Archiv


Art Cologne-Preis vergeben

"Max Ernst nahm sich die Freiheit, der Welt der Nützlichkeit, der Banalität, ein durch Traum und Imagination korrigiertes Universum entgegenzustellen. Eine innere Sicht wird projiziert, eine Welt, die mit abertausend Augen sieht." In diese surreale Welt hatte sich schon der junge Spies verliebt. Er wollte sie entschlüsseln und ein wenig verstehbar machen: eine Lebensaufgabe des Kunsthistorikers, Kunstkritikers und Ausstellungskurators. "Ein surrealistisches Bild gibt uns Fragen auf", sagt er. Aber es gibt aber keine endgültigen Antworten. Für Spies bleibt ein surrealistisches Bild ein "unlösbares Rätsel". Deshalb wohl auch strömen die Museumsbesucher zu den Surrealisten, wie im vorigen Sommer in Düsseldorf, um sich, wie Kurator Spies es formuliert, von den "rätselhaften Bildern überfallen zu lassen" und neue Lösungen zu entdecken. Werner Spies hilft dem Laien bei dieser Entdeckungsreise, nicht nur bei den Surrealisten, mit dem "Auge am Tatort", wie ein Sammelband seiner Kunstrezensionen heißt. Das Ateliers eines Künstlers, wo das Kunstwerk entsteht und das Museum, wo das Kunstwerk aufgehoben ist: keine anderen Orte liebt er mehr. Das ist sein Universum, von dem er berichtet mit "Verstand und Sinnlichkeit, Vernunft und Gefühl", wie es Jean Clair, Direktor des Picasso Museums in Paris, kürzlich in einer Laudatio sagte.

Anne Linsel |
    Werner Spies wurde am 1. April 1937 in Tübingen geboren. Er studierte Philosophie, Kunstgeschichte und Romanistik in Wien, Paris und Tübingen. 1962 ging Spies nach Frankreich, wo er heute noch lebt. In Paris lernte er nicht nur bildende Künstler kennen, über die er schrieb, sondern auch Schriftsteller wie Samuel Beckett, Nathalie Sarraute, Claude Simon, Marguerite Duras, Alain Robbe-Grillet. Auch über sie schrieb er, übersetze ihre Werke ins Deutsche, und regte sie an, für deutsche Rundfunkanstalten Hörspiele, Fernsehspiele, Theaterstücke zu schreiben. Werner Spies: ein Mittler der Kultur zwischen Frankreich und Deutschland. Für dieses Engagement wurde er in diesem Jahr von der Vereinigung Deutsch-Französischer Gesellschaften hoch geehrt.

    Zu zwei großen Künstlern dieses Jahrhunderts hatte Werner Spies enge persönliche Kontakte: mit Max Ernst war er bis zu dessen Tod 1976 befreundet, Pablo Picasso lernte er ebenfalls noch vor dessen Tod 1973 kennen. Beide hat er mit großen Ausstellungen in aller Welt populär gemacht. Spies war der erste, der sich systematisch mit dem plastischen Werk von Picasso beschäftigt und ein Werkverzeichnis von dessen Skulpturen erstellt hat. Mehrfach hat Spies den hochbetagten Picasso in seiner südfranzösischen Abgeschiedenheit besucht.

    Für Spies gibt es auf den ersten Blick keinen "stärkeren und aufregenderen Gegensatz" als den zwischen Picasso und Max Ernst. Picasso, "ein Mann der unbedingten Realität," eine Realität, die in seinen Bildern verzerrt wird, aber immer erkennbar bleibt, und Max Ernst, für den die Realität Ausgangspunkt ist für, so Spies, eine "verwirrende Veränderung, für das "Erstellen visionärer Welten". Was beide Künstler eine, sei, dass sie sich auf keine Gewissheiten eingelassen haben. Spies: "Hier und dort überwiegen im Werk Brüche und Unruhe und Selbstzweifel, die unentwegt die stilistische Definition unterminieren." Diese Unruhe und Brüche sind für Spies Merkmale für Qualität und der innere Antrieb, diese immer wieder neu aufzuspüren.

    Einen der bekanntesten deutschen Künstler sieht Werner Spies äußerst kritisch: Joseph Beuys.

    Auf die Frage, welcher Künstler die Kunst des 20. Jahrhunderts bis ins 21. hinein am meisten beeinflusst habe, antwortet Spies:

    Generell kann man sagen, Picasso war die einzige überragende Figur im 20. Jahrhundert.