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Arbeitsplatz Automobilindustrie
Entlastung durch Exoskelette

Exoskelette erinnern ein wenig an futuristische Rüstungen, die auf dem Rücken und an den Armen befestigt werden. Gerade in der Automobilindustrie können sie körperliche Arbeit erheblich erleichtern. Doch ob die maschinellen Hilfsmittel den akuten Fachkräftemangel abmildern können, ist unklar.

Von Moritz Börner |
13.12.2018, Leipzig: Ein Mitarbeiter in der Autoindustrie wird bei Überkopfarbeiten von einem Exoskelett unterstützt.
Exoskelette werden bei vielen Herstellern bereits eingesetzt: Sie mindern die körperliche Anstrengung bei der Montage von Autos (imago / Hannelore Förster)
Die Fertigungsstraße für den Mercedes Sprinter im Düsseldorfer Werk. Die halbfertigen Fahrzeuge schweben über den Arbeitern, hier wird über Kopf gearbeitet. Mit einem Akkuschrauber befestigt Thorsten Niessen Bremsschläuche. Er trägt dabei ein Exoskelett. Das erinnert ein bisschen an eine futuristische Rüstung, die auf dem Rücken und an den Armen befestigt wird und von der Hüfte zu den Ellenbogen reicht. Wenn Thorsten Niessen die Arme hebt, dann rastet das Exoskelett mit Hilfe eines Gummiexpanders so ein, dass seine Arme automatisch oben bleiben:
"Das entlastet jetzt praktisch die Schultern, indem ich jetzt meine Arme hochhebe, liegen die Arme jetzt praktisch auf, und ich muss jetzt erstmal Gegendruck erzeugen, damit meine Arme wieder runterkommen."
Die Arbeitsposition mit den Armen über Kopf müssen er und seine Kollegen oft stundenlang einhalten:
"Ich habe jetzt den Bremsschlauch mit dem ABS verbunden. Das dann halt links und rechts jeweils. Wir bauen 240 Autos dementsprechend, wir kommen auf 500 Leitungen dann."
Durch das Exoskelett ist die Arbeit für ihn weniger kraftraubend: "Man merkt, dass es auf jeden Fall eine Entlastung ist, für die Muskeln, für die Schultern, es ist auf jeden Fall hilfreich, besonders bei solchen Arbeiten, wie ich die jetzt mache, wo man die ganze Zeit die Arme über dem Kopf hat."
Die Montage von Autos ist ein Knochenjob, durch unnatürliche Körperhaltungen kann es zu Muskel- und Skeletterkrankungen kommen.
Verlockend bei demographischem Wandel und Fachkräftemangel
Gerade in Zeiten von Fachkräftemangel könnten die Exoskelette für Arbeitgeber eine verlockende Option sein. Denn aufgrund des demographischen Wandels werden die Belegschaften älter. Mithilfe der Skelette könnten auch ältere Arbeitnehmer noch in anstrengenden Körperhaltungen arbeiten. Einer der Fahrzeugmonteure im Düsseldorfer Mercedes-Werk kann direkt vergleichen. Er hat die Überkopfarbeit an der Fertigungsstraße vorher auch schon ohne Skelett durchgeführt, gesünder war das nicht, glaubt er:
"Ich bin davon überzeugt, dass das Exoskelett sich langfristig positiv auf die Knochen, Gelenke und solche Dinge eben auswirken kann und auch vorbeugend wirken kann, irgendwelchen Gelenkerkrankungen entgegenwirken kann."
Noch steht die Entwicklung am Anfang. In der Erprobung am Arbeitsplatz sind bisher nur sogenannte passive Exoskelette, wie das im Düsseldorfer Werk. Es gibt auch aktive Skelette, die Körperbewegungen des Trägers mit Hilfe von Sensoren wahrnehmen, die Muskelkraft und Bewegungen durch kleine Elektromotoren unterstützen. Auch andere Autohersteller wie BMW und VW probieren Exoskelette aus. Bei Audi beispielsweise unterstützt ein Skelett Arbeiter in hockenden Positionen. Sind sie also in Zeiten alternder Belegschaften ein erfolgversprechender Ansatz, um den Fachkräftemangel zu besiegen? Sascha Wischniewski von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz ist da vorsichtig:
"Bislang gibt es noch keine Langzeitstudien, das heißt, die Frage, wie solche Systeme auf den menschlichen Körper wirken, wenn ich sie dauerhaft trage. Durch eine veränderte Belastung des Körpers habe ich eine zusätzlich Belastung an anderen Stellen des Körpers. Und die Frage wie das genau wirkt auf das Muskelskelettsystem, gegebenenfalls auch auf das Herz-Kreislaufsystem, dazu liegen noch keine Erkenntnisse vor."
Einsatz bei Arbeit unter erschwerten Bedingungen
Für Wischniewski sind die Exoskelette eher ein weiteres Hilfsmittel unter vielen für die Arbeitswelt, keine Revolution. In erster Linie, so Wischniewski, sollten die Unternehmen dafür sorgen, dass die Arbeitnehmer grundsätzlich in gesunder Körperhaltung arbeiten und produzieren können:
"Das heißt, ich sollte grundsätzlich so vorgehen, dass ich die Technik und die Organisation so gestalte, dass ich ohne ein Exoskelett arbeiten kann. Insofern würde ich sagen, es ist eigentlich eher nicht unbedingt das erste Mittel der Wahl der Arbeitsgestaltung."
Exoskelette würden demnach also erst zum Einsatz kommen, wenn alle anderen Mittel, um die Arbeit so angenehm wie möglich zu machen, ausgeschöpft sind. Sie machen also zum Beispiel dann Sinn, wenn die Anwender unter erschwerten Bedingungen arbeiten - wie zum Beispiel Maler, die Decken streichen und unterschiedliche Einsatzorte haben mit jeweils neuen Gegebenheiten.