Mittwoch, 01. Mai 2024

Archiv


Argusaugen im Wald

Eine achtlos weggeworfene Zigarettenkippe oder ein nicht richtig ausgetretenes Grillfeuer reichen, um einen Waldbrand zu verursachen. In Niedersachsen, einem der Bundesländer mit der höchsten Waldbrandgefahr, wurde nun das weltweit modernste automatisierte Waldbrand-Früherkennungssystem eingerichtet.

Von Susanne Schrammar | 25.06.2009
    Sie hängen in 70 Meter Höhe, zum Beispiel an Mobilfunkmasten, sehen aus wie Überwachungskameras, drehen sich immer wieder um sich selbst und schießen alle paar Sekunden ein neues Schwarz-Weiß-Foto: die sogenannten Sensoren, die Hauptbestandteil sind des neuen Frühwarnsystems für Waldbrände in Niedersachsen.

    Der Nordosten des Landes mit seinen vielen jungen Kiefern und den trockenen Heideböden gilt als besonders gefährdet, hier werden in den nächsten Wochen 17 Sensoren im Wald installiert. Verhindern können sie ein Feuer zwar nicht, sagt Klaus Jänich, Vizepräsident der niedersächsischen Landesforsten, aber sie können helfen, den Schaden so gering wie möglich zu halten.

    "Wir erhoffen uns natürlich, dass wir noch schneller die Brandherde entdecken, dass wir noch schneller an den Brandherden sind. Und das ist bei Waldbränden unheimlich wichtig: in der ersten Viertel- bis halben Stunde am Brandherd zu sein, um das Feuer dann endgültig zu löschen."

    Bisher haben haupt- und ehrenamtliche Feuerwächter stundenlang auf hohen Türmen nach möglichem Feuer im Wald Ausschau halten müssen. Die Türme sind inzwischen stark baufällig. Sanieren hätte sich nicht gelohnt. Daher überwachen ab sofort die hochauflösenden Computersensoren - mit einer Reichweite von zehn bis 20 Kilometern. Eine Raucherkennungssoftware, die 16.000 verschiedene Grautöne unterscheiden kann, sucht dabei ständig nach Brandherden. Alle niedersächsischen Kameras sind mit einer zentralen Überwachungsstelle in Lüneburg verbunden, wo jeweils fünf Forstfachleute, die sogenannten Operator, sitzen. Holger Vogel, Geschäftsführer des Berliner Unternehmen IQ Wireless, hat das System entwickelt.

    "Sollte ein Rauchmerkmal erkannt werden, gibt es ein Signal an die Zentrale in Lüneburg, dort hat der Operator nicht nur das Signal selbst, sondern auch das entsprechende Bild - und kann mit seinen Erfahrungen das Bild untersuchen und feststellen: Ist es ein wirklicher Rauch, ist es eine Staubwolke durch einen Mähdrescher, was ja auch vorkommen kann, und kann dann eben entscheiden, die Einsatzkräfte zu alarmieren."

    Dass Waldgebiete mit kameraähnlichen Sensoren überwacht werden, ist nicht neu. In Brandenburg, Thüringen oder Mecklenburg-Vorpommern kommen sie längst zum Einsatz.

    Was das System in Niedersachsen zum weltweit Modernsten macht, ist neben der zentralen Steuerung die leistungsfähige, nahezu störungsfreie und extrem schnelle Datenübertragung. Möglich macht es das digitale Funksystem der Polizei in Niedersachsen, so Vogel.

    "Und das Zweite besondere ist, dass Niedersachsen das erste Netz hat, wo 24 Stunden überwacht werden kann. Dieser neue Sensor, den wir hier zum Einsatz bringen, kann auch Brände in der Nacht erkennen."

    Und zwar selbst dann, wenn ein Schwelbrand gerade mal einen Quadratmeter groß ist und Flammen noch nicht sichtbar sind. Da auch Niedersachsens Nachbarländer mit Kameraüberwachung ausgestattet sind, wird ab sofort die grenzübergreifende Waldbrandeindämmung viel einfacher, sagt Hans-Heinrich Ehlen. Der ist als Landwirtschaftsminister Herr über insgesamt rund 400.000 Quadratkilometer Wald in Niedersachsen. Obwohl drei Viertel davon in Privatbesitz sind, übernimmt die öffentliche Hand die Kosten für das digitale Überwachungssystem. Die belaufen sich auf rund 2,3 Millionen Euro. Weil Niedersachsen europäisches Waldbrandrisikogebiet ist, werden 1,6 Millionen Euro davon von der EU übernommen, so Ehlen. Für den Rest kommt das Land auf.

    "Es wäre schwieriger gewesen, das alleine auf der privatwirtschaftlichen Ebene der Waldbesitzer voneinander zu kriegen. Wir haben die Möglichkeit genutzt, hier dann auch das Neueste zu installieren. Und ich gehe dann mal davon aus, dass das ein gewaltiger Fortschritt ist in der Waldbrandüberwachung."