadt Nouakchott, die überhaupt geöffnet haben. Wie jeden Tag wartet Sidi Ould Ahmed auf Besucher aus dem Ausland. Aber die kommen nicht.
    "Touristen gibt es hier fast gar nicht mehr. In den vergangenen Jahren hat sich alles geändert. Ich bin jetzt arbeitslos."
    Früher ist Sidi Ould Ahmed mehrere Male im Monat von Nouakchott nach Chinguetti gereist, ins Landesinnere, um ausländischen Gästen die Bibliotheken der alten Handelsstadt zu zeigen. Doch mittlerweile wagen sich nur noch wenige Touristen nach Mauretanien. Terroranschläge und Entführungen schrecken viele Ausländer von Reisen in die Sahel-Zone ab. Die Region südlich der Sahara gilt schon seit Jahren als Rückzugsraum für Terroristen. Seit dem Sturz des libyschen Machthabers Muammar Gaddafi hat sich die Sicherheitslage aber noch verschärft. Denn Tausende Tuareg und afrikanische Söldner, die sich in Libyen ihren Lebensunterhalt verdienten, sind in ihre Heimatländer zurückgekehrt - nach Mauretanien, Niger, in den Tschad und nach Mali. Ihre Waffen haben sie mitgenommen.
    "Es gab geradezu eine Flut von Waffen, aber das neue libysche Regime, der libysche Nationalrat, hat die Landesgrenzen nicht kontrollieren können."
    Sagt der marokkanische Politologe Mohammed Malki.
    "Die Waffen gelangten von Libyen über Niger bis nach Mali. Und diese immense Waffenflut hat die dschihadistischen Bewegungen ermutigt. Sie hat ihnen die Mittel für ihre Zwecke geliefert. Es gibt also eine direkte Verbindung zwischen dem Sturz des libyschen Regimes und den Ereignissen in Mali."
    Ein halbes Jahr nach dem Sturz Gaddafis war es den Tuareg-Rebellen und verbündeten Islamisten in Mali gelungen, den Norden des Landes unter ihre Kontrolle zu bringen. Zehntausende Menschen flohen vor ihrer Terrorherrschaft. Bereits seit Jahrzehnten war es immer wieder zu Konflikten gekommen, weil sich die Minderheit der Tuareg von der Zentralregierung in Bamako vernachlässigt fühlt. Die malische Armee konnte das Land erst mithilfe von französischen und afrikanischen Truppen wieder zurückerobern. Von echter Stabilität sei Mali aber noch weit entfernt, sagt Hamma Ag Mahmoud. Der ehemalige malische Arbeitsminister lebt seit gut zwei Jahren in Mauretanien und setzt sich für die Flüchtlinge aus Mali ein.
    "Bis heute gibt es keine Sicherheit. Kaum einer kehrt zurück. Und wer doch zurückkehrt, tut das auf eigene Gefahr. Die malische Armee ist nicht vernünftig ausgebildet, die UN-Blauhelme kontrollieren gar nichts, und die französischen Truppen noch viel weniger. Es gibt überhaupt keine Sicherheit."
    Anfang November wurden zwei französische Journalisten im Norden Malis verschleppt und ermordet. Immer wieder kam es in den vergangenen Wochen zu Anschlägen. In den Nachbarländern herrscht ebenfalls Alarmbereitschaft. Denn auch das Terrornetzwerk Al-Kaida im islamischen Maghreb hat sich an den Waffen aus Libyen bedient. Die Islamisten halten die Region in Atem - zum Beispiel mit dem Anschlag auf eine Erdgasanlage in Algerien, bei dem vor einem Jahr Dutzende Menschen getötet wurden. Doch Algerien und Marokko hätten es versäumt, gemeinsam gegen die Terroristen vorzugehen, sagt der Politologe Malki.
    "Leider waren die Maghreb-Staaten nicht in der Lage, eine gemeinsame Strategie zu formulieren, um den dschihadistischen Bewegungen etwas entgegenzusetzen. Zwischen Algerien und Marokko besteht eine Konkurrenz, eine gewisse Rivalität. Und das hat den Maghreb geschwächt."
    Die Tausende von Kilometern langen Grenzen zu sichern, bleibe eine der größten Herausforderungen für die Sahel-Staaten und ihre Nachbarn, meint Malki. Tourguide Sidi Ould Ahmed wünscht sich nichts mehr das - damit die Zeichen in der Sahel-Zone nicht mehr auf Terrorismus stehen, sondern auf Tourismus.
    "Cinguetti und Ouadane, die beiden alten Städte in der Region Atar – dort gibt es sehr, sehr, sehr viel zu sehen! Zum Beispiel die Höhlen-Malereien. Und die Wüste mit ihren Oasen. Das ist eine großartige Gegend für Touristen - und sie ist sehr schön!"