Dessen bild- und bühnenhafte Ideenskizzen und Entwürfe gehen auf Bramante und Michelangelo zurück. Die Familie Bibiena ist geradezu eine Künstlerdynastie, die im Italien des Frühbarock wichtig waren. Frage an Christian Thomas: Klären Sie uns auf, wer war er und was macht ihn so bedeutsam?
Thomas: Er ist tatsächlich ein Mitglied einer Künstlerdynastie in Italien über ungefähr 100 Jahre, drei Generationen, er ist der Vertreter der dritten Generation und hat gelebt von 1687 bis 1769. Die Galli Bibiena, sowohl Alessandro wie auch sein Vater Ferdinando aber auch Francesco haben in der europäischen Theaterarchitektur eine entscheidende Rolle gespielt, sie haben sie maßgeblich beeinflusst als Architekten, aber auch als Zeichner und Bühnendekorateure. Sie haben in Italien gearbeitet, in Wien, Bayreuth und von Alessandro, um den es in München in der Hauptsache geht, gibt es auch das Theater in Mannheim, ist auch die Jesuitenkirche beispielsweise in Mannheim überliefert, immerhin eine der bedeutenden Barockbauten in Süddeutschland.
Köhler: Er ist also durch Theaterarchitektur und -kulissen bekannt geworden, durch so genanntes Illusionstheater. Was ist auf den Zeichnungen zu sehen, wenn wir sie heute als so genannte Spätmoderne in Zeiten von telemedialen Gleichzeitigkeiten ansehen. Was ist das Suggestive daran?
Thomas: Dass dort auf der einen Seite Profan- und Sakralarchitekturen gezeigt werden und in einem ganz besonderen Maße natürlich auch Phantasiearchitekturen, also solche Architekturen, wie sie als Bühnenbild auf die Bühne der Aufklärung oder des Barock gekommen sind. Es sind insofern Phantasiearchitekturen, als auf der einen Seite die griechische, auf der anderen die römische Antike zu sehen ist, gleichzeitig aber auch wiederum Hinweise auf ägyptische Architekturen.
Köhler: Galli Bibiena hat vielleicht nicht um die Ecke gedacht, aber geschaut. Er hat etwas eingeführt. Was?
Thomas: Die Renaissance hat die Zentralperspektive aufgebracht, das heißt, die Darstellung insbesondere durch Frontalität und Axialität und wie es dann natürlich auch in der Renaissance üblich war, durch Monumentalität. Das Neue an Galli Bibiena - und das ist tatsächlich eine Revolution in der Darstellung - ist die so genannte Übereckstellung. Das geht so, dass wie die Spitze eines Dreiecks, ein Pfeiler, eine Säule oder überhaupt ein Gegenstand in den Bildvordergrund gerückt wird, so dass die Perspektivlinien links und rechts von diesem Dreieck wegfliegen in den Hintergrund. Buchstäblich wegfliegen, so dass dadurch eben nicht mehr die traditionelle Guckkastenbühne zu sehen ist, sondern hinter diesen gestaffelten Räumen sich immer wieder andere Räume auftun, sei es dadurch, dass sie tatsächlich dargestellt werden oder aber dass diese Suggestion beim Betrachter hinterlassen wird. Nicht von ungefähr geschieht das in einem Blatt Alessandro Galli Bibienas mit einem Kerkerblatt. Das hat schlicht damit zu tun, dass die Kerker auf den Barockbühnen 'in’ gewesen sind. Es gibt kaum eine Oper, die nicht auf eine Kerkerszene zurückgegriffen hat, was theatralische oder dramatisierende Gründe hat. Und Galli Bibiena hat ein Kerkerblatt geschaffen, eben um ungefähr 1725, das auch in München in der Ausstellung zu sehen ist. Und damit, mit dieser Übereckstellung, von der ich schon gesprochen habe, werden buchstäblich neue Räume eröffnet. Wenn man es salopp sagen wollte, gibt es also keinen abgeschlossenen Hintergrund, sondern hinterm Horizont geht es tatsächlich weiter. Das ist kunsthistorisch von immenser Bedeutung, natürlich hat das auch, wenn man einen anderen Kontext ansprechen will, auch philosophisch eminente Dimensionen, denn was bedeutet das, dass tatsächlich auf der Bühne unendliche Räume geschaffen werden? Das hat natürlich unmittelbar mit der Philosophie auch zu tun seit Giordano Bruno, seitdem der Neuzeit klar ist, dass der Kosmos kein geschlossenes Weltbild abgibt.
