Dienstag, 16. April 2024

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Arbeitsrecht und Corona-Pandemie
"Es gibt auch eine Mitwirkungspflicht des Arbeitnehmers"

Der Arbeitgeber kann grundsätzlich nicht jeden Urlaubsrückkehrer zu einem Test verpflichten, sagte Arbeitsrechtler Christoph Legerlotz im Dlf. Wer jedoch aus einem Risikogebiet zurückkehre, solle seinen Arbeitgeber informieren. Zum Schutz anderer Mitarbeiter könne dieser dann einen Corona-Test einfordern.

Christoph Legerlotz im Gespräch mit Birgid Becker | 27.07.2020
Ein Rettungsassistent der Berufsfeuerwehr Halle wartet in einer Corona-Teststation für Urlaubsrückkehrer am Flughafen Leipzig/Halle.
Bundesregierung, Bundesländer aber auch Arbeitgeber überlegen, wie sie mit Urlaubsrückkehrern verfahren sollen - auch zum Schutz der Gemeinschaft. (picture alliance/dpa - Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa)
Urlaubsrückkehrer sollen an Flughäfen Corona-Tests machen, wenn sie aus Risikogebieten wieder einreisen. Noch gibt keine Test-Pflicht. Das würde Bayerns Ministerpräsident Markus Söder aber gerne ändern. Der CSU-Politiker appellierte an den Bund, über das Infektionsschutzgesetz die Rechtsgrundlage für verpflichtende Corona-Tests zu schaffen.
Wie aber soll man umgehen mit Urlaubsrückkehrern, die wieder zur Arbeit erscheinen. Der Arbeitgeber hat natürlich grundsätzlich ein Interesse zu wissen, ob von den Rückkehrern Risiken ausgehen. Was dürfen Arbeitgeber überhaupt von den Beschäftigten verlangen aus Gründen des Infektionsschutzes? Der Kölner Fachanwalt für Arbeitsrecht, Christoph Legerlotz, über arbeitsrechtliche Verpflichtungen auf beiden Seiten.
"Die beschlossenen Tests, die jetzt kommen sollen, sind ja ohnehin freiwillig"
Birgid Becker: Darf der Arbeitgeber Corona-Tests von Urlaubsrückkehrern verlangen?
Christoph Legerlotz: Die beschlossenen Tests, die jetzt kommen sollen, sind ja ohnehin freiwillig – mit der Folge, dass möglicherweise jemand, der sich nicht testen lässt, sich in die dann behördlich angeordnete Quarantäne begeben muss und dann vielleicht 14 Tage auch dort eine Lohnfortzahlung durch das Infektionsschutzgesetz erhält, obwohl er vielleicht überhaupt nicht erkrankt ist. Deswegen sagt Herr Söder auch, das solle verpflichtend geschehen - wahrscheinlich genau vor diesem Hintergrund, dass Leute das natürlich auch ausnutzen können.
Jens Spahn, Bundesminister fuer Gesundheit, CDU, PK zu Corona in Urlaubszeiten und als Thema der EU-Ratspraesidentschaft, DEU, Berlin, 13.07.2020 *** Jens Spahn, Federal Minister of Health, CDU, PK on Corona during holidays and as a topic for the EU Council Presidency, DEU, Berlin, 13 07 2020
Spahn (CDU): "Wir prüfen eine rechtliche Verpflichtung"
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat erklärt, dass seine Behörde auch eine rechtliche Verpflichtung zu Corona-Tests für Reiserückkehrer aus Risikogebieten in Erwägung zieht.
Da die Tests freiwillig sind, kann es natürlich auch sein, dass jemand dann an den Arbeitsplatz zurückkehrt und hat keinen Test gemacht. Der Arbeitgeber kann grundsätzlich nicht jeden Urlaubsrückkehrer zu einem Test verpflichten. Wir müssen aber immer sehen: Nicht nur der Arbeitgeber muss sich schützend vor seine Mitarbeiter stellen und Fürsorgepflichten beachten. Umgekehrt gilt auch eine Rücksichtnahmepflicht der Arbeitnehmer. Sie müssen auch das tun, damit der Arbeitgeber geschützt wird, und wenn ich tatsächlich aus einem Risikogebiet zurückkomme, oder ich weiß, dass möglicherweise Kontakt bestand mit jemandem, der infektionsverdächtig ist oder gar infiziert war, dann werde ich das wohl dem Arbeitgeber sagen müssen, damit er dann auch entscheidet, was will ich damit. Und wenn der Arbeitgeber dann sagt, ich möchte zum Schutz der anderen Belegschaft einen Test von Dir haben, dass Du Corona-negativ bist, dann wird er das wohl auch so anordnen können – mit der Folge, wenn der Mitarbeiter sagt, das tue ich aber nicht, dann kommt die Freiwilligkeit irgendwo an ihre Grenzen und der Arbeitgeber kann möglicherweise die Annahme der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers verlangen mit der Folge, dass er auch kein Geld kriegt.
