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Arsen im Grundwasser

Jahrzehntelang lebten die Bewohner einer Siedlung im nordbayerischen Schonungen im Landkreis Schweinfurt auf einer tickenden Zeitbombe. Denn bis 1930 wurde auf dem Gelände Farbe produziert - das so genannte Schweinfurter Grün der Farbenfabrik Sattler war jedoch so giftig, wie der Name fast schon vermuten lässt. Denn die Farbe wurde auf der Grundlage von Arsen hergestellt. Das hochgiftige, krebserregende Metall hat sich bis heute im Boden und Grundwasser gehalten.

Von Christoph Kersting |
    Man hat ja kleine Kinder, man versucht, die gesund zu ernähren, man baut selber Gemüse an, und damit habe ich halt meine Kinder vollgestopft. Und was da für Spätschäden auftreten, weiß ich ja nicht, ob da mal was kommt.

    Barbara Rottmann und ihr Mann Robert haben vor 14 Jahren ein Haus mit Garten in der Schonunger Farbfabriksiedlung gekauft. Vor zwei Jahren hatten die Behörden alle Bewohner der Siedlung erstmals informiert, dass das ehemalige Gelände der Firma Sattler mit Schwermetallen und Arsen verseucht sei. Welches Ausmaß die Sattler-Altlast tatsächlich hat, erfuhren die Rottmanns und ihre Nachbarn jetzt nach der Orientierenden Untersuchung durch die Behörden. Über die Ergebnisse sei man auch beim Landratsamt Schweinfurt erstaunt gewesen, sagt Umwelt-Sachbearbeiter Michael Hacker Seine Behörde ist verantwortlich für die Untersuchung des Bodens:

    Die chemischen Analysen haben entscheidende Spitzenwerte an Arsen, Blei und Cadmium ergeben. Der Spitzenwert bei Arsen lag bei 1600 mg pro kg, der Spitzenwert bei Blei bei 9100 mg und der Spitzenwert bei Cadmium bei 45 mg je kg. Diese Werte lassen darauf schließen, dass im Bereich der ehemaligen Sattler definitiv eine Altlast, d.h. eine Grundwasser- und Bodenverschmutzung vorliegt.

    1600 mg Arsen pro kg Boden - das bedeutet bei einem Grenzwert von 50 mg eine Überschreitung um das 36-fache. Dort, wo grüne Farbreste im Boden gefunden wurden, war der Grenzwert sogar um das 3300-fache erhöht. Aber nicht nur der Boden, auch das Grundwasser unter der ehemaligen Fabrik ist kontaminiert. Bis zu 1200 Microgramm Arsen pro Liter Grundwasser ergaben die Messungen des Schweinfurter Wasserwirtschaftsamtes. Erlaubt sind lediglich 40 Microgramm. Doch damit nicht genug. Wer denn eigentlich für eine mögliche Sanierung der Altlasten haftet, wollten die betroffenen Schonunger wissen und richteten eine entsprechende Anfrage an das bayerische Umweltministerium. Theo Kohmann, Grundstücksbesitzer und Vorsitzender der örtlichen Solidargemeinschaft umweltbewusster Bürger, mochte nicht so recht glauben, welche neue Hiobsbotschaft ihm da ins Haus flatterte:

    Wir haben eine Antwort des Umweltministers Dr. Schnappauf bekommen, und da ist es so, dass wir keine Aussicht momentan haben, von dieser Haftung ausgenommen zu werden. Man glaubt in Bayern, dass das Bundesbodenschutzgesetz uns mit der vollen Haftung vom Wert des Grundstücks einbeziehen zu können. Und da kämpfen wir dagegen. Und jetzt versuchen wir noch Gespräche im Umweltministerium zu führen. Es geht hier nicht um Peanuts, und es geht nicht einmal um den Wert der Grundstücke. Wir gehen davon aus, dass es einen Schadensfall von bis zu 100 Mio Euro bedeuten kann.

    Inzwischen hat das bayerische Umweltministerium eine eingehende Prüfung des Falls Schonungen angeordnet. Geplant sei außerdem ein kurzfristiges Gespräch zwischen Minister Werner Schnappauf und den Bewohnern der Siedlung, heißt es in München. Die Frage der Haftung indes ist rechtlich in der Tat komplex. Denn laut Bundesbodenschutzgesetz geht die Zahlungspflicht auf den heutigen Eigentümer über, wenn der eigentliche Verursacher der Altlast tot ist - so wie im Fall des Industriellen Wilhelm Sattler. Für die meisten Eigentümer indes würde eine Haftung bis zum Wert ihrer Grundstücke den finanziellen Ruin bedeuten, fürchtet Norbert Rottmann:

    Man kauft sich ja das Haus, hat renoviert, Schulden gemacht. Und sollte der schlimmste Fall eintreten, dass wir da zur Haftung gezogen werden, dann zahlen wir im Prinzip für etwas, was uns schon gehört.

    So weit will es aber auch das Umweltministerium in München nicht kommen lassen, das sich nach eigenem Bekunden um eine sozialverträgliche Lösung bemüht. Denkbar wäre demnach etwa, dass die halbstaatliche Gesellschaft für Altlastensanierung in Bayern (GAB) einen Teil der Sanierung übernimmt.