Thomas: Er ist tatsächlich ein Mitglied einer Künstlerdynastie in Italien über ungefähr 100 Jahre, drei Generationen, er ist der Vertreter der dritten Generation und hat gelebt von 1687 bis 1769. Die Galli Bibiena, sowohl Alessandro wie auch sein Vater Ferdinando aber auch Francesco haben in der europäischen Theaterarchitektur eine entscheidende Rolle gespielt, sie haben sie maßgeblich beeinflusst als Architekten, aber auch als Zeichner und Bühnendekorateure. Sie haben in Italien gearbeitet, in Wien, Bayreuth und von Alessandro, um den es in München in der Hauptsache geht, gibt es auch das Theater in Mannheim, ist auch die Jesuitenkirche beispielsweise in Mannheim überliefert, immerhin eine der bedeutenden Barockbauten in Süddeutschland.
Köhler: Er ist also durch Theaterarchitektur und -kulissen bekannt geworden, durch so genanntes Illusionstheater. Was ist auf den Zeichnungen zu sehen, wenn wir sie heute als so genannte Spätmoderne in Zeiten von telemedialen Gleichzeitigkeiten ansehen. Was ist das Suggestive daran?
Thomas: Dass dort auf der einen Seite Profan- und Sakralarchitekturen gezeigt werden und in einem ganz besonderen Maße natürlich auch Phantasiearchitekturen, also solche Architekturen, wie sie als Bühnenbild auf die Bühne der Aufklärung oder des Barock gekommen sind. Es sind insofern Phantasiearchitekturen, als auf der einen Seite die griechische, auf der anderen die römische Antike zu sehen ist, gleichzeitig aber auch wiederum Hinweise auf ägyptische Architekturen.
Köhler: Galli Bibiena hat vielleicht nicht um die Ecke gedacht, aber geschaut. Er hat etwas eingeführt. Was?
Thomas: Die Renaissance hat die Zentralperspektive aufgebracht, das heißt, die Darstellung insbesondere durch Frontalität und Axialität und wie es dann natürlich auch in der Renaissance üblich war, durch Monumentalität. Das Neue an Galli Bibiena - und das ist tatsächlich eine Revolution in der Darstellung - ist die so genannte Übereckstellung. Das geht so, dass wie die Spitze eines Dreiecks, ein Pfeiler, eine Säule oder überhaupt ein Gegenstand in den Bildvordergrund gerückt wird, so dass die Perspektivlinien links und rechts von diesem Dreieck wegfliegen in den Hintergrund. Buchstäblich wegfliegen, so dass dadurch eben nicht mehr die traditionelle Guckkastenbühne zu sehen ist, sondern hinter diesen gestaffelten Räumen sich immer wieder andere Räume auftun, sei es dadurch, dass sie tatsächlich dargestellt werden oder aber dass diese Suggestion beim Betrachter hinterlassen wird. Nicht von ungefähr geschieht das in einem Blatt Alessandro Galli Bibienas mit einem Kerkerblatt. Das hat schlicht damit zu tun, dass die Kerker auf den Barockbühnen 'in’ gewesen sind. Es gibt kaum eine Oper, die nicht auf eine Kerkerszene zurückgegriffen hat, was theatralische oder dramatisierende Gründe hat. Und Galli Bibiena hat ein Kerkerblatt geschaffen, eben um ungefähr 1725, das auch in München in der Ausstellung zu sehen ist. Und damit, mit dieser Übereckstellung, von der ich schon gesprochen habe, werden buchstäblich neue Räume eröffnet. Wenn man es salopp sagen wollte, gibt es also keinen abgeschlossenen Hintergrund, sondern hinterm Horizont geht es tatsächlich weiter. Das ist kunsthistorisch von immenser Bedeutung, natürlich hat das auch, wenn man einen anderen Kontext ansprechen will, auch philosophisch eminente Dimensionen, denn was bedeutet das, dass tatsächlich auf der Bühne unendliche Räume geschaffen werden? Das hat natürlich unmittelbar mit der Philosophie auch zu tun seit Giordano Bruno, seitdem der Neuzeit klar ist, dass der Kosmos kein geschlossenes Weltbild abgibt.