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Architekt aus Leidenschaft

''Der Beruf des Architekten verlangt eine auf vielfältigen Kenntnissen und mannigfaltiger Bildung beruhende Wissenschaft. Stets geht es in der Architektur jeweils um den Zweck, dem ein Bauwerk räumlich genügen soll, sowie um seine künstlerische Form.'' So beschrieb der Architekt Professor Harald Deilmann sein Fach 1962 in einem Studienführer für Architektur. Auch heute noch ist Deilmann, wenn auch nicht mehr an der Hochschule, so doch jeden Morgen um sieben in seinem Büro zur Stelle.

23.10.2002
    "1938 habe ich Abitur gemacht, 46 kam ich aus dem Krieg, aus der Gefangenschaft zurück und konnte dann an der Technischen Hochschule Stuttgart anfange, Architektur zu studieren", erinnert sich Deilmann. "Schon damals wusste ich, dass ich das werden wollte." Zielstrebig machte Deilmann in nur vier Semestern sein Examen und war danach maßgeblich am Aufbau des im Krieg zerstörten Münster beteiligt. 1949 bis '51 ging er als wissenschaftlicher Mitarbeiter zurück an die Uni, um dann 1955 als freiberuflicher Architekt durchzustarten: Er eröffnete Büros in Münster, Stuttgart, Düsseldorf und Dortmund und gewann zahlreiche nationale und internationale Wettbewerbe. 1963 schließlich begann er, seine Erfahrungen als Hochschullehrer weiterzugeben. Als Professor in Stuttgart, ab 1967 an der Akademie der Künste in Berlin und schließlich in Dortmund prägt er die Lehre der Architektur an vielen Standorten in Deutschland mit. In Dortmund etwa entwarf er maßgeblich den praxisorientierten Studiengangs Architektur. Auch nach seiner Emeritierung 1985 betritt der rüstige Grand Seigneur der deutschen Architekturszene jeden Morgen um sieben sein Büro: "Ich habe gerade meinen 82. Geburtstag hinter mir, und ich werde immer wieder gefragt: mein Gott, müssen Sie das denn immer noch machen. Ja, ich mache es bis zu meinem letzten Atemzug. Ich finde es so faszinierend, dass ich freiwillig nicht davon lassen kann."

    Für Campus & Karriere hat sich Harald Deilmann noch einmal den Fragen von Studierenden gestellt.

    Frage: Sie haben ja unmittelbar nach dem Krieg studiert. Gab es damals überhaupt so etwas wie ein Studentenleben?

    Deilmann: Das Klima war, möglichst schnell und möglichst konzentriert und möglichst nach den langen verlorenen Jahren auch das Berufsziel zu erreichen. Und, was heute gar keiner mehr glauben kann, wir hatten alle Sorge, dass der Krieg weitergehen würde. Wir waren also sehr fleißig, sehr konzentriert und es hatte sich sehr viel angespeichert an Wissensdurst, an Bereitschaft, jetzt also wirklich, das was man schon lange vorhatte, endlich machen zu können. Das Semester hatte 306 Studenten, die neu aufgenommen waren, das war das Studentenleben, das war ein Massenbetrieb. Natürlich waren wir alle guten Mutes und auch bereit, gemeinsame Dinge zu machen. Aber unser Hauptziel war einfach das Studium, unsere Arbeit, die bis in die Nächte hinein ging, um unsere Leistungen, die verlangt wurden, auch herstellen zu können.

    Frage: Die Bauindustrie ist ja zurzeit in einer schweren Krise. Welche Berufsperspektiven haben wir überhaupt als angehende Architekten?

    Deilmann: Ich kann jedem nur immer sagen: Die Chancen sind so, wie jeder sie sich selbst schafft. Er muss sich natürlich auch bemühen. Das kommt dazu, dass im Architektenberuf ein sehr breites Spektrum an Tätigkeitsmöglichkeiten besteht. Es gibt vom Stadtplaner bis zu dem in der Bauaufsicht tätigen Architekten, in der Denkmalpflege, in der Programmierung von Aufgaben ein breites Spektrum an Möglichkeiten, wo man eigentlich auch entsprechend seinen Neigungen, sich einem gemäße Tätigkeit aussuchen können. Es kommt natürlich immer die Frage, aber die augenblickliche Situationen auf dem Bausektor, die ist auch wirklich sehr bescheiden und bedenklich und konjunkturell nicht sehr glücklich. Es hat immer die Höhen und Tiefen gegeben, das ist so und gilt auch für andere Berufe. Ich meine, da muss man durch und man muss auch an sich selbst glauben.

    Frage: Woran krankt das Architekturstudium? Ist es zu wenig praxisorientiert?

    Deilmann: Ich war ja in Stuttgart Professor und wurde dann zur Gründung der neuen Universität nach Dortmund berufen und habe dort die Chance gesehen, das einzurichten, was an einer etablierten Architektenschule nicht mehr einzurichten war, eine interdisziplinäre Ausbildung. Also das Bauen ist vielen unterschiedlichen Anforderungen unterlegen, die eigentlich nur noch im Team mit Fachingenieuren der verschiedensten Sparten positiv verwirklicht werden können. Und das gibt es in der Architektenausbildung an den Hochschulen nicht, da wird nur der Entwurfsarchitekt ausgebildet. Und ich habe es durchgesetzt, dass wir in Dortmund alle im Bauwesen tätigen Disziplinen im Studium schon verwirklichen.