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Arbeiten auf dem Bauernhof als Starthilfe

Landauf, landab finden derzeit so genannte Aktionstage für den ökologischen Landbau statt, so auch im Bundesland Schleswig-Holstein. Im hohen Norden wurde im Rahmen dieser Werbewochen in Altenholz bei Kiel der Biolandhof Kubitzberg vorgestellt, der der Norddeutschen Gesellschaft für Diakonie gehört. Es ist ein Betrieb der besonderen Art, denn hier werden psychisch kranke Menschen gefördert und gefordert, um ihnen die Integration auf dem Arbeitsmarkt zu erleichtern und zu ermöglichen. Sie sollen lernen, den Anforderungen im Arbeitsleben standzuhalten.

Von Annette Eversberg |
    Lutz Müller (der richtige Name ist der Redaktion bekannt) aus Kiel findet man auf dem Biolandhof Kubitzberg unweit des Kieler Flughafens meistens im Hühnerstall:

    Ich kümmer mich hier um die Hühnerhaltung und Gänsemast. Da arbeiten wir täglich vier Stunden. Einstreuen, ausmisten, alles beaufsichtigen sozusagen. Also Tiere muss man halt ständig beaufsichtigen.

    Die Tiere sehen prächtig aus und haben ein volles Federkleid. Der junge Mann selber fühlt sich gesund und ist guter Dinge. Er ist stolz auf das, was er geschafft hat und er hat klar vor Augen, was er in Zukunft machen will:

    Ich beginne halt nächstes Jahr eine landwirtschaftliche Lehre im ökologischen Landbau. Und dann werde ich noch ein Jahr in eine Aufbauschule gehen, und dann habe ich Fachhochschulreife, und dann will ich halt Landwirtschaft studieren.

    Lutz Müller ist einer von 40 Mitarbeitern, die auf dem Biolandhof arbeiten. Meistens haben die psychisch behinderten Menschen zuvor eine stationäre Behandlung hinter sich, und müssen im wirklichen Leben wieder Fuß fassen. Das bedeutet, sie müssen zu ihrem eigenen Lebensrhythmus in der Arbeit zurückfinden. Diesem Ziel ist die Struktur des Betriebes angepasst, erläutert Betriebsleiter Christian Oberländer-Wille:

    Wir sind ein landwirtschaftlicher Gemischtbetrieb. Wir haben uns nicht spezialisiert auf Einzelprodukte, sondern wir sind vielseitig. Das geht los, dass wir auf dem Acker Kartoffel, Getreide, Gemüse anbauen. Wir haben eine Mutterkuhherde für die Fleischproduktion. Die Betriebsorganisation muss sich eben den Besonderheiten des Personals unterordnen. Normalerweise würde man denken, wenn man Kühe hält, würde gemolken, das tun wir nicht, weil wir das aus Arbeitszeitanforderungen nicht tun können.

    Jeder Mitarbeiter kann sich seinen Arbeitsplatz je nach der individuellen Belastbarkeit aussuchen. Ohne Leistungsdruck, aber bei gleichzeitiger Verpflichtung, die gewählte Aufgabe auch zuverlässig zu erfüllen. Trotzdem muss der Betrieb mit 38,5 Stunden pro Woche und Arbeitskraft auskommen und so wirtschaften, dass er seinen Beschäftigen ein kleines Gehalt für ihre Tätigkeit zahlen kann. Der Vorzug eines ökologisch wirtschaftenden Betriebs besteht für seelisch behinderte Menschen darin, dass es viele kleinere Arbeitsabläufe gibt, die überschaubar sind, erläutert Renate Gamp, Bereichsgeschäftsführerin der Norddeutschen Gesellschaft für Diakonie in Rendsburg:

    Unter den Bedingungen kann man wieder lernen, wie komme ich in einen Arbeitsauflauf. Ich muss morgens aufstehen, weil das Leben draußen bestimmte Dinge erwartet, das ist keine künstliche Arbeitssituation, sondern, das Feld muss bestellt werden, da kann ich nicht warten, bis ich ausgeschlafen bin. Und die Tiere müssen bedacht werden, wenn ich morgens nicht dahin gehe, dann haben die Tiere ein Problem und das ist schneller vermittelbar und auch einsichtig für den Prozess des Wiederfitwerdens für Menschen mit seelischen Behinderungen.

    Dabei spielt auch der gut sortierte Hofladen mit dem kleinen Café eine wichtige Rolle. Denn der Hof soll keine beschützende Werkstatt sein, in der Menschen betreut werden. Sie sollen ständig die Möglichkeit zum Kontakt mit anderen Menschen haben. Carola Ketelhodt, Geschäftsführerin des schleswig-holsteinsichen Biolandverbandes bestätigt, dass das Konzept ein Erfolg ist:

    Hof Kubitzberg vermarktet seine Produkte hier in Altenholz im Lebensmitteleinzelhandel und mehrmals zusätzlich in der Woche auf Märkten. Und dadurch, dass auf diesem Betrieb auch die Vorverarbeitung von Gemüse stattfindet, werden einige Kantinen und Restaurants beliefert, zum Beispiel mit geschälten Kartoffeln.

    In diesem Bereich erleben die seelisch behinderten Menschen unmittelbar den Erfolg ihrer Arbeit und des Betriebes, denn die Nachfrage wächst. Im Moment kann der Hof gar nicht so viel liefern, wie nachgefragt wird, denn er ist einer der wenigen, die gerade in der Lage sind, kleine Mengen ökologischer Produkte schnell zu verarbeiten. Für Peter Knitsch, Staatssekretär im schleswig-holsteinischen Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Landwirtschaft lässt sich das Konzept des Biolandhofes Kubitzberg durchaus erweitern:

    Ich denke, dass ist zumindest ein Bereich, den man genau prüfen muss, inwieweit nicht diese besondere Art von Landwirtschaft, die gleichzeitig ja auch ein Stückchen Naturschutz ist, ein Ansatzpunkt sein kann, um Menschen im Rahmen von Hartz IV wieder an Arbeit heranzuführen oder etwa auch Langzeitarbeitslosen eine gewisse Perspektive zu geben.