So arbeiten wir den ganzen Tag. Das sind die Turbopumpen, die das Vakuum erzeugen. Da wo gewogen wird, darf natürlich keine Luft rein kommen, deshalb laufen die tagein, tagaus um das Vakuum am Laufen zu halten. Man gewöhnt sich dran.
Das Vakuum braucht Roland Dias für sein Massenspektrometer. Damit untersucht er im umweltanalytischen Labor der Universität Essen metallorganische Verbindungen, zusammen mit Professor Alfred Hirner:
Metallorganische Verbindungen können Sie sich so vorstellen, dass Metalle sich quasi mit organischen Verbindungen wie Gasen verbinden, dass sie dadurch flüchtig werden und völlig neue Eigenschaften bekommen und deshalb mit dem ursprünglichen Metall vom Verhalten her nicht mehr viel gemeinsam haben.
Sie sind vor allem wesentlich giftiger als die reinen Metalle. Metallorganische Verbindungen entstehen unter Luftausschluss und lösen sich in Fett und Wasser. Auf diesem Weg können sie dem Menschen gefährlich werden - vorausgesetzt, sie zerfallen bis dahin nicht:
In unserer normalen sauerstoffreichen Umgebungsluft sind diese Verbindungen nicht stabil. Dummerweise aber gehen sie auch nicht sofort kaputt. Das heißt, die haben mittlere Lebensdauern, wenn sie an die Luft gelangen, von vielleicht ein paar Minuten bis zu ein paar Tagen.
Deshalb kommen metallorganische Verbindungen in aller Regel nur in Spuren in der Natur vor und verursachen keine Schädigungen. Das kann sich aber ändern, wenn bestimmte Bedingungen herrschen. Betroffen sind einige "Hot Spots" wie zum Beispiel Mülldeponien. Hirner:
Wenn Sie jetzt da arbeiten, dann sind sie direkt dran. Wenn die Verbindung nur eine Minute lebt - das wird reichen, um Sie noch zu erreichen. Zweiter möglicher Hot Spot sind generell Altlasten. Wobei wir da auch schon einiges gelernt haben, weil es nämlich interessanterweise nicht die hochbelasteten Bereiche sind, weil da ist das mikrobiologische Leben nämlich schon gestorben. Das heißt, wenn die Konzentration der Metalle zu hoch ist, dann kann der Prozess nicht mehr auftreten, weil die Organismen das nicht überleben, sondern es werden die Randbereiche sein, wo das ineinander übergeht.
Vermutlich sind es Enzyme, die Metalle in metallorganische Verbindungen umwandeln. Das legt die Frage nahe, ob der Prozess nur bei Mikroorganismen oder auch bei anderen Lebewesen abläuft: Hirner:
Für uns die derzeit wirklich heißeste Frage ist, in wie weit wir selber als Menschen in der Lage sind, diese Verbindungen zu bilden. Wir haben wahrscheinlich einige Enzyme, die das können. Insbesondere hat man schon schwere Vermutungen bei Niere und Leber, dass da so was passieren kann.
Der menschliche Organismus als Produzent metallorganischer Verbindungen - das würde den Blick auf metallorganische Verbindungen wesentlich verändern. Wie komplex die Zusammenhänge sind, zeigt das Beispiel des Halbmetalls Selen. Hirner:
Selen ist etwas, was ja deshalb kritisch ist, weil es auch essentiell ist, das heißt da haben Sie ja auch Mangelerscheinungen, wenn Sie zuwenig mitkriegen. Und wenn Sie zuviel mitkriegen, dann ist es natürlich giftig. Das wird genauso gut methyliert. Wir haben auch schon publiziert, dass in unserer Atemluft organisches Selen ist.
Das bedeutet: Unser Organismus hängt an Selen organische Bausteine an, die dem Gas Methan ähneln. So entsteht eine selenorganische Verbindung, die Hirner direkt in der Atemluft nachweisen konnte. Als nächstes will er nun bei sich selbst untersuchen, welche Metalle sich im menschlichen Körper umwandeln - von ungiftigen Stoffen in metallorganische Gase.