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Architektur-Weltkongress erstmals in Deutschland

Architektur. - In Berlin treffen sich zurzeit Architekten zum . Von den erwarteten 7000 Teilnehmer erschienen nur 5000 - ein Zeichen dafür, dass die Bauwirtschaft und damit auch die Architekten in der Krise stecken. Dennoch ging auch in Berlin der Blick nach vorne: Neue Konstruktionen und Baumaterialien waren ein wichtiges Thema.

    Von Wolfgang Noelke

    Mag es Bauwirtschaft und Architekten hierzulande auch schlecht gehen: In der so genannten dritten Welt gäbe es viel zu tun. Die Teilnehmer des Plenums am Mittwoch bewiesen, dass der westliche Einfluss Hauptursache sei, für das Elend der Großstädte in den so genannten Drittwelt-Ländern. Beispielsweise sei einst die gesamte gewachsene Infrastruktur Kambodschas zerstört worden durch den Import der Bauweise seiner Kolonialherren. Zuvor bestanden kambodschanische Städte aus vielen kleinen Dörfern mit funktionierender sozialer Infrastruktur. Auch in Argentinien wurde die einst reiche Pampa durch gnadenlose Bau- und Entwässerungsmaßnahmen zerstört. Die westliche Arroganz unserer Sichtweise, versuchen wir leider auch heute noch zu übertragen, um die Probleme der so genannten Drittweltländer zu lösen, kritisiert Professor Dr. Jörg Schlaich von der Universität Stuttgart:

    Wenn wir hier von Energie sprechen und davon, wie wir damit umgehen, dann betreiben wir doch sehr Nabelschau. Es gibt Milliarden Menschen, die da einen ganz anderen Gesichtspunkt haben. Ich muss sagen, wenn Bundeskanzler Schröder sagt, wir könnten von den Städten der Dritten Welt lernen, wie man energiesparend leben kann: Zynischer geht es doch nicht mehr. Denn das sind Niedrig- oder Nullenergiehäuser doch nicht deshalb, weil sie es mit einem großen technischen Aufwand betreiben, sondern weil sie eben keine andere Chance haben. Die haben kein Wasser und kein Holz, um sich eine Suppe zu kochen. Das ist die Situation. Da müssen wir uns fragen, ob wir nicht etwas daneben denken.

    Um nicht daneben zu denken und die alten Fehler aus der Kolonialzeit zu wiederholen, wagte Professor Schlaich beim Bau der Hookley-Bridge in Kalkutta ein Experiment: Wie wäre es, wenn das gesamte Bauwerk mit heimischem Baumaterial entstünde? Das erforderte natürlich schon bei der Planung der Brücke ein Umdenken, denn bislang war es üblich, Stahlelemente zu importieren, die vor Ort nur noch zusammengesetzt werden. Diesmal aber sollten die Einheimischen die Teile ihrer Brücke selbst produzieren:

    Und so haben wir eine neue Konstruktion entwickelt, einen ganz simplen Trägerrost, auf den wir dann eine Betonplatte aufgelegt haben: eine so genannte Verbundbrücke. Das hat den Vorteil, dass der Beton die Druckkräfte aufnehmen kann. Die Stahlkonstruktion dient als einfacher Rost, der frei vorgebaut werden kann und auf dem hinterher die Betonplatte hergestellt wird.

    Das in Stuttgart entwickelte Verfahren ist heute übrigens Standard im Brückenbau; Lohn dafür, sich Gedanken darüber gemacht zu haben, die Ressourcen des Landes zu nutzen, nicht nur die materiellen, sondern auch die menschlichen Ressourcen. Zurück zum Ursprung, zu den heimischen Baustoffen– das gelte übrigens auch für moderne Bauwerke im westlichen Europa, erspare oft hochtechnische Lösungen, architektonische Fehler zu korrigieren.