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Arabische Kalligraphie
Die ästhetische Seite des Islams

Die arabische Kalligraphie ist eine der wichtigsten Kunstrichtungen, die der Islam hervorgebracht hat. Unterschiedliche Kulturen haben die arabische Kalligraphie beeinflusst. Doch den Feinschliff bekam diese Kunstrichtung im Osmanischen Reich. Heute wird diese Kunst auch in Deutschland praktiziert und sogar an einer Universität unterrichtet.

Von Hüseyin Topel | 10.02.2016
    Ein Kalligraph vertieft sich in einen Vers des Korans.
    Murad Kahraman, der Kalligraphie-Meister, leitet einen Kurs der arabischen Schönschreibkunst am am Institut für islamische Theologie an der Universität Osnabrück (Hüseyin Topel)
    Murad Kahraman, der Kalligraphie-Meister, erklärt im Unterricht die ersten Schritte dieser arabischen Schönschreibkunst. Er leitet einen Kurs am Institut für islamische Theologie an der Universität Osnabrück. Man vermutet, dass der Ursprung dieser speziellen Kunstrichtung auf die Anfangszeit des Islams zurückgeht, sagt Murad Kahraman:
    "Es gibt keine konkreten Beweise, wann die erste Stilart ausgeübt wurde, aber man sagt um die Jahre 650-660 herum. Der vierte Khalif Ali war der erste bekannte Hattat, also Hat Künstler. Er hat die erste Stilart in Khufa ausgeübt und deswegen nannte man diese erste Stilart auch Khufi."
    Das Institut für islamische Theologie an der Universität Osnabrück ist bundesweit die einzige Hochschule, an der Studenten an Kursen für arabische Kalligraphie teilnehmen können. Martin Kellner ist hier Dozent am Institut für islamische Theologie. Er erklärt, warum gerade die Kalligraphie im Islam eine besondere Bedeutung hat:
    "Das Interessante ist, dass die arabische Schrift einige Parallelen mit der arabischen Sprache hat. Die arabische Sprache ist einfach. Sie ist sehr eloquent, sie ist sehr ausdrucksstark, sie ist sehr elastisch und sie ist wunderschön. Genauso ist die Schrift. Die Schrift besteht aus 28 Buchstaben. Sie ist leicht zu lernen. Auch ein Europäer lernt die arabische Schrift, wenn er sich bemüht in einer Woche. Sie ist wunderschön, sie ist biegsam, sie ist elastisch und sie drückt auch viel aus. Es gibt keine andere Sprache in der so hohe Form von Schönschrift entstanden ist, wie in der arabischen Kalligraphie."
    Die persönliche Beziehung zu Gott vertiefen
    Die arabische Kalligraphie als Kunstform ist aber erst im Islam entstanden. Sie hat sich aus der Beschäftigung der Muslime mit ihrem heiligen Buch, dem Koran, entwickelt und hat durchaus auch eine religiöse Bedeutung, so Martin Kellner:
    "Es geht darum, wie der Mensch Gott kennenlernen kann und darum, wie er durch seine Gotteserkenntnis richtig und korrekt leben kann. Das ist der Kern dieser Religion."
    Und das soll auch durch die Kalligraphie zum Ausdruck gebracht werden.
    "Nach islamischem Verständnis ist sowohl die Schöpfung voll von Zeichen und andererseits sind die Offenbarungsschriften Zeichen, die uns auf Gott hindeuten. Die Worte mit denen sich Gott im Koran offenbart, haben einige Eigenschaften. Sie sind schön im Inhalt - für einen gläubigen Menschen, schön in ihrem sprachlichen Ausdruck und auch im Äußerlichen sollen sie schön sein. Die Schrift dieses göttlichen Wortes soll schön sein."
    Die Kalligraphie ist sozusagen die ästhetische Seite der islamischen Religion. In dem man diese Kunst ausübt, soll die persönliche Beziehung zu Gott vertieft und über die Bedeutung der einzelnen Korantexte nachgedacht werden. Martin Kellner:
    "Nach islamischem Verständnis ist der Koran die Rede Gottes. Es ist die Rede, die in diesem Buch drinnen steht. Dieses Buch zu schreiben ist aus muslimischer Sicht ein Menschenwerk, während die Rede an sich für den gläubigen Muslim Gottes Wort ist.
