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Architektur-Modellbauer WUP
Stadt, Land, Stadion im Kleinformat

Schon die Baumeister des Mittelalters halfen sich mit kleinen Modellen als Vorlage für große Baukunstwerke. Und trotz VR-Brillen und Computersimulation gibt es weiterhin Werkstätten, in denen Architekturmodelle zum Anfassen gebaut werden.

Von Gudrun Leopold | 28.06.2019
Das Team des Modellbauers WUB betrachtet das Modell einer Neubausiedlung, die aus Straßenzügen, Reihenhäusern, Mietshäusern und Gewerbegebäuden besteht.
Das Team von WUP mit dem Modell einer Neubausiedlung (Deutschlandradio / Gudrun Leopold)
In einem ruhigen Hamburger Hinterhof liegt die helle und geräumige Werkstatt der Modellbaufirma WUP, das Kürzel steht für Wiens und Partner. Ein angenehmer Holzduft liegt in der Luft. Aufgeräumt sieht es aus, vier große Arbeitstische gibt es für die Modellbauer. Nebenan brummen die Maschinen.
Ein Anschauungs- oder auch Präsentationsmodell genannt, aus hellem Holz gemacht, thront auf einem fahrbaren Untersatz im Gang der Werkstatt. So groß wie die Hälfte einer Tischtennisplatte, zeigt es eine Neubausiedlung: Mehrfamilienhäuser, Gewerbegebäude, Straßen und Bäume. Hans Wiens, der Firmengründer, beschreibt:
"Dieses Modell hat eine große Aussagekraft, weil man da auf einem Blick also sehr viel erfassen kann, was man erst in den Plänen nicht so gut kann, und im Modell sehen sie das Ganze, von unten, von oben, von der Seite von jedem Blickwinkel, den sie selber einnehmen"
Der Modellbauer arbeitet nach den Vorlagen der Architekten. Mit den Arbeitsmodellen überprüfen Architekten ihren Entwurf. Stimmen die Proportionen und hat sich kein Fehler eingeschlichen? Präsentationsmodelle sorgen für den letzten Schliff. Überzeugen Konzept und Ästhetik den Bauherrn? Schritt für Schritt verständigen sich Modellbauer und Architekt, erklärt der Endsechziger Wiens:
"Wir bekommen die Pläne vom Architekten und dann wird quasi besprochen, wie das Modell gestaltet werden soll und dann bringt er seine Ideen ein und dann können wir unsere Ideen einbringen und dann wird eine Route festgelegt, wie das Modell aussehen soll."
Bauherren mögen Modelle
Computer-Modelle machen anschaulich, wie ein Bauprojekt aussehen kann. Wenn es aber zu guter Letzt darum gehen soll, den Bauherren zu überzeugen, dann hat ein Modell zum Anfassen, Umrunden, Vor- und Zurücktreten doch Vorteile, weiß der Firmengründer.
Sein Kompagnon Nils Schubert, Mitinhaber seit 2017, erklärt, dass kein Modell wie das andere ist:
"Das ist ganz unterschiedlich je nach Bauvorhaben. Das geht von einer Person, das ist immer der Optimalfall, dass einer ein Modell selber bearbeitet von den Zeichnungen über den Frästeilen bis zum fertigen Modell. Bei großen Präsentationsmodellen ist es tatsächlich aber häufig so, dass nicht nur der Zeitrahmen so eng gesteckt ist, dass mehrere Leute da ran müssen, sondern ja auch einfach der Aufwand."
Die Modelle werden aus Kunststoff oder Holz hergestellt. Je nach Auftrag kann der Zeitaufwand für ein Modell von einem Tag bis zu zwei Monaten dauern. Sieben Modellbauer arbeiten in der Werkstatt. Computergestützte Konstruktion und Fertigung, CAD und CAM genannt, haben in Wiens Werkstatt längst Einzug gehalten. CNC-Fräse-Spezialist Musa Darbo erklärt:
"Also die Maschine ist dafür zuständig quasi Dinge auszuschneiden, die man vorab im CAD konstruiert und dann über einem CAM-Plan die Fräsparameter erstellt. Momentan bin ich dabei gerade, Gravuren zu machen für eine Grundplatte."
Mit dem Einzug der CNC-Fräse wurde die Fertigung an manchen Stellen günstiger. Je nach Größe und Umfang eines Auftrages variieren die Preise. Ein einfaches Arbeitsmodell ist für einen Tagessatz von 500 Euro zu haben, während das teuerste Modell auch fünfstellig werden kann, sagt Nils Schubert.
"Das Teuerste, was mir jetzt einfällt, liegt tatsächlich annähernd bei 80.000."
Auch der Kölner Dom hatte Modelle
Vor allem Modelle, mit denen Architekten in Wettbewerben antreten, gehen ins Geld. Hans Wiens ist stolz darauf, dass mithilfe seiner Modelle viele Wettbewerbe gewonnen wurden:
"Wir haben zum Beispiel für die Weltmeisterschaften viele Stadien gebaut. Wir haben das Modell vom Flughafen Hamburg gebaut, wir haben ein Modell vom Flughafen Moskau gebaut und so weiter"
Architektur ist ohne den Modellbau nicht denkbar, sagt Firmengründer Wiens und geht weit zurück in die Geschichte der Baukunst.
"Komplizierte Bauvorhaben wie z.b. der Kölner Dom, da wurden auch Modelle gemacht und die sind ohne Modell kaum realisierbar. Da sind sogar Modelle gemacht worden für Details, damit man sich das vorstellen kann."
Architektur und Modellbau gingen seit jeher Hand in Hand betont Hans Wiens, und er, Modellbauer aus Leidenschaft, ist sich sicher, dass das so bleibt – trotz Computermodellen und VR-Brillen, mit denen jedwede Realität simuliert werden kann. Denn auch Architekten, Städteplaner und Bauherren wollen nicht nur durch virtuelle Räume wandern, sondern ein Modell anfassen, drehen und wenden.
3D-Drucker mit begrenzten Möglichkeiten
Hans Wiens und sein etwa halb so alter Kompagnon glauben, dass der Modellbau Zukunft hat. 3D-Drucker? Gehören zum Inventar, ist eine Selbstverständlichkeit, sagt Nils Schubert:
"Wir haben selber einen, um oben bei der Technik mit dabei zu sein, für schnelle Aufträge, die wirklich mal über Nacht am besten fertig sein müssen, dafür sind sie auch gut".
Typisch aber für den Mix aus neuer Technik und alten Techniken – für alles sind die 3D-Drucker, die dreidimensionale Werkstücke aus unterschiedlichen Materialien herstellen können, dann doch nicht zu gebrauchen:
"Man ist von den Materialien her festgelegt, man kann kein Holz verarbeiten zum Beispiel und die Präzision von den CNC Maschinen ist tatsächlich besser, die Oberflächen sind sauberer noch, aber bis das wirklich unseren Job ablöst, denke ich mal, das sind noch ein paar Jahre."
Nils Schubert ist Optimist. Seit über 30 Jahren ist WUP im Geschäft. Der Mittdreißiger hofft, dass er es auf die gleiche Zeitspanne noch einmal bringt.