Ron Suskind, schon mit kritischen Büchern über die Bush-Regierung aufgefallen, schmückt sein Werk in bester Woodward-Manier mit saftigen Enthüllungen, wie sie auf Washingtoner Cocktailpartys so gerne hitzig debattiert werden. Etwa, wenn er den Vorwurf erhebt, den Friedensnobelpreisträger und scheinbaren Frauenversteher Barack Obama umgebe eine Art Männerbund. Suskind schreibt:
"Da war zum einen der Eindruck, dass Obama besser mit Männern zurechtkam, gerade in seiner Freizeit. Das galt nicht nur für seine Zeit auf dem Basketballfeld, sondern auch für wertvolle Momente zum Entspannen zwischen Terminen. Die zweite Kluft, die mehr Kummer verursachte, war der Eindruck der Frauen, dass die Männer sich nicht an die Regeln hielten, dass sie andere Schlüsselfiguren nicht einweihten. Das allein wäre schon Grund für Frustration gewesen. Aber als sich dies mit Obamas Macho-Allüren und der Testosteron geladenen Atmosphäre verband, fühlten sich Frauen im Weißen Haus zunehmend frustriert und wertlos."
Aber auch wenn der Autor genüsslich untersucht, wie mitten in der Finanzkrise chaotische Grabenkämpfe im Weißen Haus wichtiger schienen als effektives Regieren zum Wohl des Landes. Obamas arroganter Chefwirtschaftsberater Larry Summers - ehemaliger Finanzminister und Harvardpräsident - mochte etwa partout nicht akzeptieren, dass er nicht auch noch Notenbankchef werden konnte:
"Summers war außer sich und bockig. Er begann eine Liste mit Forderungen an Stabschef Rahm Emanuel zu stellen: Eine Runde Golf mit Obama - und er wollte einen Wagen mit Chauffeur, so wie ihn Finanzminister Timothy Geithner hatte. Sein Verhalten war einfach kindisch... wochenlang musste der stellvertretende Stabschef Jim Messina überall nach einem Wagen für Larry Summers suchen.
Als er mit leeren Händen zurückkam, akzeptierte Summers zögerlich zum Ausgleich zwei Runden Golf mit Obama und einen Vorzugsplatz bei dessen Rede zur Lage der Nation."
Das Weiße Haus hat Suskind zu solchen Punkten wütend mangelhafte Recherche vorgehalten, was dieser ziemlich souverän konterte. Über den Zoff um derlei Details geriet aber in den USA beinahe in Vergessenheit, wie ambitioniert Suskinds 515-Seiten-Werk ist. Dem Autor geht es um nichts weniger als um eine Antwort auf eine der verblüffendsten Fragen dieser so verheißungsvoll begonnen Präsidentschaft - die knapp ein Jahr vor den nächsten Wahlen am Tiefpunkt angekommen scheint. Wie kann der Ex-Sozialarbeiter Obama heute vielen einstigen Anhängern als ein Freund der Wall Street erscheinen? Wie raffiniert und skrupellos haben es Amerikas Finanz-Zocker geschafft, wieder oben auf zu sein - und ihren Retter Obama in die Tiefe zu ziehen? Suskind beschreibt dieses Dilemma glänzend mit einer Szene aus den Verhandlungen zwischen US-Regierung und Wall- Street-Bossen auf dem Höhepunkt der Weltfinanzkrise, kurz vor Obamas Amtsantritt, unter Beteiligung von Timothy Geithner, seinem späteren Finanzminister:
"Geithner rasselte dann den Betrag herunter, den jede Bank erhalten würde. Bank of America: 25 Milliarden Dollar. Citigroup: 25. Goldman Sachs: 10. JP Morgan: 25. Morgan Stanley: 10. State Street: 10. Wells Fargo: 25 - Alle nickten. Aber diese Einigkeit verschwand, als John Thain von der Bank of America fragte: "Welchen Schutz geben Sie uns bei Änderungen in Sachen Bezahlung?" Das Finanzministerium gewährte also den Banken mitten in der Krise billiges Kapital, - und Thain fragte, ob ihre Boni sicher seien? Die Arroganz der Bosse war wieder voll da."
Doch Obama schafft es nicht, sich soviel Unverfrorenheit entschlossen entgegen zu stemmen. Laut Suskind vielleicht auch, weil ihn schon vor seiner Wahl Zweifel überkamen, auf das Amt genügend vorbereitet zu sein. So entsteht das Bild eines US-Präsidenten, der eher geführt wird, als dass er führt - wie Obama im Interview mit Suskind am Ende des Buches indirekt zugibt:
"Die Ironie ist, dass ich in dieses Amt gewählt wurde, weil ich den amerikanischen Bürgern eine Geschichte präsentieren konnte. Es ging nicht um die Details meiner Gesundheitsreform oder um Afghanistan. Die Leute haben mich gewählt, weil sie das Gefühl hatten, ich bette die gegenwärtigen Schwierigkeiten in den Bogen der amerikanischen Geschichte ein - und zeige, wohin eine vielfältige und vorwärts gerichtete Gesellschaft sich entwickeln kann. Und diesen Faden haben wir verloren, im täglichen Kampf mit all diesen Problemen."
Also endet Suskinds Buch mit einer großen Frage: Kann der strauchelnde Politmessias Obama sich noch einmal neu erfinden, wie einst der Überlebenskünstler Bill Clinton oder der Daueroptimist Ronald Reagan? Am Ende dieser vorzüglich recherchierten Analyse von Obamas bisheriger Amtszeit plagen den Leser daran erhebliche Zweifel.
