Die Stimmung ist aufgeheizt im Prager Siemenswerk. Zu Hunderten strömen die Metallarbeiter auf die Straße, als sie von der folgenschweren Entscheidung aus Deutschland erfahren: Der Siemens-Konzern will das Werk verkaufen oder gleich ganz dicht machen. Lokomotiven stellen sie her, es geht um knapp 1000 Arbeitsplätze - und vor allem um eine ganz neue Erfahrung für die Tschechen, die mit Werksschließungen und harten Arbeitskämpfen bislang so gut wie nichts zu tun hatten. Jiri Zacek von der tschechischen Siemens-Gewerkschaft versteht die Welt nicht mehr.
"Schon im Mai gab es Gerüchte, dass das Werk hier geschlossen werden soll. Aber das Management hat uns beruhigt. Sie haben uns vorgerechnet, dass wir am günstigsten von allen Standorten seien: Hier kostet eine Produktionsstunde 50 Euro, am Standort in Wien ungefähr 75 Euro und im deutschen Krefeld bis zu 118 Euro. Deshalb denken wir, dass die Entscheidung gegen unseren Standort keine wirtschaftlichen Gründe hat, sondern politische."
Tatsächlich treffen die Einschnitte des Siemens-Konzerns in der Lokomotiv-Sparte ausschließlich Tschechien - die beiden anderen Werke in Österreich und Deutschland bleiben vorerst vom Stellenabbau verschont. Dass es einen politischen Hintergrund für die Entscheidung gegen das Prager Werk gebe, weist der tschechische Siemens-Sprecher Petr Sedlacek aber entschieden zurück:
"Wir sind eine private Firma, und unser Hauptziel ist der Gewinn. Wenn wir deshalb politische Entscheidungen träfen und keine wirtschaftlichen, dann wären unsere Aktionäre damit sehr unglücklich."
Siemens ist nicht der einzige deutsche Investor, der mit dem Geschäftsverlauf im früheren Billiglohnland Tschechien unzufrieden ist. Der Kurs der tschechischen Krone ist auf einem Rekordniveau, die Löhne und Gehälter steigen ebenfalls. Diese beiden Faktoren zusammen, heißt es aus dem Umfeld von Siemens, hätten in den vergangenen drei Jahren die Arbeitskosten um 50 bis 70 Prozent nach oben getrieben. Deshalb könnte sich jetzt genau die Strategie rächen, mit der Tschechien nach der politischen Wende den Aufschwung geschafft hatte: Es waren vor allem Fabrikhallen entstanden mit billigen Arbeitskräften. Nun aber besinnen sich die ausländischen Investoren langsam wieder auf die Vorteile zurück, die sie an ihren Stammsitzen haben. Genau das sei im Fall des Siemens-Werks passiert, sagt der tschechische Gewerkschafter Stanislav Kalous:
"Es gibt einen Überhang von 1,2 Millionen Arbeitsstunden in den drei Lokomotivwerken. Deshalb will man einen Standort zumachen und die anderen beiden danach voll auslasten. Welchen Standort macht man also zu? In Krefeld steht eine Spitzenfabrik, wo es eine Entwicklungsabteilung gibt und wo Prototypen gebaut werden; in Wien ist es ähnlich. Und uns hat man immer klein gehalten, wir haben nur produziert und waren von den anderen abhängig. Jetzt sind wir als schwächste aus dem Rennen, obwohl wir wirtschaftlich am stärksten waren."
Solch nüchterne Erkenntnisse wirken wie ein Schock auf die Tschechen. Seit mehr als einem Jahrzehnt ist die Wirtschaft immer nur gewachsen - das erste Anzeichen einer Krise kommt deshalb völlig unvorbereitet. Und der Fall Siemens könnte Schule machen: Bei den deutschen Arbeitgebern wächst die Unzufriedenheit mit dem Standort Tschechien, der noch vor einigen Jahren für viele die erste Wahl gewesen ist. Ihnen fehlt derzeit vor allem ein klarer Kurs der Prager Regierung - die nehme die Probleme einfach nicht ernst genug, klagt Sebastian Holtgrewe von der deutsch-tschechischen Handelskammer.
"Insbesondere was den Euro-Kurs der tschechischen Regierung angeht, ist man total unzufrieden. Die deutschen Unternehmen würden sich wünschen, dass zumindest mal ein Datum genannt wird, wann der Euro eingeführt wird, um die Wechselkursrisiken einschränken zu können."
Genau damit halten sich die Prager aber noch zurück. Bis weit ins nächste Jahrzehnt hinein wird es auf jeden Fall dauern, bis die Gemeinschaftswährung auch in Tschechien gilt - für einige Investoren ist diese Verzögerungs-Strategie noch ein Grund mehr, sich vom früheren Billiglohn-Standort Tschechien zurückzuziehen. Diese Tendenz habe man schon länger beobachten können, meint Stanislav Kalous aus dem Siemens-Betriebsrat resigniert:
"Hier sind in letzter Zeit nur noch die Aufträge gelandet, die unvorteilhaft waren oder sogar Verlust gebracht haben. Unser Siemens-Werk ist zur Müllhalde für den ganzen Geschäftsbereich geworden."
