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Argentinien
Ex-Präsident Menem wegen AMIA-Attentat vor Gericht

Auch nach 21 Jahren wirft der Bombenanschlag auf das AMIA-Gebäude in Buenos Aires viele Fragen auf. 85 Menschen wurden damals getötet, die Täter sind bis heute nicht gefasst. Nun stehen 13 Angeklagte vor Gericht, denen vorgeworfen wird, die Ermittlungen behindert zu haben - darunter Ex-Präsident Menem.

Von Julio Segador | 07.08.2015
    Der ehemalige argentinische Präsident Carlos Menem bei einer Gerichtsverhandlung 2011.
    Unter Verdacht: Der argentinische Ex-Präsident Carlos Menem (dpa / picture alliance / Cézaro De Luca)
    Es war das schlimmste Attentat in der Geschichte Argentiniens. Am 18. Juli 1994 – vor 21 Jahren - detonierte eine Autobombe vor dem jüdischen Zentrum in Buenos Aires. Die Bombe löschte die AMIA aus. Die Bilanz des Attentats: 85 Tote, mehr als 300 Verletzte, über 100 zerstörte Gebäude. Bis heute wurde kein Täter verurteilt, was Opfer-Angehörige wie Diana Malamud, die ihren Mann bei dem Anschlag verlor, empört.
    "In unserem Land ist die Straflosigkeit weit verbreitet. Das führt dazu, dass begangene Verbrechen nicht geahndet werden. Sie haben keinerlei Folgen. Das ist schrecklich."
    Opfer fordern Aufklärung
    Das könnte sich vielleicht ändern. In Buenos Aires stehen seit gestern 13 Angeklagte vor Gericht. Sie stehen zwar nicht im Verdacht, die Täter zu sein, sie sollen vielmehr verhindert haben, die möglicherweise wahren Täter zu ermitteln. Das sieht zumindest Staatsanwältin Sabrina Namer so.
    "Man kann beobachten, dass über etwa fünf Jahre die syrische Spur nicht verfolgt wurde. Das führte dazu, dass wichtige Beweismittel, die man sofort hätte sichern müssen, unwiederbringlich verloren gingen. Dies erschwerte es, die Wahrheit ans Tageslicht zu bringen."
    Diese syrische Spur führt direkt zu dem prominentesten Angeklagten. Zu Carlos Menem, der zwischen 1989 und 1999 – also zum Zeitpunkt des Anschlags - argentinischer Staatspräsident war. Menems Eltern waren aus Syrien nach Argentinien ausgewandert, ebenso wie die von Alberto Kanoore Edul. Die Eltern beider hatten sogar in Syrien im selben Dorf gelebt. Menem kannte also Edul, der schon bald als einer der Hauptverdächtigen ins Visier der Fahnder geriet. Er hatte Kontakt zu dem Besitzer des Lastwagens auf dem der Sprengstoff transportiert worden war. Nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft soll Menem den zuständigen Richter angewiesen haben, die Ermittlungen gegen Edul einzustellen. Für Diana Malamud ein Schlag ins Gesicht der Opfer.
    "Menem begünstigte Personen, gegen die man eigentlich ermitteln hätte müssen. Sie entfielen als Tatverdächtige. Auf der anderen Seite gab es in der Regierung Erkenntnisse, dass dieser Anschlag geplant war. Viele wussten davon. Wir haben das im Laufe der Jahre erfahren. Das zählt zu den schmervollsten Erkenntnissen, dass der Anschlag hätte vereitelt werden können, aber das geschah nicht."
    Spur führt nach Syrien
    Auch der Richter – Juan José Galeano – der angeblich von Menem die Anweisung erhielt, steht in Buenos Aires vor Gericht. Er bestreitet die Vorwürfe.
    "Ich werde mich verteidigen und dabei beweisen, dass dieser Prozess die eigentliche Verschleierung ist. Ich soll – so heißt es – wichtigen Spuren nicht nachgegangen sein. Dabei habe ich mich fast zu Tode gearbeitet um den Argentiniern die Wahrheit zu präsentieren, die wir alle verdienen."
    Ein Jahr könnte der Prozess dauern. Sollte Ex-Präsident Menem wegen Strafvereitelung wirklich verurteilt werden, muss er aber nicht ins Gefängnis. Als gewählter Senator genießt der inzwischen 85-Jährige Immunität. Diana Malamud – die als Klägerin auftritt - glaubt nicht, dass der Prozess wirklich zu greifbaren Ergebnissen führen wird. Zu viel wertvolle Zeit sei verstrichen.
    "Wahr ist, dass ich nur wenig Hoffnung habe, dass hier Licht ins Dunkle kommt. Ich glaube nicht an Wunder, denn ein Wunder wäre nötig, dass der Fall aufgeklärt wird."