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Arbeiten in Deutschland und Frankreich

Wer einen Job im Nachbarland sucht, muss wissen, was ihn erwartet. Es gibt nicht nur unterschiedliche Regeln für eine Bewerbung. Auch der Umgangston mit Vorgesetzten und Kollegen ist diesseits und jenseits des Rheins nicht derselbe.

Von Michael Böddeker | 21.01.2013
    Ein Nachmittag im Institut Français in Köln. Etwa 70 junge Menschen sind gekommen, um sich in Seminaren über das Arbeiten jenseits der Grenze zu informieren: Deutsche, die nach Frankreich wollen, und Franzosen, die in Deutschland Arbeit suchen. Die länderspezifischen Unterschiede fangen schon bei den Stellenausschreibungen an. Was bedeutet zum Beispiel "belastbar"?

    Personalvermittler Jérôme Lecot geht in seinem Vortrag auf viele der kleinen, aber wichtigen Feinheiten ein. Beim Lebenslauf zum Beispiel wollen es deutsche Arbeitgeber gerne ganz genau wissen, sagt er, am liebsten tabellarisch und ohne Lücken. So viel deutsche Detailverliebtheit sorgt bei den französischen Seminarteilnehmern für ein gewisses Amüsement. Jérôme Lecot vermittelt Arbeitnehmer in verschiedene deutsche und französische Unternehmen.

    "Es sind über 3000 deutsche Firmen in Frankreich, und die brauchen auch französischsprachige und deutschsprachige Mitarbeiter in Frankreich. Umgekehrt: Jede Firma in Frankreich versucht auch, seine Produkte in Deutschland zu verkaufen, Deutschland ist ein großer Absatzmarkt. Und das heißt, die suchen vielleicht erst mal einen Handelsvertreter, einen Außendienstmitarbeiter, und dann brauchen die auch französischsprachige Mitarbeiter für die Verbindung zur Muttergesellschaft."

    Franzosen zieht es vor allem in die großen deutschen Städte.

    "Etwa 50 Prozent der französischen Bewerber, die nach Deutschland wollen, wollen nach Berlin. Das ist auch ein bisschen alternativ, das zieht viele Franzosen an."

    Die Hauptstadt ist auch für den 22-jährigen Wirtschaftsstudenten Pierre aus Nordfrankreich eine Überlegung wert. Allerdings zieht er wahrscheinlich erst mal zu seiner Freundin nach Bonn. Deutschland hat er durch einen Schüleraustausch kennengelernt.

    "Und das war super. Ich habe gemocht die Atmosphäre und die deutsche Sprache, das war sehr interessant für mich. Ich bin ein bisschen verliebt in Deutschland."

    Andersherum haben sich auch viele Deutsche in Frankreich verliebt, sagt Personalvermittler Jérôme Lecot.

    "Die Deutschen haben ein sehr positives Bild von Frankreich: Kultur, Käse, Wein und so weiter, also ein bisschen dieses Klischee auch, Frankreich, Tourismus und so weiter. Und jeder möchte ein bisschen Erfahrungen sammeln in Paris."

    Christoph Beckemeier hat bereits in Frankreich gearbeitet und würde auch gerne wieder einmal dorthin.

    "Mir hat das Land einfach gefallen, die Menschen haben mir gefallen. Ich fand, in Frankreich war das Ganze mehr familiär. Das heißt, man ging gemeinsam in die Mittagspause, man machte gemeinsam mal was. Nach der Arbeit ging es nicht sofort auf den Parkplatz und nach Hause, sondern dann hieß es: Komm, wir gehen noch mal einen Kaffee trinken, wir gehen noch einkaufen gemeinsam, so was. Das Ganze war mehr Leben und Arbeiten gemeinsam."

    Um solche interkulturellen Unterschiede geht es auch in dem Seminar, das Constance Grunewald-Petschke im Institut Français hält. Sie selbst hat fünf Jahre lang in Paris gelebt und gearbeitet.

    "Es wird subtiler kommuniziert. Zum Beispiel Kritik: Es wird nicht so offen und sachlich kritisiert, wie das in Deutschland der Fall ist. Entscheidungen werden sehr viel mehr von oben getroffen, ohne alle Fachexperten zu konsultieren. Ein dritter Punkt ist das Thema Zeitmanagement, und hier gibt's natürlich auch ganz viel Konfliktpotenzial."

    Denn wenn etwa der französische Ableger einer internationalen Firma seine zeitlichen Absprachen nicht ganz einhält, reagieren die Deutschen oft unangemessen:

    "'Wo bleibt mein rapport? Wo bleibt meine Arbeit?' Für den Franzosen wird das dann nicht als feine englische Art empfunden, sondern eher als: Der Deutsche kommt jetzt und baut hier Druck auf, und da versuchen die natürlich, dagegen zu reagieren."

    Und doch, allen Unterschieden zum Trotz: Viele Deutsche bleiben auch längerfristig in Frankreich, sagt Personalvermittler Jérôme Lecot.

    "Es sind vielleicht ein Drittel davon, die in Frankreich bleiben, die heiraten, oder die wirklich langfristig bleiben. Es sind sehr viele deutsch-französische Paare, deutsch-französische Kinder."


    Kleiner Grenzverkehr
    Reihe: Deutsch-französische Geschichten aus Bildung und Beruf
    Die deutsch-französische Freundschaft besteht nicht nur auf dem Papier: In vielen Bereichen sind die Länder seit dem Elysée-Vertrag ganz natürlich zusammengewachsen, so auch in der Bildung. "Campus & Karriere" stellt in einer vierteiligen Reihe solche "Grenzgänger" im Bildungswesen vor.

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