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Der mögliche Vorteil harter Bewerbungsgespräche

Wenn das Bewerbungsgespräch anspruchsvoll war, sind die Angestellten später zufriedener. Das legt zumindest eine Studie der Jobportals Glassdoor nahe. "Schwierigere Bewerbungsverfahren sind einfach besser dafür geeignet, passende Kandidaten ausfindig zu machen", sagte Andrew Chamberlain, Autor der Untersuchung, im Deutschlandfunk.

Andrew Chamberlain im Gespräch mit Michael Böddeker | 23.11.2015
    Zwei Mitarbeiter bei einem Bewerbungsgespräch
    Andrew Chamberlain: "Wenn man das Bewerbungsgespräch um zehn Prozent schwieriger macht, führt das zu einer 2,6 Prozent höheren Zufriedenheit der späteren Angestellten." (dpa/lby - Stefan Puchner )
    Michael Böddeker: Wie schwierig oder wie leicht sollte ein Bewerbungsgespräch sein? Da gehen die Meinungen von Bewerbern und Personalverantwortlichen sicher weit auseinander, aber zumindest statistisch lässt sich die Frage beantworten: Eine neue Studie zeigt nämlich, wie anspruchsvoll ein Vorstellungsgespräch sein sollte, damit ein Mitarbeiter später möglichst zufrieden mit seiner Arbeit ist. Die Daten stammen dabei von "Glassdoor", das ist eine Internetplattform, auf der man unter anderem Firmen und auch Bewerbungsgespräche bewerten kann. Ich habe darüber mit Andrew Chamberlain gesprochen – er ist der Autor der Untersuchung und Wirtschaftsexperte bei "Glassdoor". Ihn habe ich gefragt: Was waren die wichtigsten Ergebnisse der Studie?
    Andrew Chamberlain: Die Frage, die wir beantworten wollten, war: Haben schwierige Bewerbungsgespräche irgendeine Auswirkung auf die spätere Zufriedenheit der Bewerber? Wir haben dafür die Daten von etwa 150.000 Personen auf "Glassdoor" ausgewertet, die uns zunächst gesagt haben, wie ihr Bewerbungsgespräch lief, also wie schwer es war - und später haben sie uns mitgeteilt, wie zufrieden sie mit ihrer Arbeit waren. So haben wir herausgefunden, dass es dazwischen einen Zusammenhang gibt: Wenn man das Bewerbungsgespräch um zehn Prozent schwieriger macht, führt das zu einer 2,6 Prozent höheren Zufriedenheit der späteren Angestellten, und das ist ein statistisch signifikanter Anstieg.
    Böddeker: Wie erklären Sie sich dieses Ergebnis?
    Chamberlain: Man kann den Bewerbungsprozess mit Dating und Beziehungen vergleichen: Die Bewerber testen, ob eine Firma gut zu ihnen passt. Genauso testet ein Personalverantwortlicher, ob der Bewerber zu ihm passt. Wenn dieser Datingprozess nicht besonders gründlich abläuft und sich beide Seiten nicht genau genug unter die Lupe nehmen, dann kann es Mismatches geben. Der falsche Mitarbeiter landet dann im falschen Job. Schwierigere Bewerbungsverfahren sind einfach besser dafür geeignet, passende Kandidaten ausfindig zu machen.
    Böddeker: Sie haben also diesen Zusammenhang gefunden, aber handelt es sich dabei wirklich um Ursache und Wirkung? Sind die Angestellten also wirklich später zufriedener, weil sie ein schwieriges Bewerbungsgespräch durchlaufen haben?
    Chamberlain: Leider können wir mit unserem Studiendesign nicht ausschließen, dass es auch anders herum war. Aber wegen der zeitlichen Abfolge der Aussagen der Bewerber, halte ich es für zumindest teilweise für Ursache und Wirkung, denn es lief ja so ab: Zuerst haben die Arbeitssuchenden das Bewerbungsgespräch beurteilt und dann, einen Monat bis anderthalb Jahre später, haben sie bewertet, wie gerne sie in ihrer Firma arbeiten. Daher glaube ich, dass es in den meisten Fällen ein kausaler Zusammenhang ist. Trotzdem kann es natürlich in einigen Fällen auch anders herum sein. Wenn die Angestellten gerne in ihrem Job arbeiten, erinnern sie sich vielleicht an ihr Bewerbungsgespräch und denken sich, das muss damals aber ein schwieriges Gespräch gewesen sein, wenn ich heute so gut zu meinem Job passe.
    "Man kann ein Gespräch auch zu schwierig gestalten"
    Böddeker: Oder vielleicht ist es ja auch so, dass nur die besten Bewerber Erfolg haben, und die Besten sind auch im Durchschnitt einfach zufriedener mit ihrer Arbeit.
    Chamberlain: Das könnte natürlich auch sein. Das ist ja das Ziel des Bewerbungsverfahrens, die Spreu vom Weizen zu trennen und den Job nur den am besten qualifizierten Bewerbern anzubieten. Aber was wir in unserer Umfrage ermittelt haben, war nicht, wie gut haben Sie sich im Bewerbungsgespräch geschlagen, sondern wir haben gefragt, wie anspruchsvoll war das Gespräch auf einer Skala von eins bis fünf, wobei fünf besonders schwer bedeutet. Daher glaube ich, dass es eine halbwegs objektive Messgröße war. Ich denke, die meisten Menschen können ehrlich bewerten, ob ein Vorstellungsgespräch sehr einfach war oder, ob es das schwierigste Gespräch war, das sie je hatten.
    Böddeker: Was denken Sie, können Personalverantwortliche aus dieser Studie lernen? Sollten sie die Bewerbungsgespräche so schwierig wie möglich machen, um später zufriedene Angestellte zu haben?
    Chamberlain: Nein, was wir herausgefunden haben, war nicht, dass schwieriger immer besser bedeutet. Man kann ein Gespräch auch zu schwierig gestalten. Auf der Skala von eins bis fünf führte eine Bewertung von vier am ehesten zu zufriedenen Mitarbeitern. Daher sollten Firmen versuchen, die Bewerbungsgespräche anspruchsvoll zu gestalten, aber nicht über die Maßen. Sehr einfache Vorstellungsgespräche eignen sich nicht gut dafür, die besten Bewerber zu finden, aber besonders schwierige Gespräche wiederum deuten darauf hin, dass es in der Firma eine feindselige Atmosphäre gibt, dass dort irgendetwas schief läuft, wenn die Bewerber so unfair behandelt werden. Daher: Vier Punkte auf einer Skala von eins bis fünf sollten das Ziel sein – anspruchsvoll, aber nicht zu sehr.
    Böddeker: ... sagt Andrew Chamberlain, Wirtschaftsexperte bei der Internetplattform "Glassdoor". Mit ihm habe ich über seine Studie gesprochen, die gezeigt hat, je anspruchsvoller das Bewerbungsgespräch, desto zufriedener sind die Mitarbeiter später.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.