Ron Suskind: "Confidence Men: Wall Street, Washington and the Education of a President."
Harper-Verlag, 528 Seiten, 16,66 US-Dollar
"Da war zum einen der Eindruck, dass Obama besser mit Männern zurechtkam, gerade in seiner Freizeit. Das galt nicht nur für seine Zeit auf dem Basketballfeld, sondern auch für wertvolle Momente zum Entspannen zwischen Terminen. Die zweite Kluft, die mehr Kummer verursachte, war der Eindruck der Frauen, dass die Männer sich nicht an die Regeln hielten, dass sie andere Schlüsselfiguren nicht einweihten. Das allein wäre schon Grund für Frustration gewesen. Aber als sich dies mit Obamas Macho-Allüren und der Testosteron geladenen Atmosphäre verband, fühlten sich Frauen im Weißen Haus zunehmend frustriert und wertlos."
Aber auch wenn der Autor genüsslich untersucht, wie mitten in der Finanzkrise chaotische Grabenkämpfe im Weißen Haus wichtiger schienen als effektives Regieren zum Wohl des Landes. Obamas arroganter Chefwirtschaftsberater Larry Summers - ehemaliger Finanzminister und Harvardpräsident - mochte etwa partout nicht akzeptieren, dass er nicht auch noch Notenbankchef werden konnte:
"Summers war außer sich und bockig. Er begann eine Liste mit Forderungen an Stabschef Rahm Emanuel zu stellen: Eine Runde Golf mit Obama - und er wollte einen Wagen mit Chauffeur, so wie ihn Finanzminister Timothy Geithner hatte. Sein Verhalten war einfach kindisch... wochenlang musste der stellvertretende Stabschef Jim Messina überall nach einem Wagen für Larry Summers suchen.
Als er mit leeren Händen zurückkam, akzeptierte Summers zögerlich zum Ausgleich zwei Runden Golf mit Obama und einen Vorzugsplatz bei dessen Rede zur Lage der Nation."
Das Weiße Haus hat Suskind zu solchen Punkten wütend mangelhafte Recherche vorgehalten, was dieser ziemlich souverän konterte. Über den Zoff um derlei Details geriet aber in den USA beinahe in Vergessenheit, wie ambitioniert Suskinds 515-Seiten-Werk ist. Dem Autor geht es um nichts weniger als um eine Antwort auf eine der verblüffendsten Fragen dieser so verheißungsvoll begonnen Präsidentschaft - die knapp ein Jahr vor den nächsten Wahlen am Tiefpunkt angekommen scheint. Wie kann der Ex-Sozialarbeiter Obama heute vielen einstigen Anhängern als ein Freund der Wall Street erscheinen? Wie raffiniert und skrupellos haben es Amerikas Finanz-Zocker geschafft, wieder oben auf zu sein - und ihren Retter Obama in die Tiefe zu ziehen? Suskind beschreibt dieses Dilemma glänzend mit einer Szene aus den Verhandlungen zwischen US-Regierung und Wall- Street-Bossen auf dem Höhepunkt der Weltfinanzkrise, kurz vor Obamas Amtsantritt, unter Beteiligung von Timothy Geithner, seinem späteren Finanzminister:
"Geithner rasselte dann den Betrag herunter, den jede Bank erhalten würde. Bank of America: 25 Milliarden Dollar. Citigroup: 25. Goldman Sachs: 10. JP Morgan: 25. Morgan Stanley: 10. State Street: 10. Wells Fargo: 25 - Alle nickten. Aber diese Einigkeit verschwand, als John Thain von der Bank of America fragte: "Welchen Schutz geben Sie uns bei Änderungen in Sachen Bezahlung?" Das Finanzministerium gewährte also den Banken mitten in der Krise billiges Kapital, - und Thain fragte, ob ihre Boni sicher seien? Die Arroganz der Bosse war wieder voll da."
Doch Obama schafft es nicht, sich soviel Unverfrorenheit entschlossen entgegen zu stemmen. Laut Suskind vielleicht auch, weil ihn schon vor seiner Wahl Zweifel überkamen, auf das Amt genügend vorbereitet zu sein. So entsteht das Bild eines US-Präsidenten, der eher geführt wird, als dass er führt - wie Obama im Interview mit Suskind am Ende des Buches indirekt zugibt:
"Die Ironie ist, dass ich in dieses Amt gewählt wurde, weil ich den amerikanischen Bürgern eine Geschichte präsentieren konnte. Es ging nicht um die Details meiner Gesundheitsreform oder um Afghanistan. Die Leute haben mich gewählt, weil sie das Gefühl hatten, ich bette die gegenwärtigen Schwierigkeiten in den Bogen der amerikanischen Geschichte ein - und zeige, wohin eine vielfältige und vorwärts gerichtete Gesellschaft sich entwickeln kann. Und diesen Faden haben wir verloren, im täglichen Kampf mit all diesen Problemen."
Also endet Suskinds Buch mit einer großen Frage: Kann der strauchelnde Politmessias Obama sich noch einmal neu erfinden, wie einst der Überlebenskünstler Bill Clinton oder der Daueroptimist Ronald Reagan? Am Ende dieser vorzüglich recherchierten Analyse von Obamas bisheriger Amtszeit plagen den Leser daran erhebliche Zweifel.
Ron Suskind: "Confidence Men: Wall Street, Washington and the Education of a President."
Harper-Verlag, 528 Seiten, 16,66 US-Dollar