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Arbeitsplätze durch Umweltschutz

"Vorfahrt für Arbeit" lautete das Motto von Angela Merkel im Wahlkampf. "Vorrang für Arbeitsplätze durch Umweltschutz" hielten jetzt der Deutsche Naturschutzring und die Industriegewerkschaft Bau dagegen. Umweltschutz schaffe eine Menge Beschäftigung, erklärten beide Veranstalter auf einer gemeinsamen Pressekonferenz in Berlin.

Von Dieter Nürnberger |
    Es gibt einen recht prägnanten Satz, den die Gewerkschaft IG Bau und der Deutsche Naturschutzring heute Vormittag über das hier in Berlin vorgestellte Positionspapier "Ökologische Arbeitsplatzoffensive" gestellt haben. Nämlich - "je umweltfreundlicher, desto zukunftsfähiger". Und man macht diese Aussage am bisher schon Erreichten fest, aber auch an recht konkreten Planungen, die aufgrund des Koalitionsvertrags zwischen der Union und der SPD in der Zukunft umgesetzt werden sollen. Generell arbeiten in Deutschland derzeit bereits 1,5 Millionen Menschen direkt oder nachgelagert im Bereich Umweltschutz, das sind 3,8 Prozent der Beschäftigten. Und vor allem bei den Erneuerbaren Energien wurden ja viele Arbeitsplätze in den vergangenen Jahren geschaffen, und weil auch die neue Regierung sich zu den regenerativen Energien bekennt, gibt es hier weitere, deutliche Beschäftigungserwartungen. Hubert Weinzierl, der Präsident des Naturschutzrings:

    " Wenn sich deren Anteil, wie es in der Koalitionsvereinbarung drin steht, bis 2020 auf 20 Prozent erhöht, dann steigt die Anzahl der Arbeitsplätze auf mindestens 500.000. Hinzu kommt, dass Deutschland auch Weltmeister beim Export von Umweltschutzgütern ist. Gerade im Bereich der Energieeffizienztechnik wurden 2004 Produkte im Wert von 35 Milliarden Dollar exportiert."

    Insgesamt könnten, so die beiden Organisationen, bis 2020 generell im Bereich Beschäftigung und Ökologie rund 630.000 Arbeitsplätze geschaffen werden. Die Branche des Umweltschutzes ist zumeist arbeitsintensiver als andere Wirtschaftszweige. Und Klaus Wiesehügel, der Vorsitzende der IG Bau, sieht Potential vor allem in der energetischen Gebäudesanierung hierzulande:

    " Der Wohnungsbestand in Deutschland beträgt rund 39 Millionen Wohnungen. 80 Prozent davon sind aus energetischer Sicht sanierungsbedürftig, sie entsprechen nicht mehr dem aktuellen Standard. Es handelt sich um Gebäude, die vor 1978 hergestellt wurden. Deren Einsparpotential auf jährlich 50 bis 70 Millionen Tonnen CO2 beziffert wird. Demgegenüber steht, dass in Deutschland 600.000 Wohnungen jährlich modernisiert werden, aber nur ein Drittel davon energetisch. Jede Milliarde Euro, die in Gebäudesanierung investiert wird, schafft oder sichert mindestens 20.000 Arbeitsplätze."

    Und gerade die von Arbeitsplatzverlusten so geprägte deutsche Bauindustrie könne auf diese künftigen Beschäftigungsfelder gar nicht verzichten, so der Gewerkschaftsboss. Auffällig: Die ökologische Argumentation spielte heute bei dieser Pressekonferenz kaum eine Rolle, man argumentiert eher und ausschließlich ökonomisch oder standortpolitisch. Klaus Wiesehügel sieht aber einen deutlichen Informationsbedarf der Bevölkerung beim Punkt Gebäudesanierung:

    " Eine Evaluierung beim Bundesamt für Außenwirtschaft, hier wird unter anderem die Energieberatung gefördert, ergab, dass über 60 Prozent der Beratenen anschließend bereit war, ihr Objekt auch sanieren zu lassen. Beratung fördert somit den Bedarf und die Durchführung einer Sanierung. Energetische Gebäudesanierung bedingt eine Win-win-Situation. Die Baukonjunktur springt an, die Schadstoffemissionen sinken, der Klimaschutz käme voran, und neue Arbeitsplätze entstehen. Gleichzeitig profitiert der Staat von sinkenden Sozialkosten und steigenden Steuereinnahmen."

    Weitere Bereiche, in denen Arbeitsplätze entstehen könnten - sind einmal der Ökologische Landbau. Auch hier werden mehr Arbeitskräfte benötigt als in der maschinell durchorganisierten konventionellen Landwirtschaft. Und auch der heimische Tourismus gehöre dazu. Hubert Weinzierl vom Naturschutzring:

    " Tatsache ist, dass heute in Deutschland jährlich 290 Millionen Menschen unsere Nationalparke und Reservate besuchen. Damit kurbeln sie Wirtschaft und Gastgewerbe an. Jedes Prozent von Reisen, die nicht in das Ausland gehen, bringt im Inland zwischen 10 und 15.000 neue Arbeitsplätze. Auch hier müsste umgedacht werden, man muss nicht unbedingt dreimal im Jahr ins Ausland. Machen Sie den Inlandsurlaub wieder hoffähiger!"

    Gewerkschaft und Umweltorganisation sehen also gewaltiges Potential. Und die politischen Signale, diese Ziele auch umzusetzen, die sind in der Tat vorhanden. Beide begrüßten die entsprechenden Passagen im schwarz-roten Koalitionsvertrag, beispielsweise die Förderung der Gebäudesanierung. Hier sind immerhin 1,5 Milliarden Euro in Aussicht gestellt.