"Schon im Mai gab es Gerüchte, dass das Werk hier geschlossen werden soll. Aber das Management hat uns beruhigt. Sie haben uns vorgerechnet, dass wir am günstigsten von allen Standorten seien: Hier kostet eine Produktionsstunde 50 Euro, am Standort in Wien ungefähr 75 Euro und im deutschen Krefeld bis zu 118 Euro. Deshalb denken wir, dass die Entscheidung gegen unseren Standort keine wirtschaftlichen Gründe hat, sondern politische."
Tatsächlich treffen die Einschnitte des Siemens-Konzerns in der Lokomotiv-Sparte ausschließlich Tschechien - die beiden anderen Werke in Österreich und Deutschland bleiben vorerst vom Stellenabbau verschont. Dass es einen politischen Hintergrund für die Entscheidung gegen das Prager Werk gebe, weist der tschechische Siemens-Sprecher Petr Sedlacek aber entschieden zurück:
"Wir sind eine private Firma, und unser Hauptziel ist der Gewinn. Wenn wir deshalb politische Entscheidungen träfen und keine wirtschaftlichen, dann wären unsere Aktionäre damit sehr unglücklich."
Siemens ist nicht der einzige deutsche Investor, der mit dem Geschäftsverlauf im früheren Billiglohnland Tschechien unzufrieden ist. Der Kurs der tschechischen Krone ist auf einem Rekordniveau, die Löhne und Gehälter steigen ebenfalls. Diese beiden Faktoren zusammen, heißt es aus dem Umfeld von Siemens, hätten in den vergangenen drei Jahren die Arbeitskosten um 50 bis 70 Prozent nach oben getrieben. Deshalb könnte sich jetzt genau die Strategie rächen, mit der Tschechien nach der politischen Wende den Aufschwung geschafft hatte: Es waren vor allem Fabrikhallen entstanden mit billigen Arbeitskräften. Nun aber besinnen sich die ausländischen Investoren langsam wieder auf die Vorteile zurück, die sie an ihren Stammsitzen haben. Genau das sei im Fall des Siemens-Werks passiert, sagt der tschechische Gewerkschafter Stanislav Kalous:
"Es gibt einen Überhang von 1,2 Millionen Arbeitsstunden in den drei Lokomotivwerken. Deshalb will man einen Standort zumachen und die anderen beiden danach voll auslasten. Welchen Standort macht man also zu? In Krefeld steht eine Spitzenfabrik, wo es eine Entwicklungsabteilung gibt und wo Prototypen gebaut werden; in Wien ist es ähnlich. Und uns hat man immer klein gehalten, wir haben nur produziert und waren von den anderen abhängig. Jetzt sind wir als schwächste aus dem Rennen, obwohl wir wirtschaftlich am stärksten waren."
Solch nüchterne Erkenntnisse wirken wie ein Schock auf die Tschechen. Seit mehr als einem Jahrzehnt ist die Wirtschaft immer nur gewachsen - das erste Anzeichen einer Krise kommt deshalb völlig unvorbereitet. Und der Fall Siemens könnte Schule machen: Bei den deutschen Arbeitgebern wächst die Unzufriedenheit mit dem Standort Tschechien, der noch vor einigen Jahren für viele die erste Wahl gewesen ist. Ihnen fehlt derzeit vor allem ein klarer Kurs der Prager Regierung - die nehme die Probleme einfach nicht ernst genug, klagt Sebastian Holtgrewe von der deutsch-tschechischen Handelskammer.
"Insbesondere was den Euro-Kurs der tschechischen Regierung angeht, ist man total unzufrieden. Die deutschen Unternehmen würden sich wünschen, dass zumindest mal ein Datum genannt wird, wann der Euro eingeführt wird, um die Wechselkursrisiken einschränken zu können."
Genau damit halten sich die Prager aber noch zurück. Bis weit ins nächste Jahrzehnt hinein wird es auf jeden Fall dauern, bis die Gemeinschaftswährung auch in Tschechien gilt - für einige Investoren ist diese Verzögerungs-Strategie noch ein Grund mehr, sich vom früheren Billiglohn-Standort Tschechien zurückzuziehen. Diese Tendenz habe man schon länger beobachten können, meint Stanislav Kalous aus dem Siemens-Betriebsrat resigniert:
"Hier sind in letzter Zeit nur noch die Aufträge gelandet, die unvorteilhaft waren oder sogar Verlust gebracht haben. Unser Siemens-Werk ist zur Müllhalde für den ganzen Geschäftsbereich geworden."