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Architekt Paul Schneider-Esleben
Entschlossener Avantgardist

Paul Schneider-Esleben hat mit seinen Bauten Architekturgeschichte geschrieben: Besonders das Stadtbild von Düsseldorf hat er wesentlich mitgeprägt, beispielsweise durch das Mannesmann-Hochhaus. Die Münchener Pinakothek der Moderne widmet ihm nun eine Ausstellung.

Von Beatrix Novy | 29.07.2015
    "Die Welt wird heiter" titelte 1955, als der Krieg gerade zehn Jahre vorbei war, die Sonntagsbeilage einer Zeitung. Unter den Bildbeispielen dafür, dass die Welt heiter wurde, zeigte das Blatt neben lachenden Politikern und anderen komischen Anblicken einen gläsernen Bau in Düsseldorf, die strahlend erleuchtete Fassade durchzogen von einer schräg aufsteigenden Linie: die Auffahrt in die Haniel-Garage von Paul Schneider-Esleben. Der Bau mit seiner Vorhangfassade zeigte den jungen Architekten 1950 als entschlossenen Parteigänger der technisch enthusiasmierten Avantgarde. Wie er die Möglichkeit nutzte, alle Lasten und Kräfte in die innere Konstruktion des Gebäudes abzuleiten, während die Fassade nichts mehr tragen musste, erklärt Regine Heß, Kuratorin für die Pinakothek der Moderne:
    "Er hat die Garage mit Glas umgeben, und hat auch Leuchten immer so angeordnet, direkt hinter Glas, dass das ganze Gebäude nachts wie ein riesiger Kristall gestrahlt hat, das hat international für Aufsehen gesorgt, bis hin zum Life Magazine, die haben das Bild gebracht."
    Den ersten Stahlskelettbau mit Vorhangfassade vollendete Schneider-Esleben 1958 für die Firma Mannesmann, ein Hochhaus, schlank und leicht, das man heute zu den Wahrzeichen der Stadt Düsseldorf zählen kann. Es verweist vielfältig auf die Einflüsse der internationalen Moderne; schließlich war Schneider-Esleben eigens wegen dieses Auftrags mit seinem Freund Egon Eiermann in die USA gereist, um die technischen Aspekte zu recherchieren und tatsächlich eine entscheidende Anregung beim Flugzeughersteller Lockheed zu finden. Trotzdem, meint Regine Heß, ist das Mannesmann-Hochhaus eine genuine Leistung des Neuerers Schneider-Esleben:
    "Er ist dazu in die USA gereist, nicht nur um vergleichbare Bauten zu sehen, also Mies, das Lake Short Drive-Building, da hat er natürlich ein Vorbild gefunden, aber er hat die Technik entwickelt, wie man diese Paneele herstellen kann, da war er klar ein Vorreiter."
    Revolutionäres Konzept für den Flughafen Köln-Bonn
    Dies ist keine große Ausstellung, vielmehr eine zum Anfassen, wenn man das dürfte - ein überschaubarer Kranz von Bauwerken, jedes mit einer anderen Pointe, einem extravaganten Eigenwert. Dargestellt in Modellen, Fotografien und in Zeichnungen, die ihr Eigenleben gegen die heute gängigen Renderings glänzend verteidigen; alles ergänzt durch Dokumente und Publikationen der Zeit. Ein Film lässt in Zeitzeugenberichten den durchaus autoritären Arbeitgeber und Lehrer Schneider-Esleben erstehen, ein Star alter Schule, der statt mit Investoren-Vertretern noch mit einem Industriellen Franz Haniel in den Plüschsesseln des Düsseldorfer Industrieclubs konferierte. Seine großen Leistungen sind Solitäre und doch nicht das, was man heute mit den iconic buildings sogenannter Stararchitekten verbindet; sie beziehen sich weniger auf aufmerksamkeitheischende Originalität als auf die damals anregend aufpoppenden neuen Richtungen.
    Alles verwandelte Schneider-Esleben sich einmal an, mit der Gruppe Zero verwirklichte er den Kunst-Architektur-Dialog in der Düsseldorfer Schule Rolandstraße, den Brutalismus probierte er im Münchner "Schriftstellerhaus" der Jesuiten aus, heute zu Wohneigentum umgebaut: mit einem goldfarbenen Aufsatz, der dem Sichtbeton gar nicht schlecht steht, der Katalog verschweigt ihn vornehm. Der Zuschlag für den - damals - Staatsflughafen zwischen Bonn und Köln festigte Schneider-Eslebens Ruf: Das Terrassengebäude mit der sich wiederholenden sechseckigen Grundform und dem damals revolutionären Drive-in-Konzept setzte der hektischen Dynamik des Flugbetriebs Typologie und menschliches Maß entgegen. Trotzdem, Köln-Bonn blieb Schneider einziger Flughafen: Der Zenit war erreicht. Eine Blütenlese unzähliger nicht realisierter Entwürfe zeigt die ungewöhnliche und geradezu zeitlose Offenheit dieses modernen Architekten für Formen aller Art. Die zweischalige eiförmige Kuppel seiner Kirche St. Rochus in Düsseldorf, die einem noch heute ziemlich mutig vorkommt, hat jüngst ein christlich-muslimisch gemischtes Paar bewogen, gerade hier zu heiraten.
    Patriarch, Technikfan, Formerfinder - Paul Schneider Esleben, Architekt - Eine Ausstellung des Architekturmuseums der TU München und der Pinakothek der Moderne, 16.7. bis 18.10.15