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Arbeitsprozesse optimieren

Tag für Tag auf Arbeit immer das gleiche tun, nach der Schicht nach Hause gehen und mit den Kollegen der anderen Schichten kaum ein Wort wechseln. So sieht es oft aus in größeren Betrieben. Jeder macht sein Ding, Erfahrungen und Probleme werden kaum weitergetragen. Dabei ist gerade das wichtig für Weiterentwicklungen innerhalb der Firma und für ein besseres Betriebsklima. Dresdner Wissenschaftler nutzen die Methode des ''Aufgabenbezogenen Informationsaustauschs'', um in Firmen Arbeitsprozesse zu verändern, zu optimieren und auch um das Klima zwischen den Mitarbeitern zu verbessern.

04.09.2002
    Spontane Äußerungen - wie zum Beispiel: Endlich haben wir mal zusammengesessen und gut, dass wir mal miteinander geredet haben - solche Bekenntnisse bekommen Frauke Jahn und Annekatrin Wetzstein oft zu hören. Die beiden Arbeitspsychologinnen an der TU Dresden arbeiten nach der Methode des "Aufgabenbezogenen Informationsaustauschs". Sie geben Firmen die nötige wissenschaftliche Unterstützung, wenn einzelne Arbeitsprozesse optimiert werden sollen. Zunächst muss die Firma aber selbst herausfinden, wo sie Probleme hat - danach moderieren die Wissenschaftlerinnen Gespräche zwischen allen Beteiligten. Annekatrin Wetzstein:

    Das Wichtige ist eben, dass sowohl unterschiedliche Hierarchien beteiligt sind, dass Führungskräfte anwesend sind, die gleich an der richtigen Stelle Entscheidungen treffen können, die Weisungen geben können, und dass auch Mitarbeiter anwesend sind, die genau wissen, was die Probleme sind, was wo hakt und die vielleicht schon in der Schublade einen Haufen Ideen haben, wie man was verbessern kann.

    Die Sitzungen finden idealer Weise im zweiwöchigen Rhythmus statt - insgesamt 8 bis 10 Mal. Zu Beginn werden ein paar Regeln festgelegt, unter anderem die, dass Mitarbeiter gegenüber ihren Vorgesetzten offen reden sollen. Die Gruppe muss dann im Gespräch herausfinden, wo im Arbeitsablauf die Probleme liegen. Ein Mitarbeiter hat sich vielleicht im Laufe der Zeit seine Arbeit so organisiert, dass er schneller arbeitet als seine Kollegen. Damit in Zukunft die gesamte Firma von seinen Erfahrungen profitiert, muss das Wissen ausgetauscht werden. Dabei sind gerade die einfachsten Abläufe, die sich täglich wiederholen, am schwersten in Worte zu fassen, erklärt Frauke Jahn:

    Vergleichbar ist das Autofahren, das man vielleicht vor 10, 15 Jahren gelernt hat. Dort ist es ganz schwer, sich dieser Arbeitstätigkeit wieder bewusst zu werden, sich eigentlich vor Augen zu führen, was mache ich jetzt Schritt für Schritt und wo sind dort überhaupt noch Potenziale, etwas zu verbessern. Dort ist nicht die Schwierigkeit, etwas im Arbeitsprozess zu verbessern, sondern erst mal den Arbeitsprozess wieder explizit ins Gedächtnis zu rufen.

    Besonders schnell verändern sich Arbeitsabläufe in der Hightech-Industrie. Deshalb nutzt zum Beispiel der Chiphersteller Infineon die Methode des "Aufgabenbezogenen Informationsaustauschs". Die Angestellten arbeiten in drei Schichten rund um die Uhr, damit die Produktion nicht stockt. Neue Innovationen werden im laufenden Betrieb eingeführt. Da sich die Mitarbeiter der verschiedenen Schichten aber immer nur sehr kurz sehen, können sie sich gegenseitig nur ungenügend auf dem letzten Stand der Technik halten. Und auch an ganz persönliche Bedürfnisse der Mitarbeiter muss gedacht werden, sagt Gerhard Luhn. Er ist bei Infineon zuständig für die Automatisierung der Produktion.

    Das geht von ganz einfachen Verbesserungen am Arbeitsplatz - wie Informationen beispielsweise durch Aushänge zur Verfügung stellen - bis hin zur Verbesserung des Arbeitsumfelds unserer Mitarbeiter, zum Beispiel durch das Aufstellen von Mundduschen, Versorgung im Reinraum bis hin zu den komplexeren Themen, wenn es um die Zusammenarbeit mit anderen Bereichen geht.

    Die Leistungsfähigkeit ganzer Produktionsteams sei nach den gemeinsamen Sitzungen mit den Arbeitspsychologinnen der TU Dresden merklich angestiegen. Außerdem wollten die Mitarbeiter nur noch halb so oft kündigen. Und es verbesserte sich noch mehr - Annekatrin Wetzstein:

    Gerade dort kam es zu einer besseren Anlagenauslastung, die Schichtübergaben zwischen den verschiedenen Schichten konnten optimiert werden und auch die Dokumente und betrieblichen Unterlagen konnten neugestaltet und so gestaltet werden, dass sie ganz einfach handhabbar sind.

    Obwohl die Methode des "Aufgabenbezogenen Informationsaustauschs" bereits 1986 in der DDR entwickelt wurde, lässt sie sich noch heute perfekt anwenden. Spielte damals die Leistungssteigerung die größte Rolle, geht es heute ebenso um Gesundheit und Wohlbefinden der Mitarbeiter.

    Autor: Axel Köhn