    Kalligraphie - die ästhetische Seite der islamischen Religion
    Kalligraphie - die ästhetische Seite der islamischen Religion (Hüseyin Topel)
    Man versucht durch die Schönschrift der Schönheit des Inhalts gerecht zu werden."
    Auch Muslime in Deutschland sind interessiert
    Oft wird angenommen, die arabische Kalligraphie sei erst aus dem islamischen Bilderverbot heraus entstanden. Doch ob es im Islam tatsächlich ein generelles Bilderverbot gibt, ist auch unter Islamgelehrten umstritten. Eine überbewertete Debatte, findet Martin Kellner.
    "Ich glaube, dass dieses Bilderverbot sehr oft übertrieben wird und das Bilderverbot auch falsch verstanden wird. Es gibt ein striktes Bilderverbot in Bezug auf bestimmte spirituelle Ebenen. Also es gibt ein Verbot des Versuches, Gott darzustellen, ein relativ breites Verbot, im Versuch Engel darzustellen, es gibt ein Verbot, Propheten bildlich darzustellen. Aber es gibt kein Verbot im Allgemeinen, Bilder zu machen. Ich glaube, dass bildende Kunst vor allem in der arabischen Kultur des 7.- 8. Jahrhunderts keine so große Rolle gespielt hat, dass die Leute nicht aus einem Verbot heraus sich plötzlich einen Ersatz suchen mussten. Ich glaube, es geht vielmehr darum, dass die Muslime und vor allem die Araber eine sehr starke Beziehung zu dieser Schönheit des Wortes haben."
    Über den Orient hat sich dann diese ästhetische Seite der Religion in die gesamte islamische Welt ausgebreitet. Und inzwischen interessieren sich auch Muslime in Deutschland dafür. Die Nachfrage nach solchen Kursen ist groß bei den Studierenden der islamischen Theologie an der Universität Osnabrück. Sie erkennen offenbar einen engen Zusammenhang dieser Kunstform mit der Theologie.
    "Kalligraphie ist verbunden mit einer besonderen innerlichen Konzentration und Ausrichtung auf das, was geschrieben wird. Es ist etwas, das für spirituelle Menschen eine Bedeutung hat, und besonders für die heutigen Muslime Bedeutung hat."
    Kalligraphie - die ästhetische Seite der islamischen Religion
    Kalligraphie - die ästhetische Seite der islamischen Religion (Hüseyin Topel)
    Für den Universitätsdozenten Martin Kellner dienen solche Kurse auch dazu, eine wichtige, heute oft in Vergessenheit geratene Seite der islamischen Religion wieder hervorzuheben.
    "Wir leiden heute unter Phänomenen, die sich unter dem Namen Islam entwickelt haben, in denen genau diese Innerlichkeit verloren gegangen ist. Aus islamischer Sicht versucht man immer eine Balance herzustellen, zwischen Innerlichkeit und Äußerlichkeit. Diese Balance wieder zu finden ist besonders für Jugendliche sehr wichtig, aus dem Grund stehen manche dieser Projekte, die mit islamischer Kunst zu tun haben auch im Zusammenhang mit Extremismusprävention."
    "Es geht in der Kalligraphie um Vertiefung"
    Denn Menschen, die sich mit islamischer Kalligraphie beschäftigen, sollen auch die spirituelle Seite der Religion wieder entdecken. Sie lernen sich in Geduld zu üben und über die Verse im Koran nachzudenken und sie durch ihre Kunst zu reflektieren.
    "Es geht in der Kalligraphie um Vertiefung. Ein Kalligraph vertieft sich in einen Vers des Korans. Er arbeitet vielleicht Monate daran, einen einzigen Vers schön zu schreiben. Auch diese Vertiefung ist etwas, was vielen Muslimen heutzutage fehlt. Es werden Dinge sehr flach verstanden, sehr oberflächlich verstanden und dadurch auch in vielen Fällen auch sehr Ideologisch."
    Es ist ein künstlerisches Schaffen, dass sowohl zur religiösen, wie zur persönlichen Entwicklung beitragen kann.