Becker: Es ist schon so, dass der Arbeitgeber verlangen kann, dass der Arbeitnehmer sich testen lässt?
Legerlotz: Ja.
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"Der Arbeitgeber kann sagen, dann nehme ich Deine Arbeitsleistung nicht an"
Becker: Und dann, wenn der Arbeitnehmer Nein sagen würde, möchte ich nicht, was wäre dann die Folge?
Legerlotz: Dann kann der Arbeitgeber sagen, dann nehme ich Deine Arbeitsleistung nicht an, weil die Gefahr besteht, dass Du infiziert bist und möglicherweise – das sehen wir bei Tönnies – jetzt vielleicht 50, 60, 70 andere Mitarbeiter infizierst, dann muss ich meinen Laden dicht machen. Daher gibt es hier eine Mitwirkungspflicht aus meiner Sicht des Arbeitnehmers mit der Folge, wenn er diesen Test nicht macht oder dem Arbeitgeber das Ergebnis nicht mitteilt, dass er auch keinen Entgeltanspruch hat.
Becker: Das heißt, der Arbeitgeber darf auch verlangen, dass er über das Testergebnis informiert wird?
Legerlotz: In diesen Ausnahmefällen, wenn bekannt ist, dass der Mitarbeiter in einem Risikoland war, oder aber Kontakt mit solchen Personen hatte. Das muss er ja auch mitteilen. Und wenn er das mitgeteilt hat, dann hat der Arbeitgeber dieses Recht, ja.
Ein Mitarbeiter des Corona-Testzentrum am Flughafen Köln/Bonn steht im Eingang des Testzentrums.
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"Der Arbeitgeber hat kein Direktionsrecht"
Becker: Kann der Arbeitgeber eigentlich verlangen, dass ich nicht in einem Risikogebiet Urlaub mache?
Legerlotz: Nein, das kann er nicht. Das ist reine Privatsache. Der Arbeitgeber hat kein Direktionsrecht dahin gehend, dass er bestimmen kann, wo die Arbeitnehmer Urlaub machen. Problematisch wird es für den Arbeitnehmer nur dann, wenn er bewusst in ein Risikoland fährt und dort entweder nicht mehr ausreisen darf, dort unter Quarantäne gestellt wird, oder zurückkommt und ist infiziert oder ist erkrankt oder wird dann unter Quarantäne gestellt. Jedenfalls vom Arbeitgeber wird er in diesen Fällen nichts bekommen an Lohnfortzahlung, weil es – so sagen wir – in der Entgeltfortzahlung ein grobes Verschulden gegen sich selbst ist. Man muss immer beachten, dass man ein Risiko auch ausschließt, und wenn man in gröblicher Weise dagegen verstößt – und das ist wohl anzunehmen, wenn ich in ein Risikoland fahre -, dann gibt es hinterher auch kein Geld vom Arbeitgeber. Vielleicht von den Behörden, aber jedenfalls nicht vom Arbeitgeber.
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"Grundsätzlich muss ich dem Arbeitgeber eigentlich überhaupt nichts sagen"
Becker: Wie sieht es generell aus? Da ist man ja recht zurückhaltend, vom Arbeitnehmer überhaupt gesundheitliche Informationen zu verlangen, die der Arbeitnehmer an den Arbeitgeber weitergeben muss. Generell: Welche Informationen muss man dem Arbeitgeber die Gesundheit betreffend weitergeben?
Legerlotz: Grundsätzlich muss ich dem Arbeitgeber eigentlich überhaupt nichts sagen. Ich muss nicht ihm mitteilen, ob ich eine Schwerbehinderung habe, eine psychische Erkrankung oder aber irgendwelche sonstigen körperlichen Leiden, die immer wiederkehren. Das muss ich ihm nicht mitteilen. Das kann ich machen, muss es aber nicht. Ich muss eigentlich einem Arbeitgeber immer erst dann etwas mitteilen, wenn sich meine Krankheit auf meine Arbeitsleistung auswirken kann, sprich ich bestimmte Tätigkeiten nicht machen kann und sage, ich möchte deswegen diese Tätigkeit auch verweigern und gegebenenfalls diese auch nachweisen. Aber selbst in den medizinischen Vorsorgeuntersuchungen gibt es eine Rechtsverordnung, die sagt auch, ich muss zum Betriebsarzt gehen, aber der Betriebsarzt darf dem Arbeitgeber keine Mitteilung machen über das Ergebnis dieser Untersuchung.
