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Arkadien in Frankreich

Seit Jahrzehnten erliegen die Briten den Versprechungen des Südens: der Küche, dem guten Wein und dem regenarmen Klima. Gleich mehrere Airlines verbinden die kleine Stadt Bergerac in der französischen Dordogne mit Zielen in England und Schottland. Und so ist es kein Wunder, dass es immer mehr Briten in diese Region Frankreichs zieht. Alexander Musik war dort.

    14 Uhr, Flughafen Bergerac. Der Flug nach Southampton steht zum Einchecken bereit. Flugzeit: eine gute halbe Stunde. 90 Prozent der Passagiere in Bergerac sind Frankreich-Besucher aus Großbritannien, zehn Prozent wohnen in Frankreich, acht Prozent kommen mit der Absicht, in Frankreich Immobilien zu erwerben. Das hat die Stadtverwaltung jetzt errechnet. In der blitzsauberen Ankunftshalle umwirbt ein Videofilm die britischen Gäste und ihre Investitionen in der Dordogne.

    Emmanuel Arnaud, Mitglied des Flughafenpersonals, hat die Southampton-Passagiere soeben abgefertigt.

    "Manche leben hier und arbeiten in Großbritannien, manche kommen hierher, um zu arbeiten, manche leben hier und fliegen von Zeit zu Zeit nach Großbritannien - Es gibt sehr viele Briten in der Dordogne. Wenn man sich die vielen Passagiere anschaut, dann glaube ich schon, dass die Region alles tut, um sie anzulocken."

    Eine, die sich hier niedergelassen hat, ist Véronique Langlands-Perry. Mit ihren fuenf Töchtern bewohnt sie ein weitläufiges Grundstück in den Weinbergen über Bergerac. Sie macht das Marketing für einen russischen Winzer in der Region, ist Übersetzerin und kennt hier Gott und die Welt. Sie hat Verwandte an der Côte d'Azur und in Schottland. Geografisch in der Mitte liegt die Dordogne. Also hat sie das Haus h i e r gekauft. Von ihrer Terrasse sieht sie die Flugzeuge abheben; zu hören sind sie nicht.

    Mehr denn je kommen die Briten über den Ärmelkanal, weil das Zusammenleben in ihrer Heimat immer problematischer wird, sagt Langlands-Perry, die mittlerweile die britischen Neubürger mit ihren Nöten berät. Respekt, Freundlichkeit, Sicherheit - was es auf der Insel immer weniger gibt, sagen ihre Landsleute, finden sie hier. Sie sind dankbar dafür. Auch wenn das Paradies Dordogne auch seine Schattenseiten hat.

    "Sie kommen nach Frankreich, sie haben alles verkauft in England, dann können sie nicht mehr zurück, können nicht in Frankreich arbeiten, weil sie kein Französisch sprechen oder die Kompetenzen nicht haben, die sie brauchen, um hier in der Gegend zu arbeiten."

    Wer zu Peter und Tracey Robshaw in ihren eigenhaendig restaurierten Bauernhof "La Mirabelle" in Montazeau will, muss eine gute Landkarte haben, denn eine. genaue Adresse gibt es nicht.

    Die Beiden bringen ihren Landsleuten das gute Leben à la française kulinarisch bei. Ihr Eigentum in London haben sie verkauft, dann die alte Heimat mit Sack und Pack verlassen. Rückkehr ausgeschlossen, sagt Peter überzeugt. Tracey ergänzt.

    "Die Preise für Immobilien sind in England überall sehr hoch. Und auch wenn diese nun auch hier in Frankreich jetzt gestiegen sind, besonders hier in der Dordogne, so kann man sich dennoch noch einiges leisten."

    Um das bestätigt zu finden, genügt es, "French News" aufzuschlagen, das englischsprachige Monatsblatt mit 64 Seiten, professionell gemacht und mit Anzeigen gesegnet. Auflage: 9 bis 10.000 Stück.
    Die Zeitung hat sich bereits seit 20 Jahren ein Ziel auf ihre Fahnen geschrieben: Die Integration der anglophonen Neubürger in die frankophone Welt. Chefredakteurin ist Miranda Neame, selbst Britin.

    "Im Allgemeinen sind die Neuankömmlinge bezaubert und leben einen Traum, der mindestens ein Jahr andauert. Dann stoßen sie auf jede Menge Schwierigkeiten. Da ist etwa diese französische Überzeugung, dass die sozialen Errungenschaften nicht verhandelbar sind. Das ist besonders für Briten sehr schwer verständlich, die viel abenteuerlustiger sind, würde ich sagen."

    Schwierigkeiten bereitet auch immer wieder die Sprache, sagt Neame. Kein Zufall, glaubt die Französin Nicole Pattinson, seit Jahrzehnten mit einem Briten verheiratet.

    "Ich finde, die Engländer bleiben unter sich und laden nicht oft Franzosen bei sich zu Hause ein. Nicht, dass sie nicht wollten! Das Problem ist: Sie haben keine Lust, einen ganzen Abend lang Französisch zu sprechen."

    Die Briten treiben die Immobilienpreise in die Höhe!, lautet ein gängiges Vorurteil. Unsinn, sagt eine Maklerin in Bergerac, allerdings nicht ins Mikrofon: Schließlich setzten die V e r k a e u f e r die Preise fest! Und weil die baufälligen Höfe, die den Briten so am Herzen liegen, langsam Mangelware werden, stiegen eben deren Preise.

    Vielleicht kommen die Briten deshalb vom Land in die Stadt? Daniel Garrigue, Bürgermeister von Bergerac, heißt sie jedenfalls willkommen, auch wenn er sich, wie er sagt, hier kein "Dordogneshire" wünscht.

    "Im Allgemeinen integrieren sich die Briten sehr gut und fallen vor Ort nicht weiter auf. Wir haben nicht sehr viele Auseinandersetzungen mit ihnen."

    Je älter die Neubürger sind, desto unbeweglicher werden sie auch, sagt Garrigue. Körperlich gesehen. Was ist, wenn ich irgendwo in der Pampa sitze und nicht mehr zum Arzt komme oder zum Einkaufen?

    Antwort auf Fragen wie diese gibt eine fast bezugsfertige Siedlung nördlich von Bergerac, 104 Wohneinheiten rund um einen künstlichen See, Angeln und Schwimmen erwünscht. Jean-Jacques Brisseau, Berater des Bürgermeisters, lädt zur Stippvisite im Geländewagen. Das ganze Gelände ist in 80 Grundstücke unterteilt, 70 Prozent davon haben Briten gekauft, erklärt er. Das sei das ganz Neue daran, und es seien vor allem Briten, die ihr Haus selber bauen.

    "Streng nach Vorschrift: ausschließlich Ziegeldächer, die Farben sind vorgeschrieben, die Grünanlagen, die Zäune zum Nachbarn müssen alle gleich sein, Hecken müssen gepflanzt werden. Es ist sehr reglementiert."

    Reglementierungen gibt es allerdings auch auf dem Land, sagt Bürgermeister Daniel Garrigue. Den meisten Ärger gebe es mit Ex-Städtern, die nicht wollen, dass im Dorf morgens der Hahn kräht. Briten? Nein, nein, so Garrigue - zugezogene Franzosen.