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ARD, Correctiv und Co.
Zweifel am Kampf gegen "Fake News"

Die ARD will mit ihrem "Faktenfinder" Falschmeldungen entlarven, das Recherchebüro "Correctiv" kann sich für die Zusammenarbeit mit Facebook verstärken - der Kampf gegen die sogenannten Fake News nimmt an Fahrt auf. Doch sind die Mühen angemessen?

Von Michael Borgers | 04.04.2017
    Ein Screenshot der ARD-Seite Faktenfinder
    Der "Faktenfinder" der ARD will Phänomene wie politische Propaganda, Gerüchte, Lügen und Halbwahrheiten im Netz sammeln und aufdecken. (Michael Borgers / Deutschlandfunk)
    Es geht weiter bei "Correctiv": Mehr als 100.000 Euro habe man von den Open Society Foundations erhalten, bestätigte uns David Schraven, Gründer des Recherchebüros mit Sitzen in Essen und Berlin, einen entsprechenden Bericht des Mediendienstes "Turi2". Das Geld reiche aus, um insgesamt fünf Mitarbeiter zu beschäftigen; drei Journalisten seien bereits dabei - darunter Karolin Schwarz, die bei @mediasres regelmäßig von ihrer Initiative Hoaxmap berichtet -, zwei weitere würden bald folgen.

    Ob die Summe der Stiftung von Investor George Soros aber denn auch ausreiche? Insgesamt? Schraven antwortet knapp: "Die Kohle ist da, wir können arbeiten." Sollte mehr Geld erforderlich sein, wäre dies wohl auch aufzutreiben. Denn: Jedes Problem könne gelöst werden, und aktuell seien die rund 100.000 Euro ausreichend. Schraven kündigte zudem an, dass bis Mitte April die ersten Ergebnisse der Arbeit für Facebook erscheinen würden, also Warnhinweise, die zweifelhafte Beiträge in dem Sozialen Netzwerk markieren sollen.
    Das Correctiv Logo in Berlin
    Correctiv bezeichnet sich selbst als "das erste gemeinnützige Recherchezentrum im deutschsprachigen Raum" (Britta Pedersen/dpa)
    "Gratwanderung" für die ARD
    Parallel hat die ARD inzwischen "Faktenfinder" gestartet. Das Onlineportal versteht sich als Knotenpunkt im ARD-Netzwerk, will Phänomene wie politische Propaganda, Gerüchte, Lügen und Halbwahrheiten im Netz sammeln und aufdecken. "Eine Gratwanderung", wie Projektleiter und Tagesschau-Autor Patrick Gensing im Interview im Deutschlandradio Kultur einräumte.
    Man beobachte genau, was im Netz passiere, wo sich die meisten gezielten Falschmeldungen verbreiten. Und dann müsse man überlegen, "wenn wir da jetzt mit der Marke faktenfinder.tagesschau.de das Ganze thematisieren, ob wir es dadurch dann nicht erst viel, viel weiter verbreiten, als es jemals sonst Verbreitung gefunden hätte". Der Umgang mit Fake News sei alles andere als simpel und plakativ, gibt Gensing zu bedenken.
    Zumal in Zeiten, in denen auch sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk täglich dem Vorwurf ausgesetzt sieht, falsch respektive als "Staatssender" zu berichten. Entsprechend kritisch bewerten viele die Vorschläge von Politikern im Kampf gegen Falschmeldungen, wie den des Bundesinnenministeriums, eine Art Abwehrzentrum gegen Desinformation einzuführen.
    Warnung vor übertriebener Angst
    Ein hartes Durchgreifen gegen unliebsame Internetbeiträge oder staatliche Vorgaben für die Verbreitung erwünschter Inhalte nährten in der Bevölkerung den Eindruck nähren, die Herrschenden wollten keine Kritik mehr zulassen, warnte Anfang Februar im Online-Magazin "Novo" der Journalist und Psychologe Kolja Zydatiss. Und tendenziell gäbe man so "den Rechtspopulisten weiter Auftrieb". Auch sei das Phänomen der "Fake News" nicht dafür verantwortlich, dass sich viele Bürger von der etablierten Politik abwendeten.
    Die Angst, viele Menschen könnten bald in einer Filterblase stecken und über soziale Medien nur noch sehr einseitig informiert werden, sei übertrieben, erklärte Sascha Hölig vom Hans-Bredow-Institut für Medienforschung in Hamburg jüngst in der Zeitung "Die Welt". Zwar hätten viele Befragte in einer Studie zu Mediennutzung soziale Medien als Nachrichtenquelle mit angeben, aber nur wenige hätten sie als wichtigste oder sogar einzige Nachrichtenquelle genannt. Die Zahl derer, die sich nur in sozialen Medien bewegten, sei zudem sehr klein. Und: Das Vertrauen in Zeitungen und in Fernsehnachrichten sei immer noch am höchsten, betonte Hölig.
    Medien selbst hätten das Thema "Fake News" auch zum Thema gemacht, ergänzte nun im Deutschlandfunk Höligs Kollegin vom Hans-Bredow-Institut, die Kommunikationswissenschaftlerin Wiebke Loosen. Die Größe des Themas habe auch mit der Berichterstattung darüber zu tun. So hätten auch Studien in den USA ergeben, dass die Relevanz von "Fake News" überschätzt worden sei.