Becker: Im Fall von Corona, im Fall von COVID-19 kann das aber anders sein?
Legerlotz: Ja, weil tatsächlich eine Pandemie eine Seuche ist, die existenzgefährdend für Arbeitgeber sein kann. Das ist anders, als wenn ich eine individuelle Erkrankung habe.
Becker: Sie haben es eben schon kurz erwähnt, aber noch mal nachgefasst: das Thema Lohnfortzahlung. Wenn man symptomfrei aus dem Urlaub zurückkommt, aber wegen eines Kontakts zum Beispiel mit einem Infizierten dann doch in Quarantäne muss. Die Lohnfortzahlung läuft weiter?
Legerlotz: Grundsätzlich würde ja diese Quarantäne dann behördlich angeordnet werden und das Infektionsschutzgesetz sieht auch dafür eine Entschädigung der Mitarbeiter vor. Die ist der Lohnfortzahlung ganz ähnlich nachgebildet. Der Arbeitgeber zahlt zunächst diese Beträge aus und kriegt sie dann hinterher behördlich erstattet.
Wenn der Arbeitgeber einfach nur sagt, Du hustest ein bisschen, ich schicke Dich mal nachhause, eine arbeitgeberseitig angeordnete Quarantäne, dann besteht natürlich eine normale Lohnfortzahlung. Nur die behördlich angeordnete Quarantäne führt dazu, dass es einen anderen Anspruch für den Mitarbeiter gibt.
Arbeitsrechtliche Fragen rund um die Corona-Warn-App
Becker: Ist das auch der Fall, wenn die Corona-Warn-App Alarm schlägt?
Legerlotz: Die Corona-Warn-App sagt ja erst mal nur: Vorsicht, da besteht irgendein Gefährdungspotenzial. Es ist bekannt, dass auch bei der Corona-Warn-App dann der Mitarbeiter nur angehalten wird, oder der Nutzer, muss man erst mal sagen, der angehalten wird, entweder sich beim Gesundheitsamt zu melden, oder bei dem ärztlichen Bereitschaftsdienst, oder bei seinem Hausarzt. Aber auch das ist eine freiwillige Maßnahme, die er dann vornehmen kann, aber es gibt keine Verpflichtung, dieses zu tun.
Mit Quarantäne hat das erst mal gar nichts zu tun. Er kann sich nicht in Selbstisolation begeben. Er kann nicht eigenständig entscheiden, ich arbeite jetzt erst mal nicht, bis die Testung durchgeführt wird. All diese Möglichkeiten stehen dem Arbeitnehmer nicht zur Verfügung. Da kann ich aber nur wiederum aus der Rechtswirklichkeit sagen: Wenn wir in der täglichen Praxis solche Fälle haben, egal ob Corona-App oder nicht Corona-App, wenn jemand hustet, wird im Zweifel der Arbeitgeber den Mitarbeiter nachhause schicken und ihn entweder ins Home Office versetzen oder bitten, dass er das tut und die 14-Tage-Frist abwartet.
Die Corona-Warn-App mit der Seite zur Risiko-Ermittlung ist im Display eines Smartphone vor der Kuppel des Reichstags zu sehen.
So funktioniert die deutsche Corona-Warn-App
Die offizielle Corona-Warn-App der Bundesregierung ist auf dem Markt. Sie soll Nutzer frühzeitig über einen Kontakt zu einem Infizierten informieren und helfen, Infektionsketten zurückzuverfolgen.
Becker: Darf der Arbeitgeber denn anordnen, dass Beschäftigte die Warn-App installieren?
Legerlotz: Da müssen wir unterscheiden. Wenn wir ein Dienst-Handy nehmen: Beim Dienst-Handy wird man sagen müssen, ja, das kann er. Es ist nur zur dienstlichen Nutzung, da bestimmt der Arbeitgeber alleine, welche Applikationen darauf gehören und wann während der Arbeitszeit diese auch zu benutzen sind. Wir haben diese Problematik bei Chat-Gruppen oder wenn ich Teams installiere oder auch WhatsApp und ich will eine bestimmte Erreichbarkeit haben. Dann wird der Arbeitgeber dieses für die Arbeitszeit anordnen können. Wenn die Arbeitszeit vorbei ist, kann der Mitarbeiter das Telefon aber einfach ausschalten. Dann ist natürlich auch die Corona-App ausgeschaltet.
Wenn er ein Privattelefon benutzt, das er vielleicht auch mal für dienstliche Nachrichten verwendet, da endet das Direktionsrecht des Arbeitgebers. Das kann der Arbeitgeber nicht anordnen.
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