Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

Arno Orzessek
Im Volkswagen in die Sahelzone

Es stimmt: eigentlich müsste der Klimawandel in den Medien ein viel größeres Thema sein. Doch wahllos Panik zu schüren, ist kontraproduktiv. Unser Glossist Arno Orzessek lässt etwas heiße Sahara-Luft aus der Debatte.

Von Arno Orzessek | 02.05.2019
Eine Gruppe von Menschen in den Sanddünen von Moul Naga Tadrart Tassili im Ajjer Nationalpark, Sahara Wüste, Algerien, Afrika
So könnte es bald auch bei uns aussehen. Suggerieren jedenfalls einige Journalisten. Ist wahrscheinlich aber alles nur heiße Luft. (imago )
Wissen Sie, was unser aller Glück ist? Unser Glück ist, dass sich die Hitze der Klimadebatte nicht direkt auf die Erderwärmung auswirkt. Sonst läge Deutschland längst in der Wüste. So aber wird es bis dahin auf jeden Fall noch ein paar Wochen dauern.
Sie halten das jetzt für einen schlechten Scherz? Bitte schön, dann haben Sie dieser Tage wohl nicht die "Bild" gelesen. Da stand nämlich in Lettern, die man selbst bei Sandsturm entziffern könnte: "Meteorologen sicher! Sahara-Sommer mit Mega-Dürre droht." Auch die klügere Schwester der "Bild" im Hause Axel Springer, die Tageszeitung "Die Welt", sah bereits "Die Wüste vor der Haustür".
Und nicht nur Springer ließ alle Hoffnungen für unsere grüne Landesnatur fahren. Der "Focus" formulierte wie mit dem letzten Tropfen Spucke: "Dauer-Dürre trocknet Deutschland aus". Und als erhöben sich Wanderdünen bis zu ihren Fenstern, seufzte die Berliner Zeitung: "Unsere Wüste".
Ohne Nässe bleibt's womöglich trocken
Bevor Sie nun loshetzen, um auf den letzten Drücker kubikmeterweise Mineralwasser zu bunkern, hier die gute Nachricht: Auch wenn Sie weder Kamel noch Fennek noch Viper sind, sondern hagelharter 08/15-Europäer, haben Sie gewisse Chancen, den Sommer zu überleben.
Den Untergangs-Überschriften lag nämlich ein Statement des Deutschen Wetterdienstes zugrunde, das weder an Panik noch an Banalität zu unterbieten ist. Es lautete: Wenn die trockene Witterung monatelang anhält, könnte es erneut einen Dürresommer geben. Oder kurz: Ohne Nässe bleibt's womöglich trocken.
Genau! Verglichen damit sind manche Bauernregeln komplexe Meteorologie.
Medien im Apokalypse-Taumel
Dennoch gab die Deutsche Presseagentur (dpa), kaum hatte sie's vernommen, ihrem Verstand hitzefrei und setzt die Horror-Meldung in die Presselandschaft: Laut Wetterdienst steuert Deutschland auf große Dürre zu. Allein das Verb 'steuern' - als wäre Deutschland ein Volkswagen auf dem Weg in die Sahelzone - hätte stutzig machen können. Doch viele angeschlossene Redaktionen gerieten nach dem dpa-Blackout sogleich in den Apokalypse-Taumel.
Worüber der Wetterdienst jedoch keinen einzigen Mucks verloren hatte, das war: Wie das Wetter im Sommer nun wirklich wird und wann die Sahara die Elbe versandet. So etwas wissen Journalisten, Wetterdienste wissen es nicht.
Vielleicht - Gott bewahre! - werden einige von uns während heftiger August-Unwetter in überspülten Kanalisationen ertrinken und in ihr bitteres Todesröcheln medienkritische Untertöne mischen: Von wegen, gluck, gluck, "Wüste vor der Haustür", gluck, gluck, gluck...
"Erste Dürre-Opfer ertrunken"
Man ahnt, wie dann die Überschriften lauten: "Erste Dürre-Opfer ertrunken", "Sintflut in der Sahara", "Mega-feuchte Trockenheit ausgebrochen".
Aber bleiben wir sachlich: Ob der Klimawandel menschengemacht ist oder nicht – das Klimapanik-Klima in den Medien ist es. Eigentlich müsste man für den Text-Ausstoß von Journalisten ein Pendant zur CO2-Obergrenze festlegen. Denn mit der beschworenen Klimakatastrophe ist es wie mit der Wiederkunft Christi: Solange sich's hinzieht, mehren sich im geneigten Publikum die Zweifel.
Nur widerspräche Mäßigung der journalistischen Mode. "Sex sells" war einmal, heute gilt: "Klima sells."
Ein "taz"-Interview mit Mutter Erde
Wussten Sie zum Beispiel, dass man, also frau, den Klimawandel gendern muss? "taz"-Leser wissen so was! Denn die "taz" hat die Expertin Linda Ederberg interviewt. Und die hat gesagt: "Klimawandel und Patriarchat gehen Hand in Hand." Schließe daraus keiner, Gleichberechtigung würde CO2-mäßig, sollten mehr Frauen mehr Porsche fahren, alles noch schlimmer machen. Ederberg suggerierte umgekehrt: Wenn Männer wie Frauen wären, wäre tendenziell auch das Klima prima und in matriarchaler Atmosphäre gar nicht erst den Bach runter gegangen.
Eine nette These, zu der wir gern mal ein "taz"-Interview mit Mutter Erde lesen würden. Und sehen Sie: Schon kommen wir selbst auf die seltsamsten Ideen. Und Sie hören uns bei dem ganzen Unfug auch noch zu. Keine Frage: Der Klimawandel hat uns echt voll im Griff. Und wir ihn nicht. Quod erat demonstrandum.
In diesem Sinne: Ziehen Sie sich warm an!