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Arabische Touristen
Für Regen nach Garmisch

Immer mehr Touristen in Garmisch-Partenkirchen kommen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten. Sie haben spezielle Bedürfnisse und Interessen - auch was das Wetter angeht. Es gibt etliche Kulturunterschiede, die auch in der Bevölkerung für Diskussionen sorgen.

Von Susanne Lettenbauer     | 19.08.2016
    Foto vor dem Brunnen: Die arabischen Touristen in Garmisch-Patenkirchen mögen das Wasser.
    Foto vor dem Brunnen: Die arabischen Touristen in Garmisch-Patenkirchen mögen das Wasser. (Deutschlandradio/Susanne Lettenbauer)
    Wasser lieben sie und vor allem den Regen. Arabische Touristen fotografieren sich vor dem Kongressbrunnen, sie fotografieren regennasse Straßen. Wird dabei das Kopftuch nass, egal. Wenn deutsche Urlauber bei 18 Grad und Nieselregen fluchend ins Hotel flüchten oder ins Hallenbad, dann fühlen sich die Gäste aus dem Oman und Dubai besonders wohl:
    "Bayern ist es beste Umgebung. Bayern ist einfach genial."
    Mahdet Mohamed arbeitet als Gästeführer für arabische Touristen in Garmisch-Partenkirchen. Er studierte Germanistik in Kairo, arbeitete lange in einem Garmischer Hotel. Weil die Zahl der arabischsprachigen Touristen immer mehr zunimmt, soll er sich um die neue Klientel kümmern:
    "Die meisten waren schon überall in Deutschland, viele von den sind zum ersten Mal in Bayern, weil so schön die Natur, man geht raus aus dem Hotelzimmer und ist mittendrin in den Alpen. Klare Luft, alles sauber. Ja, ich habe einfach festgestellt, wenn die Araber da sind, kommen ganz viele Fragen an mich als Araber. Ich werde oft gefragt, was kann man hier machen, wo kann man hier einkaufen gehen, was kann man mit den Kindern unternehmen, wie ist die Umgebung."
    Die Frauen sprechen gar nicht, die Männer kaum Englisch
    Einer der Gründe für den Boom ist Sultan Quabus Ibn Said. Der 75-jährige Landeschef von Oman besitzt seit etlichen Jahren eine Villa in Garmisch. Wenn die Sommer zu heiß werden am Golf, zieht er sich unauffällig an die Zugspitze zurück, wissen die meisten Garmischer Bürger - und mittlerweile auch seine eigenen Landsleute. Die Bayerische Zugspitzbahn trat ein paar Mal auf Tourismusmessen am Golf auf. Mit Erfolg.
    Seit die Zahl der Urlauber aus dem Nahen Osten um gut 25 Prozent gestiegen ist und mit 11.830 Übernachtungen in 2015 die amerikanischen Stammgäste überrundet haben, wird der Ägypter Mahdet gern weiterempfohlen, von den Hotels und auf Internetportalen: Sprach- und Kulturkenntnisse sind immens wichtig, ist den Hoteliers klar geworden. Die Frauen reden nicht, wollen nicht angesprochen werden und Englisch sprechen die Männer oftmals nur rudimentär.
    Wenn Mahdet ausgebucht ist, dann holt Hotelier Andreas Griess sein Touchpad aus der Schublade und behilft sich mit einer speziellen Übersetzer-App.
    "Was wichtig ist für arabische Gäste, ist, dass sie sich willkommen fühlen, da sind sie sehr sensibel. Das heißt, sie spüren sehr genau, wenn da gewisse Ressentiments sind."
    Kein arabischer Gast würde jemals einen Erklär-Flyer lesen
    Und davon gibt es genügend im Ort. Jutta Griess vom örtlichen Hotel- und Gaststättenverband versucht der Bevölkerung und auch ihren Kollegen, die Kulturunterschiede zu erklären. Warum oft nur ein Doppelzimmer gebucht wird und dann doch fünf Personen vor der Tür stehen. Also werden Extrabetten herangeschafft. Warum oft nach einer Feuerstelle im Zimmer gefragt wird, also stellt man gleich vor Anreise einen Wasserkocher bereit.
    "Die Kollegen müssen sehr flexibel sein und haben sich darauf eingestellt. Sie wissen, Achtung, Ramadan ist vorbei, jetzt kommen arabische Gäste."
    In seinem Büro gleich in der Nähe vom beliebten Kongressbrunnen erzählt Peter Ries, Garmisch-Partenkirchens Tourismusdirektor, welche Chancen die arabischen Urlauber in die Region bringen. Nicht nur shoppen sie gern, sondern sie nutzen auch verstärkt die Kliniken für Kuraufenthalte. Er wendet sich strikt gegen einen von den Hoteliers angeregten Erklär-Flyer, der in den Zimmern ausgelegt werden könnte:
    "Es ist nicht unsere Art und Weise, mit erhobenem Zeigefinger durch die Welt zu marschieren. Das, was wir gemacht haben, in Zusammenarbeit mit der türkisch-islamischen Gemeinde hier vor Ort haben wir eine Panoramatafel entwickelt, wo sind die Highlights wie die Partnachklamm, die Höllentalklamm, die Zugspitze und so weiter. Wo sind diese Dinge, die sich arabische Gäste anschauen möchten."
    Gästeführer Mahdet winkt ab. Kein arabischer Gast würde jemals einen Erklär-Flyer lesen oder eine Panoramatafel zur Hand nehmen, nie. Sie möchten es persönlich erklärt bekommen.
    Danach geht es weiter nach Österreich
    Das große Problem in Garmisch: Die Bevölkerung und deutsche Gäste sehen nur noch Kopftücher und verschleierte Frauen. Ob arabische Urlauber oder Flüchtlinge, deren Zahl in Garmisch gerade aufgestockt wird, werden in einen Topf geworfen. Man ist irritiert, dass ein türkischer Bauunternehmer mit verwandtschaftlichen Beziehungen zu Staatschef Erdogan vier Hotels aufgekauft hat und sich auf die arabischen Touristen spezialisiert. Tourismusdirektor Ries versucht, darin kein Problem zu sehen:
    "Das sind Wellen, die sich da immer ergeben und momentan ist es so, dass die arabischen Gäste bei uns sehr stark interessiert sind, aber wir geben uns da keinen Illusionen hin, es kann durchaus sein, dass vielleicht in ein paar Jahren dieses Interesse wieder abflaut und dass die Gäste wieder woanders hinwandern."
    Ries bleibt Realist. Garmisch sollte froh um jeden Gast sein. Die Aufenthaltsdauer beträgt im Durchschnitt sowieso nur drei bis vier Tage, danach reisen die nahöstlichen Touristen großteils weiter nach Zell am See in Österreich.