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Armut im Osten höher als im Westen

Im Osten Deutschlands gibt es gut zwei Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung noch immer mehr Arme als im Westen. Der Unterschied ist aber kleiner geworden, und im Westen ist das Armutsrisiko in den vergangenen acht Jahren sogar leicht gestiegen. Das teilte das Statistische Bundesamt in Wiesbaden mit.

Von Verena Herb |
    Blickt man auf das Armutsrisiko, fallen vor allem die regionalen Unterschiede auf. Auch zwei Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung gibt es im Osten mehr Arme als im Westen. Bernhard Boockmann, Volkswirt und wissenschaftlicher Geschäftsführer des Instituts für angewandte Wirtschaftsforschung IaW in Tübingen mit einem Erklärungsversuch:

    "Sicherlich wichtig ist die Arbeitsmarktentwicklung: Wir haben immer noch persistente Unterschiede in der Arbeitslosigkeit zwischen Ost und West und das ist zum großen Teil verantwortlich für diese Unterschiede."

    2012 galt jeder Fünfte im Osten als relativ arm, in Leipzig ist dies laut Statistischem Bundesamt sogar jeder Vierte. Gleiches gilt für westdeutsche Städte wie Dortmund und Duisburg.

    Gerade in NRW sei der Anteil armer Menschen - auch in Köln oder Düsseldorf - am stärksten gestiegen. Anders indes die Entwicklung in Hamburg, Nürnberg und Dresden: Dort sank der Anteil armer Menschen von 2005 bis 2012. Am wenigsten arme Menschen gibt es in München und Stuttgart. Bernhard Boockmann:

    "Ich glaube, eine einheitliche Erklärung wird man dafür nicht finden, das hat viel mit der wirtschaftlichen Entwicklung zu tun. Diese Unterschiede prägen sich auch aus in den unterschiedlichen Preisniveaus. Die Preisniveaus ändern sich zwischen Städten. Und das fängt die Entwicklung bei Arbeitsentgelten teilweise wieder auf."

    Am höchsten ist die relative Armut, so berichtet die Wiesbadener Behörde, seit 2010 in Bremen und Mecklenburg-Vorpommern. Dort sei die Zahl am höchsten, so der VWL-Professor:

    "Weil das ein Bundesland ist, was auch im Vergleich der ostdeutschen Bundesländer eine sehr hohe Arbeitslosigkeit hat. Bei Bremen muss man zusätzlich berücksichtigen, dass es sich hier um einen Stadtstaat handelt. Und in den Städten ist die Armutsquote tendenziell höher als in ländlichen Bereichen. Das hat zu tun mit unterschiedlichen Problemlagen, Einpersonenhaushalte, viele Personen mit Migrationshintergrund."
    Armut beginnt in Deutschland ab einem Monatseinkommen von 869 Euro netto - für eine Einzelperson und bei 1826 Euro für eine Familie mit zwei Kindern unter 14 Jahren. Nach der EU-Definition gilt als "armutsgefährdet", wer mit weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der gesamten Bevölkerung auskommen muss.

    Für das Deutsche Institut für Armutsbekämpfung gibt es aber auch eine gefühlte Armut, die sich weniger an konkreten Einkommensgrenzen festmachen lässt. Hier geht es vielmehr um Menschen, die sich aufgrund von gefühlter Ausgrenzung oder Diskriminierung als arm betrachten oder in ständiger Angst vor Armut leben.